Rechtsprechung KW 41-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Im Rahmen von Unterhaltsverpflichtungen getragene Kranken- und gesetzliche Pflegeversicherungsbeiträge des Kindes
Tragen Steuerpflichtige aufgrund einer Unterhaltsverpflichtung die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Kindes, können sie diese als eigene Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG absetzen.
Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung und daher positiv festzustellen.
Die Erstattung der eigenen Beiträge des Kindes ist nur im Wege des Barunterhalts möglich.
Die Steuerpflichtigen können auch die vom Arbeitgeber von der Ausbildungsvergütung des Kindes einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend machen, soweit sie diese Beiträge dem unterhaltsberechtigten Kind erstattet haben.
BFH v. 13.03.2018, X R 25/15
Hinweis:
Als eigene Beiträge des Steuerpflichtigen zur Basiskrankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a EStG) und zur gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. b EStG) werden auch die vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge i. S. dieser Buchstaben eines Kindes behandelt, für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) oder auf Kindergeld besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG).
Im Streitfall hatte zunächst das Kind der Kläger, welches sich in einer Berufsausbildung befand, die von seinem Arbeitgeber einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für das Streitjahr 2010 als Sonderausgaben geltend gemacht, ohne dass diese sich im Rahmen seiner Einkommensteuerfestsetzung auswirkten. Daraufhin machten seine Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr mit der Begründung geltend, sie hätten ihrem Kind, das noch bei ihnen wohne, schließlich Naturalunterhalt gewährt. Sowohl das Finanzamt als auch das FG lehnten den Sonderausgabenabzug der Eltern jedoch ab.
Der BFH hat entschieden, dass die Steuerpflichtigen auch die vom Arbeitgeber von der Ausbildungsvergütung des Kindes einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend machen können, soweit sie diese Beiträge dem unterhaltsberechtigten Kind erstattet haben.
Die im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG von den unterhaltsverpflichteten Eltern ansetzbaren eigenen Beiträge des Kindes umfassen zwar auch die vom Arbeitgeber des Kindes im Rahmen einer Berufsausbildung einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Sie müssten jedoch dem Kind im Veranlagungszeitraum aufgrund einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung tatsächlich bezahlt oder erstattet werden. Da dies im Fall der Gewährung von Naturalunterhalt nicht geschieht, hatte die Revision der Kläger keinen Erfolg.

Berechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG
Der positive Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist bei Anwendung der 1 %-Regelung auch dann unter Ansatz von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zu berechnen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.
BFH v. 12.06.2018, VIII R 14/15
 Hinweis:
Werden die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mit einem zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz zurückgelegt, dessen Privatnutzung pauschal nach der sog. 1 %-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG zu besteuern ist, dürfen aufgrund der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 3 Hs. 1 EStG Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG (der Entfernungspauschale) ergebenden Betrag ergibt. Ermittelt der Steuerpflichtige den Entnahmewert für die private Nutzung des Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 oder S. 3 EStG nach der sog. Fahrtenbuchmethode, treten gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 3 Hs. 2 EStG an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Steuerberaterin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie war u. a. als freie Mitarbeiterin in den Kanzleiräumen eines Kollegen tätig. Die Klägerin unternahm im Streitjahr 85 Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Kanzlei des Kollegen. Die einfache Entfernung von ihrer Wohnung dorthin betrug 30 km. Die Klägerin führte kein Fahrtenbuch. In der Einnahmenüberschussrechnung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin den Entnahmewert für private Fahrten mit den betrieblichen Fahrzeugen nach der 1 %-Methode. Die für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte abzugsfähigen Betriebsausgaben ermittelte die Klägerin nicht durch Multiplikation des gesetzlichen Faktors von 0,03 % mit dem Listenpreis und der einfachen Wegstrecke zur Betriebsstätte. Stattdessen multiplizierte die Klägerin den Listenpreis mit dem Faktor 0,002 %, den gefahrenen Tagen und den Entfernungskilometern. Das FA ließ hingegen die Einzelbesteuerung nicht zu.
Der BFH hat entschieden, dass der gesetzliche Faktor von 0,03 % des inländischen Listenpreises auch dann Anwendung findet, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.
Zweck der Gewinnzurechnungen gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 3 EStG ist, dass Gewinnermittler für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht mehr als die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge abziehen können. Zwar besteht bei Arbeitnehmern die Möglichkeit, eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises je Entfernungskilometer vorzunehmen. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 3 Hs. 1 EStG kommt jedoch nicht in Betracht. Nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ist der Unterschiedsbetrag für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte unabhängig von der Anzahl der getätigten Fahrten mit dem Faktor "0,03 %" des Listenpreises je Kalendermonat und Entfernungskilometer zu ermitteln. Für eine fahrtenbezogene Ermittlung lässt das Gesetz keinen Raum. Der Senat hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich dieser Gesetzeslage.

1.2.Internationales Steuerrecht

Deutsches Besteuerungsrecht bei Zahlung eines sog. signing bonus
Deutschland steht das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Zahlung eines sog. signing bonus - eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags fällige Einmalzahlung, die dem im Ausland ansässigen Arbeitnehmer für eine künftig in Deutschland auszuübende Tätigkeit vorab gewährt wurde - nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 zu.
Die auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gerichtete Verpflichtungsklage hat sich in der Hauptsache erledigt, wenn der Lohnsteuerabzug sowie die Lohnsteueranmeldung nicht mehr geändert werden können und auch der Erlass eines Lohnsteuernachforderungs- oder Haftungsbescheids nicht mehr in Betracht kommt.
BFH v. 11.04.2018, I R 5/16
Hinweis:
Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung. Der Kläger schloss am 15.12.2011 mit einem in der Schweiz wohnhaften Wissenschaftler (X) einen Arbeitsvertrag. Bereits am 21.11.2011 hatte der Kläger X über das Vertragsangebot mit dem Hinweis auf eine Einmalzahlung i. H. v.  200.000 € informiert. Die Einmalzahlung sollte dem Wissenschaftler die Entscheidung erleichtern, das Stellenangebot anzunehmen und seine bisherige Stelle aufzugeben. Der Kläger stellte beim FA den Antrag, ihm aufgrund des DBA-Schweiz eine Bescheinigung über die Freistellung der Einmalzahlung vom Lohnsteuerabzug zu erteilen. Diesen Antrag lehnte das FA ab.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 der LStDV gehören zum Arbeitslohn auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis.
Soweit der Kläger hiergegen einwendet, der sog. signing bonus habe nichts mit der Vergütung der später von X erbrachten Leistung zu tun gehabt, er sei allein für die Bereitschaft zum Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt worden und stelle daher kein Entgelt für künftige Tätigkeiten dar, steht dem bereits der klare und einschlägige Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV entgegen. Für das Besteuerungsrecht Deutschlands kommt es nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 Hs.  2, S. 2 DBA-Schweiz darauf an, dass die Arbeit im anderen als dem Ansässigkeitsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Im Streitfall hat X die Einmalzahlung für ("dafür") eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit bezogen, sodass Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht.

1.3.Sonstiges

Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft (§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG)
Bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft gehört zum Gewerbeertrag der Untergesellschaft nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG der Gewinn der Obergesellschaft aus der Veräußerung ihres Mitunternehmeranteils auch dann, wenn die Obergesellschaft nur in Folge ihrer gewerblichen Beteiligungseinkünfte insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt und an ihr ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind.
Der in § 52 Abs. 32a EStG angeordnete zeitliche Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG i.d.F. des JStG 2007 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
BFH v. 19.07.2018, IV R 39/10
Hinweis:
Zum Gewerbeertrag gehört u. a. auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt, § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG.
Klägerin ist die A-GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der A-GmbH & Co. KG (A-KG). Im Streitjahr übertrug die als Kommanditistin an der A-KG beteiligte W-KG ihren Kommanditanteil an eine weitere Kommanditistin der A-KG, die W-GmbH. Neben ihrer Beteiligung an der A-KG war die W-KG ausschließlich vermögensverwaltend tätig. Der Veräußerungsgewinn wurde vom FA zunächst nicht der GewSt unterworfen. Nach einer bei der A-KG durchgeführten Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass der Gewinn der W-KG aus der Veräußerung ihres Kommanditanteils zum Gewerbeertrag i. S. d. § 7 S. 2 GewStG gehöre.
Der BFH hat entschieden, dass der Veräußerungsgewinn einer Obergesellschaft aus der Veräußerung ihres Mitunternehmeranteils an der Untergesellschaft auch dann zum Gewerbeertrag gehört, wenn die Obergesellschaft nur in Folge ihrer gewerblichen Beteiligungseinkünfte insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.  
Bei der W-KG hat es sich im Streitjahr nicht um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gehandelt. Die W-KG hat aus ihrer Beteiligung an der A-KG gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG bezogen. Diese gewerblichen Beteiligungseinkünfte führen dazu, dass eine von der W-KG im Streitjahr unternommene (weitere) Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Der in § 52 Abs. 32a EStG angeordnete zeitliche Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG ist nicht dahin auszulegen, dass eine als Mitunternehmerin an einer anderen Personengesellschaft beteiligte, im Übrigen ihrerseits nur "vermögensverwaltend" tätige Personengesellschaft nicht vom Regelungsgehalt dieser Norm erfasst wird. Dies gilt selbst dann, wenn an einer solchen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung des Mitunternehmeranteils ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind.
 

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