Rechtsprechung KW 40 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Sonstige Leistungen eines Berufsreiters, der einen Turnier- und Ausbildungsstall betreibt: Steuerbarkeit, Entgelt, Mindestbemessungsgrundlage und Vorsteuerabzug; vorschriftsmäßige Besetzung des FG nicht von Amts wegen zu prüfen
Preisgelder, die ein Reiter im Falle einer erfolgreichen Teilnahme an einem Turnier (vom Veranstalter oder vom Eigentümer des Pferdes) erhält, sind kein Entgelt für eine steuerbare Leistung des Reiters.

Die Gewährung unentgeltlicher sonstiger Leistungen aus unternehmerischen Gründen ist nicht steuerbar.

Aufwendungen für die Vorbereitung und Teilnahme von Pferden an Turnieren stehen bei einem Unternehmer, der einen Turnier- und Ausbildungsstall betreibt, in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit, wenn die Pferde tatsächlich für den Verkauf bestimmt sind oder die Teilnahme an Turnieren objektiv ein Mittel zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit seines Unternehmens ist.

Die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG ist nur auf solche entgeltlichen Leistungen anzuwenden, die auch bei unentgeltlicher Erbringung steuerbar wären.

Die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts erster Instanz ist vom Revisionsgericht nicht von Amts wegen zu prüfen.

BFH v. 10.06.2020, XI R 25/18

Hinweis:
Entgelt ist gem. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

Der Kläger betrieb im Streitjahr einen Turnier- und Ausbildungsstall für Pferde. Dabei nahm er mit bei ihm untergebrachten Pferden, die überwiegend nicht in seinem Eigentum standen, aber auch mit Pferden, deren Miteigentümer der Kläger ist, im In- und Ausland an Reitturnieren teil und erhielt im Falle der erfolgreichen Turnierteilnahme Preisgelder. In seiner Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr hatte der Kläger die ihm verbliebenen Anteile an den Preisgeldern, soweit sie auf ausländische Turniere entfielen, als Entgelt für im Inland nicht steuerbare Umsätze deklariert. Die Preisgelder für inländische Turniere sah er als Entgelte für nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG ermäßigt zu besteuernde Umsätze an. Das FA folgte dieser Beurteilung aufgrund einer Außenprüfung nicht. Es nahm an, die Preisgelder seien Entgelte für im Inland steuerbare und zum Regelsteuersatz steuerpflichtige Umsätze an die jeweiligen Eigentümer der Pferde.

Der BFH hat entschieden, dass Preisgelder, die ein Reiter im Falle einer erfolgreichen Teilnahme an einem Turnier erhält, kein Entgelt für einen steuerberate Leistung des Reiters sind.

Aufwendungen für die Vorbereitung und Teilnahme von Pferden an Turnieren stehen bei einem Unternehmer, der einen Turnier- und Ausbildungsstall betreibt, in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit, wenn die Pferde tatsächlich für den Verkauf bestimmt sind oder die Teilnahme an Turnieren objektiv ein Mittel zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit seines Unternehmens ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH setzt auch i. S. d. § 10 UStG bzw. Art. 73 MwStSystRL eine „Leistung gegen Entgelt“ das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus.

Zur Begründung, warum ein unmittelbarer Zusammenhang zu verneinen ist, hat der EuGH in seinem Urteil v. 10.11.2016, C-432/15 „Baštová“ erstens maßgeblich darauf abgestellt, dass das Preisgeld nicht für die Überlassung des Pferdes durch seinen Eigentümer an den Rennveranstalter gezahlt werde, sondern für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses (erfolgreiche Platzierung). Auch wenn sich der Rennveranstalter zur Zahlung des Preisgelds verpflichtet haben sollte, hänge der Erhalt von der Erzielung einer besonderen Leistung ab und unterliege gewissen Unwägbarkeiten, was einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Überlassung des Pferdes und dem Erhalt des Preisgelds ausschließe. Der BFH ist dieser Rechtsprechung des EuGH gefolgt.
 

1.2.Einkommensteuer

Erste Tätigkeitsstätte bei einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme
Die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme ist für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 S. 8 EStG unerheblich.

BFH v. 14.05.2020, VI R 24/18

Hinweis:
Nach § 9 Abs. 4 S. 8 EStG gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2014 als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

Der Kläger, der nicht in einem Arbeitsverhältnis stand, besuchte einen viermonatigen Schweißtechnikerlehrgang in Vollzeit. In Zusammenhang mit dem Lehrgang machte er u. a. Kosten für eine Unterkunft am Lehrgangsort sowie Verpflegungsmehraufwendungen für drei Monate nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten geltend. Er verneinte die Gleichstellung mit einem Arbeitnehmer angesichts der Kürze der Lehrgangsdauer. Dieser Auffassung folgte das FA nicht.

Der BFH hat entschieden, dass eine Bildungseinrichtung auch dann als erste Tätigkeitsstätte gilt, wenn die Bildungseinrichtung außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zweck eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.

Die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme sei für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte i. S. des neugefassten § 9 Abs. 4 S. 8 EStG unerheblich. Das Gesetz verlange keine zeitliche Mindestdauer der Bildungsmaßnahme. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Steuerpflichtige die Bildungseinrichtung anlässlich der regelmäßig ohnehin zeitlich befristeten Bildungsmaßnahme nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) aufsuche. Der Auszubildende/Studierende werde mithin einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer gleichgestellt.
 

1.3.Bilanzsteuerrecht

Zulässigkeit und Umfang einer Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 S. 2 EStG); Aktivierung eines Anspruchs auf Investitionszulage
§ 4 Abs. 2 S. 2 EStG (i.d.F. seit StBereinG 1999) ist formell verfassungsgemäß.

„Gewinn“ i. S. d. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG ist der Bilanzgewinn i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG und nicht der steuerliche Gewinn. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG erlaubt daher eine Bilanzänderung lediglich in Höhe der sich aus der Steuerbilanz infolge der Bilanzänderung des § 4 Abs. 2 S. 1 EStG ergebenden Gewinnänderung und nicht in Höhe der sich aus einer Bilanzänderung ergebenden steuerlichen Gewinnänderung, die auf einer Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz (hier: § 10 Satz 1 InvZulG a. F.) beruht.

Ein Anspruch auf Investitionszulage ist auch vor einer förmlichen Antragstellung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung/Herstellung der betreffenden Wirtschaftsgüter auszuweisen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen mit der Anschaffung/Herstellung erfüllt sind und die (spätere) Antragstellung bereits ernstlich beabsichtigt ist; der Ertrag ist nicht über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf den gesetzlichen Verbleibenszeitraum periodisch abzugrenzen.

BFH v. 27.05.2020, XI R 8/18

Hinweis:
Der Steuerpflichtige darf nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht. Darüber hinaus ist, wie aus § 4 Abs. 2 S. 2 EStG, eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG auf den Gewinn reicht.

Nach einer Außenprüfung erkannte das Finanzamt bei der Klägerin eine vorgenommene Teilwertabschreibung in der ursprünglich geltend gemachten Höhe nicht an. Die Klägerin beantragte daraufhin eine Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG, um die verbleibenden Gewinnerhöhungen zu kompensieren. Dazu sollten bisher nicht berücksichtigte Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Rahmen für eine Bilanzänderung überschritten sei, da die in den Prüfungsfeststellungen berücksichtigte Zuführung zu Rückstellungen wegen drohender Rückforderung von Investitionszulagen ungeachtet der außerbilanziellen Zurechnung den Steuerbilanzgewinn für die Bestimmung des Änderungsrahmens zu berücksichtigen sei.

Der BFH hat entschieden, dass steuerliche Gewinnänderungen, die auf einer Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz beruhen bei der Prüfung des Änderungsrahmens gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG außer Acht bleiben.

Im Streitfall wird der Bilanzänderungsrahmen nicht dadurch erweitert, dass die gewinnmindernde Erhöhung der Rückstellungen für Investitionszulagenrückforderung außerbilanziell gewinnerhöhend zu korrigieren ist, da die Investitionszulage nach § 10 S. 1 InvZulG a. F. nicht zu den Einkünften i. S. d. EStG gehört. Diese außerbilanzielle Korrektur betrifft nicht die Ebene der steuerbilanziellen Gewinnermittlung. Gewinnminderungen, die im Wege der Bilanzberichtigung innerhalb der Steuerbilanz erfolgen (hier: Zuführung zu den Rückstellungen für Investitionszulagenrückforderung), aber aufgrund fehlender Steuerbarkeit (hier: § 10 S. 1 InvZulG a. F.) außerhalb der Steuerbilanz wieder dem Gewinn hinzuzurechnen sind, können nicht den Änderungsrahmen des § 4 Abs. 2 S. 2 EStG bestimmen.

Zur Änderung eines im Rahmen einer steuerrechtlichen Überleitungsrechnung ausgeübten Wahlrechts
Die geänderte Willensbetätigung zu einer wahlrechtsbezogenen Rechtsfolge (hier: Minderung von Anschaffungskosten gemäß § 7g Abs. 2 S. 2 EStG a. F.) ist nur nach Maßgabe der Regelungen zur Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 S. 2 EStG) steuerlich zugelassen, wenn sie (wie ebenfalls die ursprüngliche Wahl) in einer dem Finanzamt eingereichten Überleitungsrechnung (§ 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV) vor der Veranlagung erfolgt.

BFH v. 27.05.2020, XI R 12/18

Hinweis:
Der Steuerpflichtige darf nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim FA ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.

Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG auf den Gewinn reicht (§ 4 Abs. 2 S. 2 EStG).

Für das Jahr 2011 berücksichtigte die Klägerin, eine GmbH, einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. i. H. v. 200.000 € für die beabsichtigte Anschaffung von Windenergieanlagen. Die Investition erfolgte in 2012 (Streitjahr). Es wurde 2013 im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss eine Überleitungsrechnung eingereicht, welche 2014 korrigiert um den Abzug gem. § 7g Abs. 2 EStG eingereicht wurde. Nach Ansicht des FA handelt es sich bei der begehrten Kürzung der Anschaffungskosten in der Überleitungsrechnung vom 2014 um eine unzulässige Bilanzänderung i. S. d. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG.

Der BFH hat entschieden, dass geänderte Ausübung des Wahlrechts zur Minderung der Anschaffungskosten gem. § 7g Abs. 2 S. 2 EStG nur nach Maßgabe der Regelungen über die Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG möglich ist.

Der von der Klägerin im Jahr 2011 einkommensmindernd in Anspruch genommene IAB i. H. v. 200.000 € wurde im Streitjahr nach Anschaffung der Anlagen außerbilanziell gewinnerhöhend aufgelöst. Dabei hat die Klägerin das Wahlrecht nach § 7g Abs. 2 S. 2 EStG a. F. in ihrer steuerrechtlichen Überleitungsrechnung dahingehend ausgeübt, dass sie von einer Minderung der Anschaffungskosten der Windenergieanlagen abgesehen hatte. Daran ist die Klägerin – wie das FG zu Recht erkannt hat – gebunden. Eine Änderung der steuerrechtlichen Wahlrechtsausübung nach § 7g Abs. 2 S. 2 Hs. 1 EStG a. F. unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 EStG kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer eine Änderung rechtfertigenden vorherigen Bilanzberichtigung als Berichtigung eines fehlerhaften Bilanzansatzes i. S. d. § 4 Abs. 2 S. 1 EStG. Das FG hat außerdem zutreffend dahin erkannt, dass mögliche Irrtümer bei Ausübung eines steuerrechtlichen Wahlrechts – wie hier nach § 7g Abs. 2 S. 2 Hs. 1 EStG a. F. – keine Änderungsmöglichkeit nach § 129 AO auslösen.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Körperschaftsteuer

Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG
Das BMF hat ein Schreiben zur Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf Erträge aus Währungssicherungsgeschäften veröffentlicht.

BMF v. 05.10.2020

Mit Urteil vom 10.04.2019, I R 20/16, hat der BFH entschieden, dass Gewinne aus Währungssicherungsgeschäften, die ausschließlich zum Ausschluss bzw. zur Minderung des Währungskursrisikos einer konkret geplanten, in Fremdwährung abzuwickelnden Anteilsveräußerung abgeschlossen worden sind, als Bestandteil des Veräußerungspreises im Rahmen der Ermittlung des nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG steuer- freien Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen sind.

In Konstellationen eines „antizipativen“ Sicherungsgeschäfts ist nach dieser Rechtsprechung der erforderliche Veranlassungszusammenhang allerdings nur dann gegeben, wenn das Sicherungsgeschäft aus Sicht des späteren Veräußerers ausschließlich auf Minimierung des Währungskursrisikos in Bezug auf die konkret erwarteten Veräußerungserlöse ausgerichtet ist („Micro Hedges“). Unspezifische globale Absicherungen für Währungskursrisiken einer Vielzahl von Grundgeschäften („Macro“- oder „Portfolio Hedges“) sind nicht zu berücksichtigen.
 

2.2.Grunderwerbsteuer

Anwendung des § 6a GrEStG im Hinblick auf aktuelle BFH-Rechtsprechung
Das BMF hat die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG aufgrund der aktuellen BFH-Rechtsprechung veröffentlicht.

Ländererlass v. 22.09.2020

Hinweis:
  • An der Verwaltungsauffassung zu dem Begriff „Verbund“ wird nicht weiter festgehalten.
  • Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ist nicht grundstücksbezogen. § 6a GrEStG stellt nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab.
  • Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen sind somit unbeachtlich.
 
 

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