Rechtsprechung KW 25-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

EuGH-Vorlage zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufern
Ist in Fällen der Differenzbesteuerung nach Art. 311 ff. der Richtlinie 2006/112/EG die Bestimmung des Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass für die Bemessung des danach maßgeblichen Umsatzes bei der Lieferung von Gegenständen nach Art. 314 der Richtlinie 2006/112/EG gemäß Art. 315 der Richtlinie 2006/112/EG auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne) abzustellen ist?
BFH v. 07.02.2018, XI R 7/16
Hinweis:
Bei Kleinunternehmern wird die Steuer nach § 19 UStG nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Der Kläger führte in den Streitjahren steuerbare, der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG unterliegende Umsätze im Rahmen eines Gebrauchtwagenhandels aus. Die in den Streitjahren erzielten Umsätze betrugen bei einer Berechnung nach vereinnahmten Entgelten 27.358 € bzw. 25.115 €. Die Bemessungsgrundlage der jeweiligen Umsätze ermittelte der Kläger in seinen Umsatzsteuererklärungen gem. § 25a Abs. 3 UStG nach dem Differenzbetrag (Handelsspanne) mit 17.328 € bzw. 17.470 €. Er nahm deshalb an, dass er Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG sei. Das FA versagte die Anwendung der Kleinunternehmerregelung, da bei Prüfung der Umsatzgrenzen auf die vereinnahmten Entgelte und nicht auf die Margen abzustellen sei.
Der BFH hat dem EuGH die Rechtsfrage vorgelegt, ob bei Prüfung der Umsatzgrenzen bei der Kleinunternehmerregelung auf die vereinnahmten Entgelte oder auf die Handelsspanne abzustellen ist.
Der BFH neigt dazu zur Ermittlung der betreffenden Umsatzgrößen auf die Differenzbeträge abzustellen, hält jedoch eine Klärung durch den EuGH für erforderlich. Dies beruht darauf, dass an der Auslegung des Art. 288 S. 1 Nr. 1 MwStSystRL, an deren Vorgaben sich das nationale Umsatzsteuerrecht aufgrund einer europarechtlichen Harmonisierung zu orientieren hat, Zweifel bestehen. Bei Zweifeln an der Auslegung derartiger Richtlinien ist der BFH zur Einleitung von Vorabentscheidungsersuchen verpflichtet.
 

1.2.Einkommensteuer

Keine begünstigte Handwerkerleistung bei Herstellung einer öffentlichen Mischwasserleitung
Der von § 35a Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 1 EStG vorausgesetzte räumlich-funktionale Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen ist nicht gegeben, wenn für die Neuverlegung einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes ein Baukostenzuschuss erhoben wird.
BFH v. 21.02.2018, VI R 18/16
Hinweis:
Gem. § 35a Abs. 3 S. 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 %, höchstens um 1.200 €. Nach § 35a Abs. 5 S. 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.
Im Streitfall wurden die Kläger im Jahr 2011 an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage (zentrale Kläranlage) angeschlossen. Zuvor wurde das Abwasser über eine Sickergrube auf ihrem Grundstück entsorgt. Für die Herstellung der hierfür erforderlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes erhob der Abwasserzweckverband im Streitjahr (2012) einen als Baukostenzuschuss bezeichneten Betrag in Höhe von 3.896,60 €, von dem die Kläger einen geschätzten Lohnanteil in Höhe von 2.338 € als Handwerkerleistung geltend machten. Das Finanzgericht gab diesem Begehren statt.
Der BFH hat entschieden, dass der Baukostenzuschuss für die Neuverteilung der öffentlichen Mischwasserleitung nicht als Handwerkerleistung gem. § 35a Abs. 3 S. 1 EStG berücksichtigt werden kann.
Nach einer früheren Entscheidung des BFH sind auch Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf öffentlichem Grund erbracht werden grds. gem. § 35a EStG begünstigt. Die Handwerkerleistung muss dabei aber in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt des Steuerpflichtigen dienen. In dem aktuellen Urteil hat der BFH nun klargestellt, dass der von § 35a Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 1 EStG vorausgesetzte räumlich-funktionale Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen nicht gegeben ist, wenn für die Neuverlegung einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes ein Baukostenzuschuss erhoben wird. Denn im Unterschied zum Hausanschluss kommt der Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes nicht nur einzelnen Grundstückseigentümern, sondern vielmehr allen Nutzern des Versorgungsnetzes zugute. Er wird damit nicht „im Haushalt“ erbracht. Unerheblich ist, wenn der Baukostenzuschuss - wie im Streitfall - beim erstmaligen Grundstücksanschluss an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage erhoben wird. Entscheidend ist somit allein, ob es sich um eine das öffentliche Sammelnetz betreffende Maßnahme handelt oder es um den eigentlichen Haus- oder Grundstücksanschluss und damit die Verbindung des öffentlichen Verteilungs- oder Sammelnetzes mit der Grundstücksanlage geht.

Abgeltungsteuer-Anwendung von § 20 Abs. 9 EStG auch bei fehlendem Zufluss von Kapitalerträgen nach dem 1. Januar 2009
Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG findet auch dann Anwendung, wenn Ausgaben, die nach dem 31. Dezember 2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1. Januar 2009 zugeflossen sind; aus § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG kann nicht geschlossen werden, dass Aufwendungen unabhängig von der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG stets dem vollen Werbungskostenabzug unterliegen, sofern aus der Kapitalanlage jedenfalls nach 2009 keine Erträge fließen (Anschluss an BFH-Urteile vom 2. Dezember 2014 VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387, und vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975).
BFH  v. 28.02.2018, VIII R 41/15
Hinweis:
Nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 €, der bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, auf 1.602 € verdoppelt wird. Nach § 52a Abs. 10 S. 10 EStG ist § 20 Abs. 3 bis 9 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden.
Der Kläger war zu 50 % an der X-GmbH beteiligt, über deren Vermögen am 01.12. 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG unterlagen, hat der Kläger nie erzielt. Die Kläger hatten für die Verbindlichkeiten der GmbH Bürgschaften übernommen, aus denen sie von den Banken in Anspruch genommen wurden. Mit der Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Zinszahlungen von insgesamt 4.506 € für die Darlehensverbindlichkeiten geltend, die mit der aufgelösten GmbH im Zusammenhang stehen. Dies lehnte das FA unter Hinweis auf das, ab dem Veranlagungszeitraum 2009 geltende, Werbungskostenabzugsverbot gem. § 20 Abs. 9 EStG ab.
Der BFH hat entschieden, dass für Werbungskosten auch dann das Abzugsverbot gem. § 20 Abs. 9 S. 1 EStG zu beachten ist, wenn die Werbungskosten im Zusammenhang mit vor dem 01.01.2009 zugeflossenen Kapitalerträgen stehen.
Die Regelung ist ausweislich seines Zwecks, den zeitlichen Anwendungsbereich für das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 EStG zu bestimmen, nur darauf bezogen, die abziehbaren und die nicht abziehbaren abgeflossenen Werbungskosten über die Stichtagsregelung voneinander abzugrenzen. Somit findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 S. 1 EStG nach der BFH-Rechtsprechung - entgegen der Ansicht des FG - auch dann Anwendung, wenn nach dem 31.12.2008 getätigte Ausgaben mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind.
 

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