Rechtsprechung KW 27

 

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims
Der Erwerber eines erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Familienheims ist aus zwingenden Gründen an dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen.

BFH v. 01.12.2021, II R 18/20

Hinweis
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG bleibt steuerfrei u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1-5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 5 ErbStG fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

Die Klägerin hatte das von ihrem Vater ererbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Die Klägerin machte gegenüber dem Finanzamt und dem FG erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesundheitszustands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Das FG war der Ansicht, das sei kein zwingender Grund für den Auszug, da sich die Klägerin fremder Hilfe hätte bedienen können.
Der BFH hat entschieden, dass der Erwerber eines erbschaftsteuerlich begünstigten Familienheims nicht aus zwingenden Gründen an dessen Nutzung zu Wohnzwecken gehindert ist, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügten zwar nicht. Anders liege es, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedürfe, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung zu sprechen sei. Das FG hat deshalb unter Mitwirkung der Klägerin das Ausmaß ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu prüfen.
 

1.2.Einkommensteuer

Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens: Kein Veräußerungsverlust wegen Ansatzes des gemeinen Werts der Anteile bei Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle
Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i. S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BFH-Urteil vom 25.11.1997 - VIII R 36/96, BFH/NV 1998, 691).

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i. S. des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen; der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle kommt nicht in Betracht (vgl. ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch für § 17 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung.

Verfassungsrechtlich gebotener Vertrauensschutz nach Maßgabe des BVerfG-Beschlusses vom 07.07.2010 - 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BVerfGE 127, 61, BStBl. II 2011, 86) setzt u. a. voraus, dass die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen im Falle einer Veräußerung nach dem 31.03.1999 auch im Zeitpunkt der Veräußerung nach der bis zum 31.03.1999 geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Ist das nicht der Fall, beruht die rückwirkende Verstrickung der Wertsteigerungen nicht auf der (dem Gesetzgeber zurechenbaren) Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle, sondern ‑ wie hier ‑ auf dem (der Sphäre des Steuerpflichtigen zurechenbaren) Hineinwachsen in die Wesentlichkeit; Vertrauensschutz ist insoweit nicht geboten.

Ist verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz geboten, werden die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert.

Verluste, die sich ergeben, wenn der gemeine Wert der Anteile am 31.03.1999 dem Veräußerungserlös gegenübergestellt wird, sind nicht steuerbar.

BFH v. 05.04.2022, IX R 19/20

Hinweis
Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist gem. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Nach § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 gehörte zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war (Satz 1). Eine wesentliche Beteiligung war gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (Satz 2). Vor der Änderung durch das StEntlG 1999/2000/2002 lag diese Grenze bei „mehr als einem Viertel“. Nach dem Beschluss des BVerfG BStBl. 2011 II, 86 verstößt § 17 Abs. 1 S. 4 i. V. m. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und die entweder - bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt - nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden wären oder - bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes ‑ sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.

Streitig ist, in welchem Umfang Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen besteuert werden. Streitig ist insbesondere, ob der gemeine Wert der veräußerten Anteile zum 31.03.1999 (Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 10 %) als Anschaffungskosten anzusetzen ist.

Der BFH hat entschieden, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i. S. d. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen ist; der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle kommt nicht in Betracht.

Eine Gleichstellung der Fallgruppe „Absenkung der Beteiligungsgrenze“ mit der Fallgruppe „Hineinwachsen in die Steuerrelevanz bzw. Wesentlichkeit“ ist nicht geboten. Der - unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes relevante - Unterschied der Fallgruppen ist darin zu sehen, dass die Absenkung der Beteiligungsgrenze auf legislative, vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Maßnahmen des Gesetzgebers zurückzuführen ist. Hingegen ist das Hineinwachsen in die Steuerpflicht regelmäßig Folge des Handelns des Steuerpflichtigen und damit seiner Dispositionsfreiheit. Im Ergebnis werden damit Wertsteigerungen zwischen dem Erwerbszeitpunkt und dem 31.03.1999 verfassungsrechtlich geschützt, soweit sie in einem realisierten Veräußerungsgewinn (als Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und den historischen Anschaffungskosten) enthalten sind. Soweit sich die geschützten „stillen Reserven“ nicht in einem Veräußerungsgewinn realisieren, weil der Wert der Anteile zwischen dem 01.04.1999 und dem Veräußerungszeitpunkt gesunken ist, besteht sowohl im Fall eines verbleibenden Veräußerungsgewinns (die Wertsteigerung vor dem 31.03.1999 übersteigt die Wertminderung nach diesem Zeitpunkt) als auch im Fall eines Veräußerungsverlusts (die Wertsteigerung vor dem 31.03.1999 unterschreitet die Wertminderung nach diesem Zeitpunkt) kein Bedürfnis für einen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz. Der Vertrauensschutz kann nicht so weit gehen, dass die Steuerfreistellung von „Buchgewinnen“ zur Entstehung von steuerbaren Veräußerungsverlusten führt. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand von nicht auf das Steuergesetz gegründeten Rechtspositionen ist nicht schutzwürdig.


Mittelbare vGA im Zusammenhang mit nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen
Ist an einem Kapitalgesellschaftsanteil ein Nießbrauch bestellt, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann, sind die Kapitaleinnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen.

Ist in diesem Fall die Anteilseignerin des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils eine Kapitalgesellschaft, kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen, wenn es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handelt.

BFH v. 14.02.2022, VIII R 29/18

Hinweis
Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat.
Die Klägerin hielt in 2004 jeweils 50 % der Geschäftsanteile der A GmbH, der B GmbH und der C GmbH in ihrem Privatvermögen. Die übrigen Geschäftsanteile an diesen Gesellschaften hielt X.

Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 bestellten die Klägerin und X an ihren Geschäftsanteilen der C GmbH einen Nießbrauch mit einer Quote von 80 % zugunsten der A GmbH (sog. Quotennießbrauch). Auf Grundlage einer bei der B GmbH für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass in Höhe der Zahlungen aufgrund des Quotennießbrauchs an die A GmbH sowohl der Klägerin als auch X jeweils hälftig eine vGA i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zugeflossen sei. Streitig ist, ob Zahlungen aufgrund einer Gewinnausschüttung im Anschluss an die Einbringung nießbrauchbelasteter Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zum Ansatz einer sog. mittelbaren vGA beim Gesellschafter führen.

Der BFH hat entschieden, dass Kapitaleinnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen sind, wenn an einem Kapitalgesellschaftsanteil ein Nießbrauch bestellt ist, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (§ 2 Abs. 1 S. 1 EStG). Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nrn. 1-7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a S. 1 u. 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO). Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z. B. aufgrund einer Abtretung gem. § 398 BGB oder aufgrund einer Nießbrauchbestellung gemäß § 1068 BGB) ist diese nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Ausschüttungen der C GmbH zu Recht in vollem Umfang der B GmbH zugerechnet. Die B GmbH war infolge der Einbringung im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse Anteilseignerin der Geschäftsanteile der C GmbH. Eine abweichende Zurechnung der Ausschüttungen ergibt sich auch nicht aus dem unentgeltlich bestellten Nießbrauch zugunsten der A GmbH in Höhe von 80 %. Dieser berechtigte die A GmbH nur zur Gewinnbeteiligung in Höhe von 80 %, wohingegen die Stimmrechte der B GmbH als Anteilseignerin zustanden, und sich daher (einkommensteuerlich) die direkt an die A GmbH seitens der C GmbH gezahlten Ausschüttungen lediglich als Vorausabtretung künftiger Ausschüttungen darstellten.
 

1.3.Sonstiges

Keine Zurechnung eines Anteils am Gesamthandsvermögen aufgrund einer Treuhandabrede
Ein Anteil am Vermögen der Gesamthand i. S. des § 6 GrEStG kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden.

Bei Treuhandverhältnissen ist der Anteil am Vermögen der Gesamthand dem Treuhänder zuzurechnen.

BFH v. 12.01.2022, II R 16/20

Hinweis
Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.
 
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb von der C KG (Verkäuferin) aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 23.12.2015 Grundstücke. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war die CT KG (Zwischengesellschaft). Persönlich haftende Gesellschafterin der Zwischengesellschaft ohne Beteiligung am Vermögen war die Verkäuferin, alleinige Kommanditistin die X-GmbH als Treuhänderin für die Verkäuferin. Mit Bescheid vom 13.01.2016 setzte das beklagte FA gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin ist der Auffassung, dass für den Erwerb gem. § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG keine Grunderwerbsteuer zu erheben sei, da die Kommanditbeteiligung an der - als Personengesellschaft „transparenten“ - Zwischengesellschaft der Verkäuferin als Treugeberin auch im Rahmen des § 6 GrEStG zuzurechnen und damit die Verkäuferin mittelbar zu 100 % am Vermögen der Klägerin beteiligt sei.

Der BFH hat entschieden, dass Anteil am Vermögen der Gesamthand i. S. d. § 6 GrEStG auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden kann. Bei Treuhandverhältnissen ist der Anteil am Vermögen der Gesamthand dem Treuhänder zuzurechnen.

Durch den Erwerb der Grundstücke ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 GrEStG sind nicht erfüllt. Soweit der BFH auch nach dem Wandel der Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die Gesamthandsgemeinschaft an deren Vermögen in Zusammenhang mit §§ 5 und 6 GrEStG begrifflich noch an die „dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen“ angeknüpft hat, hält er hieran nicht mehr fest. Das Grunderwerbsteuerrecht sieht die Personengesellschaft seit jeher als selbständigen Rechtsträger an. Die grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften in §§ 5 und 6 GrEStG erkennen dementsprechend grundsätzlich an, dass bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesamthändern auf eine Gesamthandsgemeinschaft ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel stattfindet, sehen jedoch von der Erhebung der Steuer ab, soweit der Gesamthänder als Veräußerer zunächst Eigentümer des Grundstücks war und dann anteilsmäßig über das Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz Rechtsträgerwechsels in demselben grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich verbleibt. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand durch die Beteiligung einer anderen Gesamthand an der ersteren (Zwischengesellschaft) vermittelt wird. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften ist daher nicht die Zwischengesellschaft als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Zwischengesellschaft beteiligten Gesamthänder geboten. Ein Treuhandverhältnis allein reicht nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen von §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand sei es unmittelbar, sei es mittelbar über eine weitere Gesamthand, zuzurechnen.


Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft
Ein inländisches Grundstück „gehört“ einer Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.

BFH v. 01.12.2021, II R 44/18

Hinweis
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F.).

Streitig ist u. a., ob die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung des im zivilrechtlichen Eigentum einer Untergesellschaft stehende Grundvermögens an deren Obergesellschaft voraussetzt, dass die Obergesellschaft aufgrund eines (früheren) unter § 1 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs als Erwerberin des Grundvermögens anzusehen ist.

Der BFH hat entschieden, dass ein inländisches Grundstück einer Gesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1-3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück „gehört“ nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i. S. des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war. Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.
 
 
 
 

Neueste Einträge