Rechtsprechung KW 19 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Pflegekosten für die Grabstätte Dritter als Nachlassverbindlichkeiten
Aufwendungen für die Pflege einer Wahlgrabstätte, in der nicht der Erblasser, sondern dritte Personen bestattet sind, sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn sich bereits der Erblasser für die Dauer des Nutzungsrechts zur Pflege verpflichtet hatte und diese Pflicht auf den Erben übergegangen ist.

Abzugsfähig sind die am Bestattungsort üblichen Grabpflegekosten für die Laufzeit des Grabnutzungsrechts. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des Erblassers.

BFH v. 22.01.2020, II R 41/07

Hinweis:
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB).

E hatte ein Nutzungsrecht an einer Wahlgrabstätte auf einem Friedhof in X für die Dauer von 20 Jahren erworben. Die verstorbene Mutter des E wurde in der Wahlgrabstätte beigesetzt. Das FA setzte mit Erbschaftsteuerbescheid Erbschaftsteuer gegen den Kläger fest. Als Nachlassgegenstände berücksichtigte er das durch den Kläger erklärte Grundvermögen und Bankguthaben. Als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug gebracht wurden der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 2 ErbStG und Kosten für die Pflege der Wahlgrabstätte i. H. v. 4.650 €. Mit seinem Einspruch begehrte der Kläger den Abzug von Kosten für die Pflege der Wahlgrabstätte i. H. v. 49.200 €.

Der BFH hat entschieden, dass Aufwendungen für eine Wahlgrabstätte, in der nicht der Erblasser, sondern dritte Personen bestattet sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, wenn sich bereits der Erblasser für die Dauer des Nutzungsrechts zur Pflege verpflichtet hatte und diese Pflicht auf die Erben übergegangen ist.

Die öffentlich-rechtliche Nutzungsbefugnis an einer Wahlgrabstätte kann auf den Erben übergehen und Teil des Nachlasses i. S. d. § 1922 BGB sein, wenn der Friedhofsträger in seiner Friedhofssatzung einen solchen Übergang vorsieht und der Erbe dem Übergang des Nutzungsrechts auf ihn zustimmt. Sieht die Friedhofssatzung eine Übertragung des Grabnutzungsrechts auf den Erben vor und stimmt dieser dem Übergang zu, erwirbt er das Nutzungsrecht nach den zivilrechtlichen Bestimmungen der Erbfolge i. S. d. §§ 1922 ff. BGB. Der Wert eines vererbten Grabnutzungsrechts, das auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist, ist nach § 13 BewG zu bestimmen. Der Kapitalwert von solchen Nutzungen ist mit dem aus Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen (§ 13 Abs. 1 S. 1 BewG). Der Jahreswert ergibt sich aus § 15 Abs. 2 BewG. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Pflege der Wahlgrabstätte um ein im Todeszeitpunkt als dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer noch nicht abgeschlossenes öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis und daher schwebendes Geschäft handle, das erbschaftsteuerrechtlich als ausgeglichen gelte und sich nicht auf die Bemessungsgrundlage auswirke.
 

1.2.Umsatzsteuer

Kleinunternehmer im Ausland
Die Kleinunternehmerregelung ist auf solche Unternehmer beschränkt, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind.

BFH v. 12.12.2019, V R 3/19

Hinweis:
Nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG wurde in den Streitjahren die für Umsätze i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 282 ff. MwStSystRL. Die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach diesem Abschnitt gelten dabei gem. Art. 282 MwStSystRL für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden. Dabei ordnet Art. 283 Abs. 1 Bst. c MwStSystRL an, dass dieser Abschnitt nicht für die Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen gilt, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.

Die Klägerin ist italienische Staatsangehörige und lebte in den Streitjahren 2013 und 2014 in Italien. An einer Wohnung im Inland, die ihrem Vater gehörte, stand ihr ein Nießbrauchsrecht und damit ein dingliches Nutzungsrecht nach §§ 1030 ff. BGB zu. Aufgrund des Nießbrauches war die Klägerin berechtigt, die Nutzungen der Sache zu ziehen (§ 1030 Abs. 1 BGB). Als Nießbraucherin war die Klägerin auch zum Besitz der Sache berechtigt (§ 1036 Abs. 1 BGB). Die Klägerin vermietete die Wohnung kurzfristig über Internetportale. Das ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund der Kurzfristigkeit der Vermietungen steuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Der hiergegen eingelegte Einspruch war nur insoweit erfolgreich, als das FA von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausging.

Der BFH hat entscheiden, dass die Kleinunternehmerregelung auf solche Unternehmen beschränkt ist, die im Mitgliedsstaat der Leistungserbringung ansässig sind.

Mit der Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Steuerpflichtigen, die in dem Mitgliedstaat, der eine solche Befreiung eingeführt hat, ansässig sind, kann verhindert werden, dass Steuerpflichtige, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ohne dort ansässig zu sein, der Besteuerung ihrer Tätigkeiten unter dem Deckmantel der dort geltenden Befreiungen ganz oder zum großen Teil entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden, was mit dem Erfordernis, durch die Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung, die eine solche Befreiungsregelung darstellt, nur Kleinunternehmen zu fördern, nicht zu vereinbaren wäre. Danach beschränkt sich die Kleinunternehmerregelung auf Unternehmer, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind. Ferner ist die Vermietung einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als niederlassungsbegründend anzusehen.
 

1.3.Einkommensteuer

Bewertung der Angemessenheit des Kaufpreises von Mietwohngrundstücken im Privatvermögen – Anschaffungskosten eines Gesellschafters für den Erwerb seiner Gesellschafterstellung – Ergänzungsrechnung
Eine GbR ist für die Einkommensteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der gesamthänderischen Verbundenheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.

Entsteht einem Gesellschafter einer vermögensverwaltend tätigen GbR Aufwand für den Erwerb seiner Gesellschafterstellung, sind diese Anschaffungskosten in einer separaten Ergänzungsrechnung zur Überschussrechnung der Gesellschaft zu erfassen und auf die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zu verteilen. Die steuerrechtliche Bewertung der in einer solchen Ergänzungsrechnung ausgewiesenen Rechnungsposten ist grundsätzlich nicht von der Handhabung in der Gesamthandsbilanz abhängig.

Übernimmt der Erwerber mit einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft auch das negative Kapitalkonto des Veräußerers, gehört der Betrag des Kapitalkontos nur insoweit zu den Anschaffungskosten des Erwerbers, als dieser durch die Übernahme tatsächlich wirtschaftlich belastet wird. Die bloße Übernahme einer in diesem Zusammenhang bestehenden unbeschränkten Haftung genügt hierfür nicht.

Ist für die Anschaffung (von Bruchteilen) eines zum Gesamthandsvermögen zählenden Grundstücks mit aufstehendem Gebäude ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA in Boden- und Gebäudewert aufzuteilen und ggf. auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Ein von den Vertragsbeteiligten vereinbarter und bezahlter Kaufpreis ist grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen, sofern er zum einen nicht nur zum Schein getroffen wurde sowie keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt und zum anderen das FG auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von den das Grundstück und das Gebäude betreffenden Einzelumständen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vertragliche Kaufpreishöhe oder -aufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint.

BFH v. 29.10.2019, IX R 38/17

Hinweis:
Nach § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. a AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind Einkünfte i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 7 EStG gesondert und einheitlich festzustellen, wenn daran mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind.

Die Kläger ist eine GbR, deren Zweck es ist eine in X belegene denkmalgeschützte Immobilie zu sanieren und zu bewirtschaften. 1997 erwarb die Klägerin das Immobilienprojekt in X. Der Gesamtkaufpreis wurde auf Grund und Boden, Gebäude und Umbau/Sanierung aufgeteilt. 2007 veräußerten die Gesellschafter 94% ihrer GbR-Gesellschaftsanteile an eine Familienstiftung, zu deren Destinatären sie selbst zählen. Die Beteiligten streiten u. a. um die vorzunehmenden Bewertungsmethode bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen für die Kaufpreisaufteilung sowie um die Prüfung der Angemessenheit der Kaufpreisfindung bei nahestehenden Personen.

Der BFH hat entschieden, dass ein von den Vertragsbeteiligten vereinbarter und bezahlter Kaufpreis grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen ist, sofern er zum einen nicht nur zum Schein getroffen wurde sowie keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt und zum anderen das FG auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von den das Grundstück und das Gebäude betreffenden Einzelumständen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vertragliche Kaufpreishöhe oder -aufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint.
Erwirbt ein Gesellschafter einen Anteil an einer vermögensverwaltenden GbR zu einem Preis über dem Buchwert der (aufgrund der Bruchteilsbetrachtung) anteilig erworbenen Wirtschaftsgüter, so sind seine Anschaffungskosten (entsprechend der Handhabung in einer Ergänzungsbilanz bei einer gewerblichen Personengesellschaft) in einer Ergänzungsrechnung zur Überschussrechnung zu erfassen. In der Ergänzungsrechnung sind seine gesamten Anschaffungskosten und nicht lediglich seine „Mehr“-Anschaffungskosten auszuweisen und nach der für ihn maßgeblichen Restnutzungsdauer abzuschreiben. Zudem sind Sondereinnahmen und Sonderwerbungskosten zu erfassen, soweit sie in der Überschussrechnung der Gesamthand nicht berücksichtigt werden können. Die Übernahme eines negativen Kapitalkontos bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (§ 21 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 15a EStG) führt nur dann zu Anschaffungskosten, als der Erwerber durch die Übernahme tatsächlich wirtschaftlich belastet wird. Die bloße Übernahme der akzessorischen Haftung analog § 128 HGB reicht nicht. Vielmehr muss der Erwerber finanziell durch das negative Kapitalkonto belastet, z. B. aufgrund seiner unbeschränkten Haftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen worden sein oder dieses auf Aufforderung der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter ausgeglichen haben.

Für die Bewertung eines vermieteten Mehrfamilienhauses (z.B. für Zwecke der Aufteilung der Aufwendungen auf Grund und Boden und Gebäude) nach der Immobilienwertermittlungs-verordnung (ImmowertV) hält der BFH an der Anwendung des Sachwertverfahrens fest. Denn bei derartigen Objekten ist regelmäßig davon auszugehen, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen steuerfreien Wertzuwachs ausschlaggebend ist. Eine Bewertung nach dem Ertragswertverfahren ist ausnahmsweise möglich, wenn dies zum zutreffenderen Wert führt und die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abbildet.
 
 

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