Rechtsprechung KW 12-2018

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO bei Abweichen des erklärten Arbeitslohns von dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn
Gleicht das FA bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 129 AO.
Stimmen der vom Steuerpflichtigen erklärte und der der Einkommensteuererklärung beigestellte Arbeitslohn nicht überein, hat der Sachbearbeiter regelmäßig - ggf. in weiteren Datenbanken - zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist.
BFH v. 16.01.2018, VI R 41/16
Hinweis:
Nach § 129 S. 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
Die Klägerin war im Streitjahr (2011) zunächst bei der X GmbH und später bei der Y GmbH beschäftigt. Ihren aus diesen beiden Arbeitsverhältnissen bezogenen Arbeitslohn erklärte sie gegenüber dem FA zutreffend. Die Erklärung wurde in Papierform eingereicht. Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid lediglich den Arbeitslohn aus dem Arbeitsverhältnis mit der Y GmbH. Nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids stellte das FA fest, dass die X GmbH erst im Nachhinein die richtigen Lohndaten für die Klägerin übermittelt hatte und diese deshalb im Bescheid nicht enthalten waren. Das FA erließ einen Änderungsbescheid, gegen den die Klägerin erfolglos Einspruch einlegte. Das FA sah sich als nach § 129 S. 1 AO änderungsbefugt an.
Der BFH hat entschieden, dass das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid nicht aufgrund des Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit ändern konnte.
Offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Klägerin hatte ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt, das FA diese Angaben aber ignoriert, weil es darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten zutreffend waren. Kommt es bei dieser Vorgehensweise zu einer fehlerhaften Erfassung des Arbeitslohns, liegt nach dem BFH kein mechanisches Versehen, sondern vielmehr ein Ermittlungsfehler des FA vor. Eine spätere Berichtigung nach § 129 AO ist dann nicht möglich. Seit dem 01.01.2017 ist die Neuregelung in § 175b AO zu beachten. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
 

1.2.Einkommensteuer

Kein privates Veräußerungsgeschäft: Einlösung der Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibung und Erfüllung des Sachleistungsanspruchs
Die Einlösung einer Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibung, indem diese auf ein Sperrkonto übertragen und das Gold in Erfüllung des Sachleistungsanspruchs an den Steuerpflichtigen ausgeliefert wird, stellt keine entgeltliche Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG des Steuerpflichtigen dar.
BFH  v. 06.02.2018,  IX R 33/17
Hinweis:
Ein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.
Die Kläger erwarben Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen und ließen sich das verbriefte Gold innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb physisch aushändigen. Das Finanzamt besteuerte die Wertsteigerung im Zeitraum zwischen dem Erwerb der Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen und der Auslieferung des physischen Goldes als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. v. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
Der BFH hat entschieden, dass die Einlösung der Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibung und Erfüllung des Sachleistungsanspruchs keine Veräußerung darstellt.
Unter Veräußerung i. S. d. § 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines angeschafften Wirtschaftsguts zu verstehen. An einem entgeltlichen Vorgang fehlt es aber, wenn der Gläubiger der Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibung lediglich seinen verbrieften Anspruch auf Lieferung des Goldes einlöst und gegen Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung sein Gold an der angegebenen Lieferstelle empfängt. Er erhält dadurch nicht mehr, als seinem Sachleistungsanspruch entsprach. Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigert sich allein mit der Lieferung des Goldes nicht. In Ermangelung einer Realisierung der Werterhöhung ist der Normzweck des § 23 EStG, innerhalb der Haltefrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, nicht erfüllt. Die zwischen dem Erwerb der Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen und der Auslieferung physischen Goldes eingetretenen Wertsteigerungen führten auch nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen, da die Schuldverschreibungen keine Kapitalforderungen verbrieften, sondern Ansprüche auf die Lieferung physischen Goldes.

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