Rechtsprechung KW 32-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Zu den Voraussetzungen der Berichtigung beim unrichtigen Steuerausweis
Die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 UStG erfordert grundsätzlich, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat.
BFH v. 16.05.2018, XI R 28/16
Hinweis:
Nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG schuldet der Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis), auch den Mehrbetrag. Berichtigt in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG der Rechnungsaussteller den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden (§ 14c Abs. 1 S. 2 UStG).
Die Klägerin verpachtete ein Pflegeheim an eine KG, deren Komplementärin und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin die Klägerin war. In den USt-Erklärungen der Streitjahre behandelte die Klägerin die Grundstücksverpachtung als umsatzsteuerfrei; die Vermietung der Einrichtungsgegenstände hingegen als umsatzsteuerpflichtig. Nachdem der BFH mit Urteil v. 20.08.2009, V R 21/08 entschieden hatte, dass die Überlassung der Einrichtungsgegenstände als Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung des Grundstücks umsatzsteuerfrei ist, beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen gem. § 164 AO.
Der BFH hat entschieden, dass die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1 UStG erfordert, dass die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt wird.
Eine Rechnung kann nach § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i. V. m. § 31 Abs. 5 S. 1 Bst. b UStDV. berichtigt werden, wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Zur Berichtigung müssen die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Die Rechnungsberichtigung als formaler Akt gegenüber dem Leistungsempfänger allein reicht für die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags i. S. v. § 14c Abs. 1 S. 2, § 17 Abs. 1 UStG mit der Folge, dass dieser dem Rechnungsaussteller zu erstatten ist, nicht aus. Der Wortlaut von § 14c Abs. 1 S. 2 UStG setzt zwar nicht voraus, dass der Rechnungsaussteller über die Berichtigung der Rechnung hinaus, den berichtigten Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzuzahlen hätte. Da der Leistende den berichtigten Steuerbetrag vom Leistungsempfänger im Regelfall bereits vereinnahmt hat, würde eine Erstattung durch das FA allein aufgrund der Rechnungsberichtigung ohne Rückzahlung der Steuer den Leistenden ungerechtfertigt bereichern. Dieser würde doppelt begünstigt; denn einerseits hat er das Entgelt zzgl. Umsatzsteuer regelmäßig bereits vereinnahmt und andererseits könnte er im Fall einer bedingungslosen Erstattung den berichtigten Steuerbetrag vom FA nochmals verlangen. Dies ginge allein zu Lasten des Leistungsempfängers. Dagegen wird der leistende Unternehmer, der den unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt und diesem den vereinnahmten Steuerbetrag zurückzahlt, nicht belastet. Denn die grundsätzlich erforderliche Rückzahlung an den Leistungsempfänger kann, um eine Vorfinanzierung des berichtigten Steuerbetrags durch den Rechnungsaussteller bis zur Erstattung zu vermeiden, auch im Wege der Abtretung und Verrechnung erfolgen.

Änderung der Rechtsprechung zu den Rechnungsanforderungen in § 14 Abs. 4 UStG
Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist (Änderung der Rechtsprechung).
Es reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
BFH v. 21.06.2018, V R 25/15 u. V R 28/16
Hinweis:
Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Im ersten Fall (V R 25/15) erwarb der Kläger, ein Autohändler, Kraftfahrzeuge von einem Einzelunternehmer, der "im Onlinehandel" tätig war, ohne dabei ein "Autohaus" zu betreiben. Er erteilte dem Kläger Rechnungen, in denen er als seine Anschrift einen Ort angab, an dem er postalisch erreichbar war. Im zweiten Fall (V R 28/16) bezog die Klägerin als Unternehmer in neun Einzellieferungen 200 Tonnen Stahlschrott von einer GmbH. In den Rechnungen war der Sitz der GmbH entsprechend der Handelsregistereintragung als Anschrift angegeben. Tatsächlich befanden sich dort die Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei. Die von der GmbH für die Korrespondenz genutzte Festnetz- und Faxnummer gehörten der Kanzlei, die als Domiziladresse für etwa 15 bis 20 Firmen diente. Ein Schreibtisch in der Kanzlei wurde gelegentlich von einem Mitarbeiter der GmbH genutzt.
Der BFH hat entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht Voraussetzung ist, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden muss, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist.
Der BFH bejahte in beiden Fällen den Vorsteuerabzug mit ordnungsgemäßen Rechnungen. Für die Angabe der "vollständigen Anschrift" des leistenden Unternehmers reiche die Angabe eines Ortes mit "postalischer Erreichbarkeit" aus. Die Rechtsprechungsänderung beruht auf dem EuGH-Urteil Geissel und Butin v. 15.11.2017, C 374/16 u. C 375/16, das auf Vorlage durch den BFH ergangen ist. Die Rechtsprechungsänderung ist für Unternehmer, die nach ihrer Geschäftstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, von großer Bedeutung. Die Frage, ob bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen, ist bei ihnen regelmäßig Streitpunkt in Außenprüfungen. Die neuen Urteile des BFH erleichtern die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs.
 

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