Rechtsprechung KW 11 - 2022

 

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzteuer

Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit
Der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) kann dann in Betracht kommen, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen.

BFH v. 20.10.2021, XI R 10/21

Hinweis
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Eine Gemeinde ließ im Jahr 2015 eine Hängeseilbrücke bauen. Zugleich wurde für die zu erwartenden Besucher ein Parkplatz hergestellt. Die Gemeinde bewirtschaftete den Parkplatz in der Weise, dass sie Parkgebühren erhob. Das Finanzamt war der Auffassung, dass zwischen der Parkplatzvermietung und den in Anspruch genommenen Leistungen zur Errichtung der Brücke kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Deshalb dürfe die Gemeinde die sog. Vorsteuer, also die in den ihr erteilten Rechnungen der Bauunternehmen ausgewiesene Umsatzsteuer, nicht abziehen.

Der BFH hat entschieden, dass der sog. Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) dann in Betracht kommen kann, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen. Für die Gemeinde bedeutet das im Ergebnis, dass sich ihre Baukosten für die Hängeseilbrücke deutlich reduzieren.

Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss zwischen dem Leistenden (hier: der Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (hier: den Nutzern der Hängeseilbrücke) ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies hat der BFH bejaht. Er sah in der Vereinnahmung von Parkgebühren einen unmittelbaren Zusammenhang zur Bereitstellung der Hängeseilbrücke.


„Vermietung“ von virtuellem Land in einem Online-Spiel
Im Gegensatz zur spielinternen „Vermietung“ von virtuellem Land bei einem Online-Spiel begründet der Umtausch einer Spielwährung als vertragliches Recht in ein gesetzliches Zahlungsmittel (im Streitfall über eine von der Spielbetreiberin verwaltete Börse) eine steuerbare Leistung.

BFH v. 18.11.2021, V R 38/19

Hinweis
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u. a. die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dies beruht auf Art. 2 Abs. 1 Bst. d MwStSystRL.

Der Kläger erwarb im Rahmen eines Online-Spiels virtuelles Land von der amerikanischen Spielebetreiberin, parzellierte und vermietete dies innerhalb des Online-Spiels gegen Zahlung einer virtuellen Währung an andere Spieler.


Angesammeltes Spielgeld wurde vom Kläger sodann über die spieleeigene Tauschbörse in US-Dollar getauscht, die er sich später in Euro auszahlen ließ. Hierfür hatte der Kläger ein Gewerbe angemeldet und auch eine Umsatzsteuererklärung erstellt. Das Finanzamt unterwarf diese „Vermietungseinnahmen“ der Umsatzsteuer. Es ging davon aus, dass 70 % der Umsätze im Inland ausgeführt wurden. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass bereits kein Leistungsaustausch vorliege. Er habe die Leistungen auch nicht gegenüber anderen Nutzern des Online-Spiels, sondern gegenüber der amerikanischen Betreiberin und damit an ein im Ausland ansässiges Unternehmen erbracht. Der Ort der Leistung liege daher in den USA, weshalb die Umsätze in Deutschland nicht steuerbar seien.

Der BFH hat entschieden, dass der Umtausch einer Spielwährung als vertragliches Recht in ein gesetzliches Zahlungsmittel eine steuerbare Leistung begründet.  

Das FG hat die „Vermietungen“ von virtuellem Land durch den Kläger unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG als entgeltliche Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts angesehen. Zwar hat das FG im Zusammenhang mit der Nutzung des Programms A durch den Kläger zutreffend einen Leistungsaustausch angenommen. Es hat dabei jedoch den Gegenstand des Leistungsaustauschs und die daran beteiligten Parteien unzutreffend bestimmt. Nicht die spielinterne „Vermietung“ von virtuellem Land bei einem Online-Spiel, sondern der Umtausch der Spielwährung als vertragliches Recht in ein gesetzliches Zahlungsmittel (im Streitfall über eine von der Spielbetreiberin verwaltete Börse) begründet eine steuerbare Leistung. Die „Vermietung“ war auf ein Tätigwerden im Rahmen des Spielgeschehens des Programms A beschränkt. Als rein spielinterner „Umsatz“ verschaffte die „Vermietung“ dem jeweiligen Mitspieler keinen Vorteil, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.


Umsatzsteuerpflicht eines Sportvereins bei Zuschüssen einer Gemeinde zur Bewirtschaftung der selbstgenutzten Sportanlage
Zahlungen einer Gemeinde an einen Sportverein im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung einer zur langfristigen Eigennutzung überlassenen Sportanlage, die es dem Sportverein ermöglichen sollen, sein Sportangebot aufrechtzuerhalten, können umsatzsteuerbare (echte) Zuschüsse für die Tätigkeit des Sportvereins darstellen.

BFH v. 18.11.2021, V R 17/20

Hinweis
Streitig ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Zahlungen einer Gemeinde an den Kläger, einen eingetragenen Verein, im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der dem Kläger kostenfrei zur Nutzung überlassenen gemeindlichen Sportanlage aus den Streitjahren 2011 bis 2014. Das FA sah die Zahlungen der Gemeinde als Entgelt für durch den Kläger an die Gemeinde erbrachte Leistungen an.

Der BFH hat entschieden, dass Zahlungen einer Gemeinde an einen Sportverein im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung einer zur langfristigen Eigennutzung überlassenen Sportanlage, die es dem Sportverein ermöglichen sollen, sein Sportangebot zu erweiterten nicht umsatzsteuerbare (echte) Zuschüsse für die Tätigkeit des Sportvereins darstellen.

Die Zahlungen der Gemeinde stellen keine Gegenleistung für von dem Kläger im Rahmen eines entgeltlichen Leistungsaustauschs erbrachte Bewirtschaftungsleistungen dar. Vielmehr handelt es sich bei den Zahlungen um nicht umsatzsteuerbare (echte) Zuschüsse. Zahlungen einer Gemeinde an einen Sportverein im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung einer zur langfristigen Eigennutzung überlassenen Sportanlage, die es dem Sportverein ermöglichen sollen, sein Sportangebot aufrechtzuerhalten, können nicht umsatzsteuerbare (echte) Zuschüsse für die Tätigkeit des Sportvereins darstellen. Die Abgrenzung zwischen Entgelt und einem nicht steuerbaren „echten“ Zuschuss wird vor allem nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorgenommen.

Dementsprechend ist etwa bei Forschungszuschüssen entscheidend, ob dem Zuschussgeber eine Forschungsleistung zugewendet werden soll oder ob vielmehr die Forschungstätigkeit nicht für den Zahlenden als Empfänger bestimmt ist, wobei als Indiz u. a. der von ihm verfolgte Zweck dient. Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den Zahlungen der Gemeinde um einen nicht steuerbaren „echten“ Zuschuss. So zeigen die langfristige und zudem unentgeltliche Nutzungsüberlassung einerseits sowie das Fehlen einer Verpflichtung des Klägers, bestimmte Sportangebote vorzuhalten, andererseits, dass es der Gemeinde gerade nicht darum ging, konkrete Betreiberleistungen für sich zu beziehen. Vielmehr wollte die Gemeinde ersichtlich den Kläger aus strukturpolitischen Gründen in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seiner gemeinnützigen Tätigkeit im Sinne der örtlichen Gemeinschaft nachzugehen. Die Zahlungen der Gemeinde dienten dazu, die Eigennutzung der Sportanlage durch den Kläger zu ermöglichen. Angesichts der langfristigen Nutzungsüberlassung konnte die Gemeinde keinen eigenen Nutzen aus der Bewirtschaftung der Sportanlage durch den Kläger ziehen.
 

1.2.Einkommensteuer

Steuerfreistellung des Gewinns aus der Veräußerung eines mit einem „Gartenhaus“ bebauten Grundstücks
Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem „Gartenhaus“ bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt.

BFH v. 26.10.2021, IX R 5/21

Hinweis
Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Im Streitfall veräußerte der Kläger innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums Grundstücke, die in einem Kleingartengelände liegen und auf denen sich ein von ihm selbst bewohntes „Gartenhaus“ befindet. Die Errichtung des „Gartenhauses“ war dem früheren Eigentümer nur unter der Auflage genehmigt worden, dass das Gebäude nicht zum dauernden Aufenthalt von Personen genutzt werden darf. Das Finanzamt unterwarf den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn - ebenso wie das Finanzgericht - der Einkommensteuer.

Der BFH hat entschieden, dass eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem „Gartenhaus“ bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt.

Das gesetzliche Merkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt u. a. voraus, dass eine Immobilie tatsächlich zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist, dies betrifft vor allem die Beschaffenheit des Gebäudes. Eine baurechtswidrige Nutzung kann ebenfalls begünstigt sein. Dabei hat sich der BFH maßgebend von Sinn und Zweck der Privilegierung leiten lassen: Die Norm dient der Verhinderung der ungerechtfertigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Wohnsitzaufgabe, z. B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels. Dieser Gesetzeszweck ist bei baurechtswidriger Nutzung von Wohneigentum ebenso erfüllt wie bei einer mit dem Baurecht übereinstimmenden Nutzung.


Sog. Cum/Ex-Geschäfte: Übergang des wirtschaftlichen Eigentums beim Handel mit Aktien
Einen Anspruch auf Erstattung von Abzugsteuer (Kapitalertragsteuer/Solidaritätszuschlag) gemäß § 50d Abs. 1 S. 2 EStG hat ein US-amerikanischer Pensionsfonds i. S. des Art. 10 Abs. 3 Bst. b DBA-USA 1998/2008 nur dann, wenn er nach Maßgabe nationalen Steuerrechts Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Abzugsteuer „einbehalten und abgeführt“ worden ist. Gläubiger der Kapitalerträge ist die Person, die die Einkünfte aus Kapitalvermögen (als Dividenden i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG oder als Dividendenkompensationszahlungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG) erzielt (§ 20 Abs. 5 EStG). Dies ist die Person, der die Anteile an dem Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG) oder des Zuflusses der Dividendenkompensationszahlung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG) nach § 39 Abs. 1 AO zivilrechtlich oder - wenn ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über die Anteile hat - nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO wirtschaftlich zuzurechnen sind.

Wirtschaftliches Eigentum über die Anteile wird bei sog. Cum/Ex-Geschäften nicht erworben, wenn der Erwerb der Aktien Teil eines modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzepts ist, nach welchem der zivilrechtliche Erwerber die wesentlichen mit einem Aktienerwerb verbundenen Rechte weder ausüben kann noch nach der gestalterischen Konzeption soll, er vielmehr nur die Funktion hat, seine (aufgrund Abkommensrechts gestaltungsermöglichende) Rechtsform in den Geschäftsablauf einzubringen und angesichts der umfassenden Kontrolle jedes Geschäftsdetails durch Dritte lediglich als „passiver Teilnehmer“ („Transaktionsvehikel“) im Geschäftsablauf anzusehen ist. Ob sich die maßgebenden Transaktionen „außerbörslich“ (Erwerb von sog. Single Stock Futures mit nachfolgender Abwicklung über die Eurex Clearing AG) oder „börslich“ (im Rahmen sog. Schlussauktionen) abgespielt haben, ist insoweit ohne Bedeutung.

BFH v. 02.02.2022, I R 22/20

Hinweis
Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 u. 2 erzielt der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 S. 1 EStG). Anteilseigner ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 5 S. 2 EStG).

Der im Streitfall klagende und nach dem zwischenstaatlichen Abkommensrecht von einer inländischen Abzugsteuer befreite Pensionsfonds begehrte die Steuererstattung, da er kurz vor dem jeweiligen Dividendenstichtag Aktien deutscher Aktiengesellschaften als sog. Futures „cum (mit) Dividende“ erworben hatte, die ihm nach den üblichen Börsenusancen zeitverzögert erst nach dem Stichtag „ex (ohne) Dividende“ zivilrechtlich übereignet wurden (Gutschrift auf seinem inländischen Wertpapierdepot); zugleich erhielt er eine sog. Dividendenkompensationszahlung (in einem „Nettobetrag“ [rechnerisch der Dividendenanspruch nach Abzug der bei einer Ausschüttung anfallenden Abzugsteuer]). Der im zeitlichen Zusammenhang mit den Geschäften errichtete und finanziell gering ausgestattete Pensionsfonds (eine Rechtsperson mit einem Begünstigten) war dabei Teil eines mit mehreren Parteien eng aufeinander abgestimmten Kaufs- und kurzfristigen Verkaufsgeschehens mit Aktien im finanziellen Umfang von mehreren Milliarden Euro, wobei das Risiko der Realisierung der Erstattungsforderung wiederum vollen Umfangs auf einen von einer Bank aufgelegten luxemburgischen Anlegerfonds gegen das Versprechen einer Kurzfrist-Rendite von über 15 % übertragen worden war. Der Kläger machte geltend, der Erstattungsanspruch beziehe sich auf den Abzugsteuereinbehalt bei der Ausschüttung (ein das zivilrechtliche Eigentum des Anteilsinhabers verdrängendes wirtschaftliches Eigentum vor dem Dividendenstichtag sei durch das Erwerbsgeschäft begründet worden) bzw. folge unmittelbar aus dem Bezug einer „Nettodividende“. Das Finanzgericht wies die Klage ab; ob es sich beim Aktien-Erwerb um eine „Leerverkaufssituation“ handelte (Erwerbsgeschäft mit einem „Noch-Nicht-Inhaber“ als Verkäufer) oder ein Erwerb vom Aktieninhaber vorlag, konnte nach der entscheidungstragenden Begründung des Urteils unaufgeklärt bleiben.

Der BFH erteilte einem „Geschäftskonzept“ eine Absage, das Unsicherheiten bei der eindeutigen wirtschaftlichen Zuordnung von Aktien in der Weise „nutzen“ wollte, dass eine einmal einbehaltene Abzugsteuer vom Fiskus möglicherweise zweifach oder sogar mehrfach angerechnet oder ausgezahlt wird. Nach dem Urteil des BFH hat ein US-amerikanischer Pensionsfonds einen Anspruch auf Erstattung von Abzugsteuer (Kapitalertragsteuer/Soli­daritätszuschlag) gemäß § 50d Abs. 1 S. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur dann, wenn er nach Maßgabe nationalen Steuerrechts Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Abzugsteuer „einbehalten und abgeführt“ worden ist.

Der BFH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer einer Aktie könne nur einnehmen, wer den Aktieninhaber zugleich von den wesentlichen Rechten (Dividendenbezug, Stimmrecht) ausschließe („Alternativität“). Diese Position gegenüber dem Aktieninhaber könne allein durch eine rechtlich gesicherte Erwerbsaussicht und einen (wirtschaftlichen) Dividendenbezug nicht vermittelt werden (auch wenn frühere BFH-Rechtsprechung in diesem Sinne verstanden wurde), ebenfalls nicht durch Teilnahme an einer „Gesamtvertragskonzeption“, die geradezu ausschließe, dass diese Person die wesentlichen Rechte der Aktieninhaberschaft einnehmen und das finanzielle Risiko der Transaktionen tragen solle. Das Urteil des BFH berücksichtigt spätere gesetzliche Änderungen nicht, da diese im Streitjahr noch nicht galten. Der Bundesgerichtshof hat für ähnlich gelagerte Strukturen (dort auf der Grundlage einer Feststellung, dass eine sog. Leerverkaufssituation vorlag) auf eine strafbare Steuerhinterziehung erkannt.
 

1.3.Internationales Steuerrecht

Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung
Im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung wird das aufnehmende inländische Unternehmen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber i. S. von § 38 Abs. 1 S. 2 EStG, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt, der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist.

Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ersetzt in den Fällen des § 38 Abs. 1 S. 2 EStG die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Unbeschadet dessen muss die entsandte Person nach allgemeinen Grundsätzen als Arbeitnehmer des wirtschaftlichen Arbeitgebers anzusehen sein.

BFH v. 04.11.2021, VI R 22/19

Hinweis
In den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung ist das nach Satz 1 Nummer 1 in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen inländischer Arbeitgeber, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen; Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt (§ 38 Abs. 1 S. 2 EStG). Nach dem BMF-Schreiben v. 03.05.2018, BStBl. 2018 I S. 643, Tz. 4.3.3.2. spricht bei einer Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen von nicht mehr als drei Monaten (auch jahresübergreifend für sachlich zusammenhängende Tätigkeiten) eine widerlegbare Anscheinsvermutung dafür, dass das aufnehmende Unternehmen mangels Einbindung des Arbeitnehmers nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist.

Die in der Schweiz ansässige A AG (AG) war die alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Die AG und die Klägerin schlossen im Jahr 2009 eine „Dienstleistungsvereinbarung“ (DV), wonach die AG der Klägerin den B als Geschäftsführer zur Verfügung stellte. B, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte, war gleichzeitig Verwaltungsrat der AG und CEO der Unternehmensgruppe. Die Klägerin hatte der AG dafür einen pauschalen monatlichen Betrag zu zahlen. Die Vergütung entsprach derjenigen, die auch an einen unabhängigen Dritten zu zahlen gewesen wäre. Das FA vertrat die Auffassung, die Zahlungen, die die Klägerin an die AG gemäß der DV für die Tätigkeit des B geleistet habe, seien dem deutschen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen.

Der BFH hat entschieden, dass im Fall einer konzerninternen Arbeitnehmerentsendung das aufnehmende inländische Unternehmen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber i. S. v. § 38 Abs. 1 S. 2 EStG wird, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt, der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist.

Im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung wird das aufnehmende inländische Unternehmen nicht allein schon dadurch zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, dass es dem entsendenden Unternehmen den Arbeitslohn erstattet, der auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit entfällt. Voraussetzung für die wirtschaftliche Arbeitgeberstellung i. S. v. § 38 Abs. 1 S. 2 EStG ist außerdem, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt und dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist. Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ersetzt in den Fällen des § 38 Abs. 1 S. 2 EStG die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Unbeschadet dessen muss die entsandte Person nach allgemeinen Grundsätzen als Arbeitnehmer des wirtschaftlichen Arbeitgebers anzusehen sein.
 

1.4.Sonstiges

Auslegung der Begriffe „Überführung“ bzw. „Übertragung“ in § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG bei Formwechsel
Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe „Überführung“ bzw. „Übertragung“ in § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG sind die Wertungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 einzubeziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG 2006 vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i. S. des § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 Hs. 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) „überführt“ oder „übertragen“ worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.

BFH v. 27.10.2021, I R 39/19

Hinweis
Gem. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG ist die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ausgeschlossen, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stille Reserven entfallen.

Die Klägerin ist eine zunächst in der Rechtsform einer KG gegründete Objektgesellschaft. Gesellschaftszweck war die Vermietung von Grundstücken. Die Klägerin wurde in eine GmbH umgewandelt. Bereits vor dem Umwandlungsbeschluss hatte die Klägerin das Objekt an einen fremden Dritten veräußert.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat das Prüfungsfinanzamt demgegenüber die Auffassung, die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 u. 3 GewStG stehe der Klägerin nicht zu. Dies folge aus § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG, wonach die Sätze 2 und 3 der Vorschrift nicht gelten, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus einem Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stille Reserven entfallen. Das Grundstück in X sei im Rahmen der Umwandlung in das Betriebsvermögen der Klägerin überführt worden. Dies ergebe sich aus dem gem. § 25 UmwStG.

Der BFH hat entschieden, dass bei einem Formwechsel für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs „überführt“ oder „übertragen“ worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.

Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe „Überführung“ bzw. „Übertragung“ in § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 GewStG sind die Wertungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG einzubeziehen. Nach § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG ist in den Fällen, in denen die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist, der Zeitraum seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen. Bei ertragsteuerrechtlichen Vorschriften, die eine bestimmte Besitzdauer voraussetzen und daher an einen Zeitraum anknüpfen, zählt danach für durch Sacheinlage (§§ 20 Abs. 1, 25 S. 1 UmwStG) übernommene Wirtschaftsgüter die Zugehörigkeit des Sacheinlagegegenstands ab dem (rückbezogenen) Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der Übernehmerin zuzüglich der Besitzdauer im Betriebsvermögen beim Einbringenden. Diese sog. Besitzzeitanrechnung ist grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer zu beachten. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 5 Nr. 2 Hs. 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) „überführt“ oder „übertragen“ worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.
 

1.5.Körperschaftsteuer

Veräußerung von Anteilen aus einer Wandelanleihe
Hat ein Finanzunternehmen eine Wandelanleihe in der Absicht erworben, einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg zu erzielen, und veräußert es die im Zuge der Wandlung erhaltenen Aktien, erfüllt dies den Tatbestand des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG.

BFH v. 13.10.2021, I R 37/18

Hinweis
Finanzunternehmen i. S. v. § 8b Abs. 7 S. 2 KStG i. V. m. § 1 Abs. 3 S. KWG a.F. sind u. a. solche Unternehmen, die weder Kreditinstitute noch Finanzdienstleistungsinstitute sind und deren Haupttätigkeit u. a. darin besteht, Beteiligungen zu erwerben und zu halten (s. insoweit § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KWG a.F.) oder mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung zu handeln (s. insoweit § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 KWG a.F.).
Im Streitjahr wickelte die Klägerin (eine GbR, zu Beginn des Streitjahres waren B, C und D mit jeweils 2 % und E mit 94 % an der Klägerin beteiligt) hauptsächlich wie bereits in den Vorjahren über depotführende Banken diverse Wertpapiergeschäfte sowie Devisengeschäfte ab und erwarb Goldbarren. Aus einer Beteiligung an der A KG erzielte sie des Weiteren Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass eine Übertragung eines Anteils an der Klägerin durch E auf die Stiftung einen Gesellschafterwechsel bewirkt habe, weshalb der vortragsfähige Verlust zu reduzieren sei.

Die Ausübung eines Wandlungsrechts sei als tauschähnlicher Vorgang und die erhaltenen Aktienpakete seien als Betriebseinnahme zu werten. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i. S. des § 8b Abs. 2 KStG sei, soweit die Stiftung an der Klägerin beteiligt sei, dem erzielten Veräußerungspreis der Wert der Aktienpakete als Anschaffungskosten gegenüberzustellen.

Der BFH hat entschieden, dass der Tatbestand des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG erfüllt wird, wenn ein Finanzunternehmen eine Wandelanleihe in der Absicht erworben hat, einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg zu erzielen und die im Zuge der Wandlung erhaltenen Aktien veräußert.

Weiterhin ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass § 8b Abs. 1 - 6 KStG gem. § 8b Abs. 7 S. 2 KStG nicht auf Anteile anzuwenden sind, die von Finanzunternehmen unter den dort genannten Voraussetzungen erworben werden. § 3 Nr. 40 S. 3 Hs. 2 EStG enthält eine identische Regelung für die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG und der Parallelregelung im EStG erfüllt wurden, hat das FG rechtsfehlerfrei bejaht.

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