Rechtsprechung KW 25 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Nachträgliche Beseitigung der Rechtswidrigkeit eines wegen einer vGA geänderten Einkommensteuerbescheids des Anteilseigners
Wird ein Einkommensteuerbescheid des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft wegen einer vGA nach Ablauf der Festsetzungsfrist geändert, bevor wegen derselben vGA ein Körperschaftsteuerbescheid der Gesellschaft geändert oder erlassen wird, ist der geänderte Einkommensteuerbescheid rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids wird jedoch nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG nachträglich beseitigt, wenn ein erstmaliger oder geänderter Körperschaftsteuerbescheid wegen derselben vGA vor Ablauf der für diesen Bescheid geltenden Festsetzungsfrist erlassen wird.

BFH v. 10.12.2019, VIII R 2/17

Hinweis:
Soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich einer vGA gemäß § 32a Abs. 1 S. 1 KStG erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann ein Steuerbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, oder einer diesem nahe stehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert werden. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft.

Der Kläger war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Das FA erließ nach der Außenprüfung bei der GmbH am 17.5.2010 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, da dem Gesellschafter eine vGA zugeflossen sei. Gegenüber der GmbH erging am 28.05.2010 ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem u. a. eine vGA berücksichtigt wurde.

Der BFH hat entschieden, dass die Rechtswidrigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids nach § 32a Abs. 1 S. 1 KStG nachträglich beseitigt wird, wenn ein erstmaliger oder geänderter Körperschaftsteuerbescheid wegen derselben vGA vor Ablauf der für diesen Bescheid geltenden Festsetzungsfrist erlassen wird.

Der gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheid (2004) v. 17.05.2010 war rechtswidrig (aber nicht nichtig), da die Änderung erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist erfolgt ist. Bei Anwendung der regulären vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist ist der am 17.05.2010 geänderte Einkommensteuerbescheid erst nach deren Ablauf (Ende des Jahres 2009) ergangen. Im Streitfall ist die in § 32a Abs. 1 S. 1 KStG gesetzlich vorgegebene Reihenfolge der Änderung des Körperschaftsteuer- und des Einkommensteuerbescheids wegen der vGA nicht beachtet worden. Die Rechtswidrigkeit des zu früh geänderten Einkommensteuerbescheids ist jedoch durch die Nachholung des Körperschaftsteuerbescheids nachträglich beseitigt worden. Bei Grundlagen- und Folgebescheiden eröffnet § 155 Abs. 2 AO die Möglichkeit, einen Folgebescheid „vorläufig“ zu erlassen, wenn sich der Erlass des Grundlagenbescheides zwar verzögert, seine Erteilung aber beabsichtigt ist; zudem kann die Rechtswidrigkeit eines vorzeitig erlassenen Folgebescheids durch den Erlass des fehlenden Grundlagenbescheids nachträglich beseitigt werden.

Kein Übergang von Verlusten i. S. d. 2a Abs. 1 EStG auf Erben
Verbliebene negative Einkünfte des Erblassers aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz i. S. d. § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Bst. a, S. 5 EStG gehen nicht im Wege der Erbfolge auf den Erben über. 

BFH v. 23.10.2019, I R 23/17

Hinweis:
Nach § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Bst. a EStG dürfen negative Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem ausländischen Staat belegen sind, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art und aus demselben Staat ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Soweit die negativen Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, mindern sie nach § 2a Abs. 1 S. 3 EStG die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Nach § 2a Abs. 1 S. 5 EStG sind die am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibenden negativen Einkünfte gesondert festzustellen.

Der Kläger ist Gesamtrechtsnachfolger seines am 20.08.2012 verstorbenen Vaters (V). V erzielte bis zu seinem Tod Einkünfte aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz. In den Jahren 2002 bis 2005 tätigte er hohe Renovierungsaufwendungen, die er durch mehrere, bis zu seinem Tode nicht zurückgeführte Darlehen finanzierte. Zum 31.12.2011 betrugen die für V nach § 2a Abs. 1 S. 5 EStG gesondert festgestellten verbleibenden negativen Einkünfte 251.907 €. Der Kläger trat als Gesamtrechtsnachfolger in die Darlehen ein und erzielte in den Jahren 2012 bis 2014 (Streitjahre) eigene (positive) Einkünfte aus der Vermietung des Hauses, die das FA der Besteuerung zugrunde legte. Einen Ausgleich der verbliebenen negativen Einkünfte des V mit den positiven Einkünften des Klägers ließ das FA nicht zu. 

Der BFH hat entschieden, dass ein Übergang von Verlusten i. S. d. § 2a Abs. 1 EStG auf Erben nicht möglich ist.

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf deren Erben über. Über diese zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge hinaus tritt nach der Rechtsprechung des BFH der Erbe sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht im Hinblick auf Umstände, die die höchstpersönlichen Verhältnisse des Erblassers betreffen und unlösbar mit dessen Person verbunden sind. Welche steuerrechtlichen Positionen in diesem Sinne „vererblich“ sind, ist unter Heranziehung der materiell-rechtlichen Normen und Prinzipien des jeweils maßgeblichen Einzelsteuergesetzes zu beurteilen. Es besteht aus Sicht des Senats kein Zweifel daran, dass § 2a Abs. 1 EStG – so wie auch § 10d EStG – der durch den Verlust verursachten Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung trägt und ein vom Erblasser erzielter Verlust dessen eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nicht aber diejenige des oder der Erben mindert.
 

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