Rechtsprechung KW 32 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Wirksamkeit von Steuerbescheiden, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergehen
Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, können ausnahmsweise auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, welche zur Tabelle anzumelden sind.

Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, entsteht ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG nicht bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.03.2018 - IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721).

BFH v. 05.04.2022, IX R 27/18

Hinweis
Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

Im Streitfall reichte der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des W eine Einkommensteuererklärung für W und dessen Ehefrau beim FA ein. Dieses setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß in Höhe von rund 29.000 € fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von rund 2.500 €. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Klage und machte geltend, das FA dürfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine (förmlichen) Bescheide mehr erlassen.

Der BFH hat entschieden, dass Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, ausnahmsweise auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen können, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt.

Dem ist der BFH – wie schon zuvor das Finanzgericht – nicht gefolgt und hat die Handhabung der Finanzverwaltung bestätigt. Zwar dürfen Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden. Vielmehr muss das FA Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Tabelle anmelden. Eine Ausnahme gilt für sog. Nullbescheide sowie für Umsatzsteuerbescheide, mit denen eine negative Steuer festgesetzt wird und aus denen sich keine Zahllast ergibt. Ein vergleichbarer Ausnahmefall liegt nach Ansicht des BFH auch dann vor, wenn sich - trotz positiver Steuer – unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen eine Erstattung ergibt. Einem derartigen Bescheid fehlt die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit hat das FA keine Insolvenzforderung festgesetzt, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann.
 

1.2.Einkommensteuer

Berechnung der Überentnahmen i. S. des § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG bei der sinngemäßen Anwendung der Regelungen auf Einnahmenüberschussrechner
Auch bei Steuerpflichtigen mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen.

Überentnahmen sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird.

BFH v. 17.05.2022, VIII R 38/18

Hinweis
Gem. § 4 Abs. 4a S. 6 Hs. 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Sätze 1 bis 5 des § 4 Abs. 4a EStG sinngemäß anzuwenden. Schuldzinsen sind gem. § 4 Abs. 4a S. 1 EStG nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a S. 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a S. 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a S. 4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt (§ 4 Abs. 4a S. 5 EStG).

Die Beteiligten streiten um die Berechnung der Überentnahmen i. S. d. § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG bei der sinngemäßen Anwendung der Regelungen auf Einnahmenüberschussrechner.

Der BFH hat entschieden, dass auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln ist, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen. Überentnahmen sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird.

Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist periodenübergreifend angelegt. Dies folgt aus dem Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a S. 1 EStG („Überentnahmen“), insbesondere aber aus der Berechnungsvorschrift in § 4 Abs. 4a S. 3 EStG. So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr selbst keine Überentnahme zu verzeichnen ist, denn die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre beruhen. Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Regelungen in § 4 Abs. 4a S. 1-5 EStG auf Steuerpflichtige, die ihren Gewinn im Wege der EÜR ermitteln (§ 4 Abs. 4a S. 6 Hs. 1 EStG). Die Begrenzung der Überentnahme eines Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals des Klägers sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Auslegung widerspräche dem Normzweck der sinngemäß anzuwendenden Regelungen in § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG und dem Zweck der Einnahmenüberschussrechnung i. S. d. § 4 Abs. 3 EStG als vereinfachter Gewinnermittlungsmethode. Es widerspräche der Regelungsintention des § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG, wenn für Zwecke der Ermittlung der Überentnahmen im Rahmen einer Kontrollrechnung auf das bilanzielle Eigenkapital des Betriebs, das sich in der betrieblichen Totalperiode bis zum betrachteten Gewinnermittlungszeitraum ergibt, abgestellt und der jeweils günstigere Betrag herangezogen werden müsste. Der X. Senat des BFH hat dementsprechend bereits entschieden, dass eine Überentnahme i. S. d. § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG trotz eines positiven bilanziellen Eigenkapitals (positiven Kapitalkontos) des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum vorliegen und die Hinzurechnung auslösen kann. Hieraus folgt auch, dass eine Überentnahme i. S. d. § 4 Abs. 4a S. 2 u. 3 EStG nicht auf ein niedrigeres bilanzielles negatives Eigenkapital des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum zu begrenzen ist.
 

1.3.Sonstiges

Grunderwerbsteuer bei Erwerb eines Grundstücks mit Weihnachtsbaumpflanzung
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sind diejenigen Leistungen, die für den Erwerb des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts zu erbringen sind. Eine Gegenleistung für Scheinbestandteile gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Das gilt auch für sog. Weihnachtsbaumkulturen.

BFH v. 23.02.2022, II R 45/19

Hinweis
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u. a. ein Kaufvertrag, der den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung für das Grundstück. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Danach gehören zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage) alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

Im Streitfall erwarb der Kläger Grundbesitz mit angepflanzten Weihnachtsbäumen, die zu gegebener Zeit gefällt werden sollten. Die Gegenleistung für den Aufwuchs war im Vertrag gesondert ausgewiesen. Das Finanzamt setzte für den gesamten Kaufpreis GrESt fest. Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt die Bäume für sog. Scheinbestandteile und bezog den entsprechenden Kaufpreisanteil nicht in die Bemessungsgrundlage der GrESt ein.

Der BFH hat entschieden, dass für den Teil des Kaufpreises, der auf die Bäume entfällt keine Grunderwerbsteuer zu entrichten ist, wenn ein Grundstück mit aufstehender Weihnachtsbaumkultur erworben wird. Der BFH hat das Urteil des FG bestätigt. Zwar gehören alle Leistungen des Erwerbers für das „Grundstück“ zur Bemessungsgrundlage. Der Grundstücksbegriff umfasst auch dessen wesentliche Bestandteile, nämlich die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Dazu zählen grundsätzlich auch aufstehende Gehölze. Keine wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks sind jedoch die sog. Scheinbestandteile, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und von Anfang an dazu bestimmt sind, wieder von dem Grundstück entfernt zu werden. Bei Gehölzen kommt es auf die Zweckbestimmung bei Aussaat oder Pflanzung an. Unschädlich ist es, wenn eine lange Verweildauer zu erwarten ist oder das Gehölz bei Entfernung als lebender Organismus zerstört wird.


Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bzw. Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft
Eine Betriebsstätte i. S. von § 12 S. 1 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i.S. des § 12 S. 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht (BFH-Urteile vom 23.02.2011 - I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; vom 24.08.2011 - I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl. II 2014, 764). Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers).

Ohne eine gewisse räumliche und zeitliche „Verwurzelung“ des Unternehmens vor Ort, fehlt es an dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke i. S. des § 12 S. 1 AO. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort, macht die Betriebsstätte des Auftragnehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers.

BFH v. 23.03.2022, III R 35/20

Hinweis
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG), d. h. soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 S. 3 GewStG). Gem. § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient.

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin im Streitjahr 2013 im Inland eine Betriebsstätte hatte und dementsprechend gewerbesteuerpflichtig ist. Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 gegründete GmbH. Streitig ist, wo sich die Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft befindet, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft in Luxemburg wohnt und die Entscheidungen für die Gesellschaft trifft, aber gleichzeitig einer anderen (nicht irgendwie verflochtenen) inländischen Kapitalgesellschaft eine Hausverwaltungsvollmacht an einer inländischen Immobilie übertragen wird und an deren Sitz im Rahmen der Vollmacht auch die Verpflichtungen gegenüber Mietern/Pächtern und Behörden abgewickelt wurden. Die Klage begründete die Klägerin damit, dass keine Gewerbesteuerpflicht vorliege, weil sie im Inland zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte innegehabt habe. Das FG vertrat die Ansicht, die Klägerin habe im Inland eine Betriebsstätte gehabt, mit der Folge der grundsätzlichen Gewerbesteuerpflicht.

Der BFH hat entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Räumlichkeiten eigene Betriebsstätten i. S. d. § 12 S. 1 AO sein können, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Managementgesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht. Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers).

Entgegen der Auffassung des FG reichen die auf die bisherigen Feststellungen gründenden Erwägungen, die Hausverwaltungsgesellschaft sei eine mit der Klägerin wirtschaftlich verflochtene Managementgesellschaft, die durch schriftliche und telefonische Kommunikation überwacht worden sei, nicht aus, um die Annahme einer (inländischen) Betriebsstätte in den Räumen der R-Vermögensverwaltungs GmbH zu begründen. Soweit der BFH auch bei sog. Management- oder Dienstleistungsgesellschaften eine Betriebsstättenbegründung beim Auftraggeber auch ohne eigene Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten des Auftragnehmers annimmt, wird eine solche nur dann anerkannt, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage durch andere Umstände (Berechtigung und tatsächliche Durchführung eigener betrieblicher Handlungen des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers) ersetzt werden. Denn die eigenständige Auftragserfüllung eines Auftragnehmers kann, isoliert betrachtet, noch keine Geschäftstätigkeit des Auftraggebers darstellen. Ausschlaggebend ist hiernach, dass der „Auftraggeber“ mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen „Apparats“ in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit „2perativ“ nachzugehen, und dass er infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hat. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird. Die Personenidentität der Leitungsorgane ersetzt gleichsam die genannte erforderliche nachhaltige Überwachung.

Fehlt es hingegen an der Identität der Leitungsorgane, die die erforderliche nachhaltige Überwachung oder die tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten ersetzt, können die Räumlichkeiten des Dritten nur dann zur Betriebsstätte des Auftraggebers werden, wenn er in diesen Räumen eigene betriebliche Handlungen vornimmt. Diese können zwar auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats in einem solchen Fall jedoch, dass die fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgt. Denn nur bei einer gewissen räumlichen und zeitlichen „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in der inländischen Betriebsstätte des Dritten kann von dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen unmittelbaren Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke gesprochen werden. Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung kann somit allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers führen.
 

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