Rechtsprechung KW 8-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Ortsübliche Miete - EOP-Methode - Schätzung
Die ortsübliche Vergleichsmiete kann nicht auf der Grundlage statistischer Annahmen mit der sog. EOP-Methode bestimmt werden (Anschluss an BGH-Rechtsprechung).
Lassen sich vergleichbare Objekte nicht finden, muss das Gericht einen erfahrenen und mit der konkreten örtlichen Marktsituation vertrauten Sachverständigen, z. B. einen erfahrenen Makler, beurteilen lassen, welchen Miet- oder Pachtzins er für angemessen hält.
BFH v. 10.10.2018, IX R 30/17
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, soweit sie durch sie veranlasst sind.
Die Klägerin erwarb ein Grundstück mit historischem Altbestand, der als Gaststätte genutzt wird. Nach umfangreicher und kostspieliger Sanierung des Gebäudes verpachtete sie das Grundstück zum Betrieb einer Gaststätte u. a. an ihren Ehemann. Das FA nahm auf der Grundlage von Internet-Recherchen eine verbilligte Verpachtung an und kürzte die Werbungskosten entsprechend. Das FG beauftragte einen Sachverständigen mit der Ermittlung der ortsüblichen Marktpacht. Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, dass sich aufgrund der Besonderheiten des Objekts keine vergleichbaren Objekte finden lassen, so dass die Marktpacht nicht nach der sog. Vergleichsmethode bestimmt werden kann. Der Sachverständige ermittelte deshalb im Wesentlichen auf der Grundlage der EOP-Methode einen Vergleichswert, der zur Abweisung der Klage führte.
Der BFH hat entschieden, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nicht auf der Grundlage statistischer Annahmen mit der sog. EOP-Methode bestimmt werden kann.
Für die verbilligte Überlassung von Gewerbeobjekten gilt als allgemeiner Grundsatz ein Aufteilungsgebot. Die anteilig auf die unentgeltliche Überlassung entfallenden Aufwendungen können nicht abgezogen werden. Ob eine verbilligte Vermietung oder Verpachtung vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage. Das FG muss die vereinbarte Miete oder Pacht der ortsüblichen Marktmiete oder -pacht gegenüberstellen. Letztere muss es von Amts wegen ermitteln. Dazu kann das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Grundsätzlich gibt es keine rechtlichen Vorgaben, nach welcher Methode der Sachverständige vorgehen muss. Eine Grenze ist aber überschritten, wenn der Sachverständige aufgrund der von ihm gewählten Methode letztlich etwas Anderes ermittelt als die ortsübliche Marktmiete oder -pacht. Das ist der Fall, wenn er im Wesentlichen darauf abstellt, welche Miete oder Pacht auf der Grundlage statistischer Annahmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vom Mieter oder Pächter im Durchschnitt erwirtschaftet werden kann (sog. EOP-Methode). Mit solchen Erwägungen kann der Markt allenfalls global abgebildet werden. Das Gesetz verlangt aber, auf den örtlichen Markt zu blicken. Das FG muss nun die ortsübliche Marktpacht noch einmal feststellen. Dafür genügt eine Schätzung unter Mitwirkung eines ortskundigen, erfahrenen Sachverständigen oder Maklers. Die damit verbundene höhere Unsicherheit ist hinzunehmen. Kann sich das FG auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen nicht die für eine Schätzung erforderliche Überzeugung bilden, geht dies zu Lasten des FA, das die objektive Beweislast zu tragen hat.
 

1.2.Bilanzsteuerrecht

Keine Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG ohne Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionswirtschaftsguts
Eine Rücklage nach § 6b EStG darf vor der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts nicht auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden.
Ein Veräußerungsgewinn, der in eine Rücklage nach § 6b EStG eingestellt worden ist, kann in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen erst in dem Zeitpunkt überführt werden, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts des anderen Betriebs vorgenommen wird (Bestätigung von R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR).
BFH v. 22.11.2018, VI R 50/16
Hinweis:
Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG und bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 S. 1 EStG). Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, ist § 6b EStG mit Ausnahme des § 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG entsprechend anzuwenden (§ 6c Abs. 1 S. 1 EStG). Soweit nach § 6b Abs. 3 EStG eine Rücklage gebildet werden kann, ist ihre Bildung als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die Rücklage bestanden hat (§ 6c Abs. 1 S. 2 EStG). Soweit eine nach § 6b Abs. 3 S. 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen wird, ist gemäß § 6b Abs. 7 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen.
Im Wirtschaftsjahr 2005/2006 erzielten die Eltern des Klägers in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb einen Veräußerungsgewinn aus Grundstücksverkäufen. Sie bildeten in Höhe des Veräußerungsgewinns eine Rücklage gem. §§ 6b Abs. 3 S. 1, 6c Abs. 1 S. 1 EStG, die sie nach § 6c Abs. 1 S. 2 EStG in ihrer Gewinnermittlung auf den 30.06.2006 als Betriebsausgabe abzogen. Am 30.12.2006 übertrugen die Eltern des Klägers ihren landwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich auf den Kläger, der den Gewinn weiterhin gem. § 4 Abs. 3 EStG für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr ermittelte. Bereits im Jahr 2003 hatten die Eltern des Klägers eine KG gegründet, deren Gesellschaftszweck die Errichtung und Vermietung von Mehrfamilienhäusern war. In ihrer Sonderbilanz bei der KG auf den 31.12.2006 wiesen die Eltern des Klägers eine § 6b-Rücklage aus. Dem lag zugrunde, dass sie die in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb gebildete Rücklage in ihr Sonderbetriebsvermögen bei der KG übertragen hatten. Im Sonderbetriebsvermögen befand sich außerdem das Grundstück A in B, auf dem die Eltern des Klägers ein Sechsfamilienhaus errichten ließen. Das Sechsfamilienhaus wurde am 30.06.2007 fertiggestellt und in der Sonderbilanz der Eltern des Klägers bilanziert. Die Rücklage wurde in voller Höhe auf die Herstellungskosten des Sechsfamilienhauses übertragen. Im Rahmen einer bei der KG durchgeführten Außenprüfung erkannte die Prüferin die Rücklage nach § 6b EStG in der Sonderbilanz der Eltern des Klägers auf den 31.12.2006 nicht an. Die Übertragung der Rücklage von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen sei nicht möglich.
Der BFH hat entschieden, dass eine § 6b-Rücklage vor der Anschaffung/Herstellung eines Reinvestitionswirtschaftsguts nicht übertragen werden darf.
Die Rücklage nach § 6b EStG ist kein Wirtschaftsgut. Sie kann folglich nicht nach § 6 Abs. 5 S. 1 EStG übertragen werden. § 6b EStG erlaubt allerdings wegen der gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise der Steuervergünstigung nach §§ 6b, 6c EStG grundsätzlich den Abzug eines dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden Veräußerungsgewinns nicht nur betriebsbezogen, sondern auch von Anschaffungs- u. Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter eines Einzel- oder Sonderbetriebsvermögens des Steuerpflichtigen sowie in Höhe des auf den Steuerpflichtigen entfallenden ideellen Anteils von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einer (anderen) Personengesellschaft, an der der Steuerpflichtige (ebenfalls) als Mitunternehmer beteiligt ist. Eine isolierte Übertragung der Rücklage in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ohne (gleichzeitigen) Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines begünstigten Wirtschaftsguts lässt § 6b EStG nicht zu. Die Eltern des Klägers konnten die Rücklage bis zum 31.12.2006 auch (noch) nicht von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Sechsfamilienhauses abziehen. Dabei kann der Senat im Streitfall dahinstehen lassen, ob die Eltern das Sechsfamilienhaus angeschafft oder hergestellt haben. Denn die Anschaffung oder Herstellung des Sechsfamilienhauses erfolgte nicht schon im Jahr 2006, sondern erst im Jahr 2007. Die Rücklage war damit am 30.12.2006 weiterhin im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern des Klägers vorhanden. Zu diesem Datum übertrugen die Eltern den landwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich auf den Kläger. Dieser trat als Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten der Betriebsübergeber – seiner Eltern – ein. Die von den Eltern gebildete Rücklage war deshalb vom Kläger zu übernehmen und entsprechend fortzuführen.
 

1.3.Internationales Steuerrecht

Zur Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 KStG im Rahmen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Sind die Grundsätze der Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dann anzuwenden, wenn es zu einer Schmälerung des inländischen Steueraufkommens kommt?
Welche Folgerungen ergeben sich hieraus für Sachverhalte, in denen kein Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht (Nicht-DBA-Fälle) sowie dann, wenn ein solches Abkommen besteht (DBA-Fälle)? Welche weiteren Folgerungen sind in den vorstehend bezeichneten Varianten jeweils für Inbound- bzw. Outbound-Konstellationen und nach Art und Belegenheit der jeweils überlassenen Wirtschaftsgüter zu ziehen?
BFH v. 16.01.2019, I R 72/16
Hinweis:
Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH die sachliche und personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen voraus.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige rechtsfähige Stiftung mit Sitz im Inland und Alleingesellschafterin der A B.V., einer niederländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden. Sie verpachtet ein dort belegenes Grundstück an die A B.V., welches diese zur Ausübung ihrer operativen Geschäftstätigkeit als Betriebsgrundstück nutzt. Im Streitjahr (2012) schüttete die A B.V. eine Dividende an die Klägerin aus. Das Finanzamt – unter der Annahme einer Betriebsaufspaltung über die Grenze zwischen Klägerin als Besitzunternehmen und A B.V. als Betriebsunternehmen – stellte die Gewinnausschüttung bei der Klägerin von der Besteuerung frei, rechnete jedoch 5 % hiervon gem. § 8b Abs. 5 KStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Gewinn wieder hinzu.
Der BFH hat das BMF zum Beitritt des Verfahrens aufgefordert.
Für die Entscheidung über die Revision ist die Beantwortung der Frage relevant, ob die Klägerin durch die Verpachtung des Grundstücks an die A B.V. einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet hat und insoweit steuerpflichtig ist. Zwar liegen im Streitfall die personelle und sachliche Verflechtung (100 % Beteiligung der Klägerin und Verpachtung des Grundstücks durch die Klägerin) vor. In grenzüberschreitenden Sachverhalten sei es allerdings umstritten, ob die Grundsätze der Betriebsaufspaltung überhaupt anzuwenden sind. So soll einerseits von einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung nur dann auszugehen sein, wenn sie sich auf das inländische Steueraufkommen auswirkt. Andererseits werde eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung aber auch generell abgelehnt, weil es den Regelungen der DBA widerspräche, wenn ausländische Vermietungseinkünfte zu gewerblichen umqualifiziert würden. Aus diesem Grund und angesichts der Komplexität der zu klärenden Punkte muss das BMF nun dem Verfahren beitreten. Dabei muss das BMF zum einen die Frage beantworten, ob die Grundsätze der Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten nur dann anzuwenden sind, wenn es zu einer Schmälerung des inländischen Steueraufkommens kommt. Außerdem ist die Frage zu klären, ob es sich anbieten würde, die Frage der Gewerblichkeit der Einkünfte des Besitzunternehmens fallgruppenbezogen zu prüfen.
 

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