Rechtsprechung KW 14

 

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Erbfall nach italienischem Recht
Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaft­steuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.

BFH v. 17.11.2021, II R 39/19

Hinweis
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i. S. v. § 1922 BGB. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 BGB) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 BGB) beruhen. Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den Nächstberufenen gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 BGB). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ein, wenn u.a. der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Bst. a ErbStG u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a Alt. 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung.

Die Klägerin besitzt ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit. Am 24.08.2015 verstarb ihr Vater, ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass. Die Klägerin, die zu jenem Zeitpunkt noch in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) lebte, war aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin berufen. Sie informierte im November 2015 das FA über den Sachverhalt, aber auch darüber, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht für einen Erwerb erfordere. Im September 2016 teilte die Klägerin mit, sie habe ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in Deutschland aufgegeben und sei nach E verzogen. Danach habe sie in Italien die Annahme der Erbschaft erklärt. Auf Aufforderung des FA gab sie zwar eine Erbschaftsteuererklärung ab, verwahrte sich aber gegen die deutsche Besteuerung. Das FA setzte Erbschaftsteuer fest und wies ihren Einspruch zurück. Die Steuer sei bereits am 24.08.2015 und damit zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem die Klägerin einen inländischen Wohnsitz gehabt hätte.

Der BFH hat entschieden, dass die inländische Erbschaftsteuer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entsteht, wenn ein inländischer Erbe nach italienischem Recht erwirbt. Die Steuer entsteht nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.

Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann er im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen, soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt. Für den Erwerb eines Erben nach italienischem Erbrecht entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der Annahme durch den Erben. Für diese Beurteilung kann Text und Inhalt der maßgebenden Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile - CC) zugrunde gelegt werden. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG reichen aus und sind für sich genommen auch nicht angegriffen. Der Erbschaftserwerb nach Art. 456 ff. CC ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG steuerbar. Er ist als Erbanfall i. S. des § 1922 BGB zu qualifizieren.

Entstehungszeitpunkt der Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Tod des Erblassers. Die Annahme der Erbschaft nach italienischem Recht ist nicht als aufschiebende Bedingung entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a Alt. 1ErbStG i. V. mit § 158 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, sondern als rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht erkannt, dass die Annahmeerklärungen der Klägerin bezüglich des Nachlasses ihres Vaters auf dessen Todestag zurückwirkten und die Erbschaftsteuer an jenem Tage entstanden ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin noch unbeschränkt steuerpflichtig, da sie zumindest ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Die Bewertung des Nachlasses sowie die weiteren Parameter der Besteuerung stehen nicht im Streit.


Vermögen eines anglo-amerikanischen Trusts als Nachlassvermögen des Errichters
Hat sich der Errichter einer ausländischen Vermögensmasse solche umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber darüber nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters.
Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.

BFH v. 25.06.2021, II R 13/19

Hinweis
Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB).

Der Kläger ist Miterbe zu ½ nach seiner verstorbenen Mutter (Erblasserin), die im Inland wohnhaft war. Nach Eingang der Erbschaftsteuererklärung setzte das FA Erbschaftsteuer fest. Nicht Gegenstand der Erklärung und der Bescheide war ein Trust, der im Jahr 1997 nach den gesetzlichen Vorschriften von Guernsey errichtet worden war. Gründer waren der Kläger sowie dessen vorverstorbener Bruder, Errichterin die Erblasserin, mit deren Vermögen der Trust auch ausgestattet wurde. Die Trustmanagerin hatte ihren Sitz auf Guernsey. Die Errichterin behielt sich umfassende Weisungs- und Herrschaftsbefugnisse vor. Als die Errichterin verstarb, entstand zwischen dem Finanzamt und dem Kläger Streit darüber, ob für das in den Trust eingebrachte Vermögen Erbschaftsteuer zu entrichten war.

Der BFH hat entschieden, dass für den Fall, dass sich der Errichter einer ausländischen Vermögensmasse solche umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten hat, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber darüber nicht tatsächlich und frei verfügen kann, dieses Vermögen solches des Errichters bleibt.

Hat sich der Errichter der Vermögensmasse derart umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber über das Vermögen nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters und steht einem eigenen Bankguthaben gleich.

Die Frage, ob wirksam Herrschaftsbefugnisse vorbehalten wurden, ist auf Grundlage derjenigen Rechtsordnung zu beurteilen, die die Rechtsverhältnisse der Vermögensmasse bestimmt. Dasselbe gilt für die Frage, ob mit dem Tod des Errichters diese Befugnisse fortbestehen oder ob sie erlöschen und so der Errichter bzw. dessen Erbe die Rechtszuständigkeit am Vermögen zugunsten der dadurch intransparent werdenden Vermögensmasse selbst verliert. Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.

Der BFH vermag auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden, ob das Vermögen des Trusts zum Nachlass der Erblasserin und damit zur Hälfte zum steuerpflichtigen Erwerb des Klägers gehörte und sich die Entscheidung deshalb im Ergebnis als richtig erweist. Soweit das Recht von Guernsey die Rechtsverhältnisse des Trusts bestimmt, hat das FG weder festgestellt, unter welchen Voraussetzungen nach dieser Rechtsordnung dem Errichter, hier der Erblasserin, wirksam Herrschaftsbefugnisse vorbehalten werden, noch, ob unter diesem Recht etwaige fortbestehende Herrschaftsbefugnisse mit dem Tod des Errichters fortbestehen oder erlöschen. Das FG hat sich darauf beschränkt, die Gründungsurkunde des Trusts auszulegen, ohne irgendeinen Bezug zu der den Trust bestimmenden Rechtsordnung herzustellen. Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Herrschaftsbefugnisse und damit die Transparenz des Trusts den Tod der Erblasserin überdauert haben und infolgedessen das im Trust vorhandene Vermögen vererbt werden konnte. Diese Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben und auf dieser Grundlage erneut über die Zugehörigkeit des Trust-Vermögens zum Nachlass entscheiden. Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Erbschaft des Klägers auch das hälftige Vermögen des Trusts umfasste, ist dieses nach Maßgabe von § 12 ErbStG so zu bewerten wie alle anderen Nachlassgegenstände. Das gilt auch für Anteile an Kapitalgesellschaften.
 

1.2.Einkommensteuer

Unterhaltsaufwendungen an in Deutschland geduldete Angehörige
Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gemäß § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Angehörigen zu tragen.

BFH v. 02.12.2021, VI R 40/19

Hinweis
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer - unter weiteren Voraussetzungen - dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 S. 1 EStG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung).

Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige. Die Schwester der Klägerin lebte zu Beginn des Streitjahres 2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in der Ukraine. Im April 2014 unterzeichnete der Kläger eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Daraufhin reisten die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und die Tochter im Streitjahr nach Deutschland ein. Die Kläger nahmen die Familie in C auf. Sie stellten ihr Wohnräume zur Verfügung und übernahmen die Aufwendungen für Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsanwalt (wegen Aufenthaltstitel) und Sprachkurse. Später im Streitjahr erhielten die aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus „Aussetzung der Abschiebung“ (= Duldung) gem. § 60a AufenthG. Das FA erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an.

Der BFH hat entschieden, dass Unterhaltsaufwendungen an in Deutschland (lediglich) geduldete, nicht unterhaltsberechtigte Angehörige weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.

Die von § 33a Abs. 1 S. 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem BGB unterhaltsverpflichtet ist. Dies sind nach § 1601 BGB Verwandte in gerader Linie i. S. d. § 1589 S. 1 BGB, wie z. B. Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der Seitenlinie. Unstreitig ist, dass die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter keinem der beiden Kläger gegenüber im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt waren. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG. Die Verpflichtungserklärung begründet keinen gesetzlichen (zivilrechtlichen) Unterhaltsanspruch gegenüber den Klägern. Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist vielmehr als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde ausgestaltet. Auch eine Berücksichtigung der Aufwendungen nach § 33 EStG kommt nicht in Betracht. Dies gilt auch bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung der Kläger, die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter zu unterhalten. Denn für die Fallgruppe der - wie im Streitfall - typischen Unterhaltsaufwendungen (hier für Wohnung, Lebensmittel und Versicherungen) enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf § 33 EStG ausschließt.
 

1.3.Bilanzsteuerrecht

Ergänzungsbilanzgewinn als selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage; § 6b EStG: Übertragung stiller Reserven auf einen anderen Betrieb
Der Ergänzungsbilanzgewinn, der mitunternehmerbezogen den laufenden Gesamthandsgewinn korrigiert, ist eine gesondert festzustellende und selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Eine eigene Klagebefugnis des Mitunternehmers hiergegen besteht nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO aber nur dann, wenn dieser Gewinn allein aus den Mitunternehmer betreffenden Gründen streitig ist.

Die Möglichkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist schon dann gegeben, wenn der Kläger geltend macht, der unmittelbar erstrebte steuerrechtliche Nachteil sei mit einem mittelbaren steuerrechtlichen Vorteil in einem anderen Verwaltungsakt steuerrechtlich verknüpft.

Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann.

In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem 31.12.2001 erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist.

BFH v. 16.12.2021, IV R 7/19

Hinweis
Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von Grund und Boden sowie Gebäuden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Jahr angeschafft oder hergestellt worden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen. Ist eine Rücklage noch am Schluss der grundsätzlich vierjährigen Investitionsfrist vorhanden, so wird sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufgelöst (§ 6b Abs. 3 S. 5 Hs. 1 EStG); ist keine Kürzung wegen vorgenommener Investitionen erfolgt, so ist der Gewinn in dem Jahr der Auflösung der Rücklage für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 Prozent des aufgelösten Rücklagebetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).

Die Beteiligten streiten u.a. über die Frage, ob der Kläger eine Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG, die er in seinem landwirtschaftlichen Einzelunternehmen gebildet hatte, auf die beigeladene Personengesellschaft übertragen durfte, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu entscheiden ist, oder im Rahmen der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Personengesellschaft.

Der BFH hat entscheiden, dass nicht im Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden ist, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem 31.12.2001 erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist.

§ 6b EStG erlaubt wegen der - bis zum 31.12.1998 und ab dem 01.01.2002 wieder geltenden - gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise dieser Steuervergünstigung auch den Abzug eines dem Gesellschafter zuzurechnenden Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen, sondern auch von Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter eines Einzel- oder Sonderbetriebsvermögens des Gesellschafters sowie in Höhe des auf den Gesellschafter entfallenden ideellen Anteils von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist. Letztlich kann im Streitfall jedoch offenbleiben, ob und ggf. in welchem Verhältnis im Rahmen des § 6b EStG von einem gestuften Verwaltungsverfahren ausgegangen werden kann. Eine Rechtsverletzung des Klägers für das vorliegende Verfahren liegt in jedem Fall nicht vor. Ist kein gestuftes Verfahren anzuwenden, sind die Voraussetzungen des § 6b EStG für einen Abzug des in eine Rücklage im Einzelunternehmen des Klägers eingestellten Gewinns von den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts der S-KG (auch) von dem für das Besteuerungsverfahren der S-KG zuständigen Finanzamt eigenständig zu prüfen. Dementsprechend hätte auch das FG im Streitfall das Vorliegen der Voraussetzungen in vollem Umfang zu prüfen. Der Ausgang dieses die S-KG betreffenden Verfahrens hätte allerdings keine Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs, hier also für die Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer. Der Kläger könnte daher im vorliegenden Verfahren nur eine Verschlechterung seiner Rechtsposition erreichen, ohne dass dies zu einer Verbesserung seiner Rechtsstellung im Besteuerungsverfahren seines Einzelunternehmens führen könnte. Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die Feststellung eines seiner Ansicht nach zu niedrigen Ergänzungsbilanzgewinns im Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG wäre also ausgeschlossen. Träfe die Ansicht des FA und des BMF zu und wäre -mit Bindungswirkung für die Besteuerung des reinvestierenden Betriebs - alleine im Besteuerungsverfahren für den veräußernden Betrieb über die Übertragbarkeit der stillen Reserven zu entscheiden, so könnte der Kläger im Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid der S-KG mangels Bindungswirkung dieses Bescheids für die Besteuerung seines Einzelunternehmens ebenfalls keine Verbesserung seiner Rechte erreichen. Allein die Feststellung eines seiner Ansicht nach zu niedrigen Ergänzungsbilanzgewinns verletzte ihn nicht in seinen Rechten.

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