Rechtsprechung KW 33 - 2021

 

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Keine Steuerbefreiung für beamtenrechtliches pauschales Sterbegeld
Das nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gezahlte pauschale, nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessene Sterbegeld ist nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.

BFH v. 19.04.2021, VI R 8/19

Hinweis
Nach § 3 Nr. 11 EStG sind u. a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden, steuerfrei.

Die Klägerin war zusammen mit ihren beiden Geschwistern Erbin ihrer verstorbenen Mutter (M), die als Ruhestandsbeamtin vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Pension bezog. Den Erben stand nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ein Sterbegeld in Höhe der doppelten Bruttobezüge des Sterbemonats der M zu. Auf Antrag der Klägerin zahlte das Landesamt NRW das Sterbegeld nach Abzug von einbehaltener Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag auf das von der Klägerin verwaltete Konto der M. Das Finanzamt sah das Sterbegeld als steuerpflichtige Einnahmen der Klägerin an und erhöhte deren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den Bruttobetrag des Sterbegeldes. Zugleich gewährte es einen Freibetrag für Versorgungsbezüge sowie den Werbungskosten-Pauschbetrag und rechnete die einbehaltenen Abzugsbeträge an. Das von der Klägerin angerufene Finanzgericht war dagegen der Ansicht, die Zahlung des Sterbegeldes sei nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.

Der BFH hat mit Urteil v. 19.04.2021, VI R 8/19 entschieden, dass die Zahlung eines beamtenrechtlichen Sterbegeldes, das pauschal nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessen wird, nicht steuerfrei ist.

Bei dem Sterbegeld handele es sich um steuerbare, der Klägerin als Miterbin der M zuzurechnende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Diese seien auch auf Grund der Besonderheiten der einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen der Klägerin - und nicht der Erbengemeinschaft - zugeflossen und nur von dieser zu versteuern. Das Sterbegeld sei nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei. Diese Steuerbefreiung komme nur für Bezüge in Betracht, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt worden seien. Dies sei bei den vorliegenden Bezügen nicht der Fall. Das Sterbegeld habe nur den Zweck, den Hinterbliebenen die Bestreitung der mit dem Tod des Beamten zusammenhängenden besonderen Aufwendungen zu erleichtern, d. h. z. B. die Kosten für die letzte Krankheit und die Bestattung des Beamten zu tragen. Es werde jedoch unabhängig davon ausgezahlt, ob anlässlich des Todesfalls tatsächlich Kosten entstanden seien. Das pauschale Sterbegeld orientiere sich daher nicht an einer typisierend vermuteten Hilfsbedürftigkeit des Empfängers.


Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Gold ETF-Fondsanteilen
Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einem Fonds nach schweizerischem Recht, der sein Kapital allein in physischem Gold anlegt, unterliegt gemäß § 19 Abs. 3 S. 1 InvStG 2004 der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG.

Die Veräußerung des Fondsanteils begründet keinen Anspruch auf die Lieferung von physischem Gold (Abgrenzung zu BFH-Urteilen vom 12.05.2015 - VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl. II 2015, 834 „Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen“, und VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl. II 2015, 835; vom 16.06.2020 - VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl. II 2021, 9 „Gold Bullion Securities“).

BFH v. 12.04.2021, VIII R 15/18

Hinweis
Nach § 19 Abs. 3 InvStG 2004 sind Gewinne aus der Rückgabe oder Veräußerung von Anteilen an einer Kapital-Investitionsgesellschaft, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, als Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zu besteuern.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2009 Anteile an einem in der Schweiz von der X Bank aufgelegten Gold Exchange Traded Funds (Gold ETF), die sie im Streitjahr 2015 mit einem Gewinn i. H. von 26.519 € verkaufte. Bei dem Gold ETF handelte es sich nach dem Verkaufsprospekt der Bank um einen Anlagefonds schweizerischen Rechts. Anlageziel des Fonds war es, die Wertentwicklung des Edelmetalls Gold abzubilden. Aus diesem Grund investierte der Fonds ausschließlich in physisches Gold. Anlagen in andere Werte waren nicht vorgesehen. Die Anteile waren jederzeit an der Börse frei veräußerbar. Nach dem Verkaufsprospekt hatten die Anleger im Fall der Kündigung ihrer Fondsbeteiligung das Recht, statt der Auszahlung des Beteiligungswerts in bar eine Auszahlung in Gold als Sachauszahlung zu verlangen.
Das FA legte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den von der Klägerin erzielten Gewinn aus dem Verkauf der Gold ETF i. H. von 26.519 € erklärungsgemäß als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG mit dem für Kapitaleinkünfte geltenden Steuertarif (§ 32d Abs. 1 EStG) der Besteuerung zugrunde. Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid machte die Klägerin geltend, dass der Verkauf der Fondsanteile wie der Verkauf von physischem Gold zu behandeln und der Gewinn wegen des Ablaufs der einjährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerfrei sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Der BFH hat entschieden, dass der Gewinn aus der Veräußerung der ETF-Fondsanteile der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG unterliegt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zur Besteuerung der Veräußerung von Inhaberschuldverschreibungen, die auf die Lieferung von physischem Gold gerichtet sind, nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der Erwerb und die Veräußerung der Fondsanteile an dem Gold ETF sind nicht wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Golds zu beurteilen, da die Klägerin keinen schuldrechtlichen Anspruch auf die Lieferung des von dem Fonds angeschafften Golds hatte. Dass die in dem Fonds angelegten Gelder ausschließlich in physisches Gold investiert wurden, ist insoweit unerheblich.


Typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen eines vom Arbeitgeber festgelegten Sammelpunkts
Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.

Ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmers. Ein nach Weisung „typischerweise fahrtägliches“ Aufsuchen genügt aber nicht.

Für die Frage, ob der Arbeitnehmer denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des Arbeitgebers „dauerhaft“ aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 S. 3 EStG entsprechend heranzuziehen.

BFH v. 19.04.2021, VI R 6/19

Hinweis
Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 u. 2 EStG). Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG)

Der Kläger ist bei einer KG als Baumaschinenführer angestellt. Zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) gelangte er im Streitjahr entsprechend einer betriebsinternen Anweisung der KG jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen der Kläger (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten in der Regel die gesamte Woche. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit u. a. Fahrtkosten in Höhe der tatsächlich gefahren km x 0,30 €. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen nur mit der Entfernungspauschale.

Der BFH hat entschieden, dass die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale voraussetzt, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.

Nicht ausreichend ist es entgegen der Ansicht des BMF für die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale, wenn der Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzorten weiß, dass er an jedem Arbeitstag, an dem er Fahrten von seiner Wohnung aus durchführen wird, immer den vom Arbeitgeber festgelegten Ort vor Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufzusuchen hat. Einem solchen Verständnis der Regelung steht der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG entgegen. Das Gesetz fordert ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen, so dass ein nur „typischerweise fahrtägliches“ Aufsuchen gerade nicht ausreicht. Ein dauerhaftes Aufsuchen ist entsprechend der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 S. 3 EStG zu bejahen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.

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