Rechtsprechung KW 27-2017

1. Umsatzsteuer

Ermäßigter Steuersatz bei Auftragsforschung


Bei der Prüfung, ob sich der Träger einer Wissenschafts- und Forschungseinrichtung i.S. von § 68 Nr. 9 i.V.m. § 64 Abs. 1 AO und § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter finanziert, ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen.

Der Begriff der Vermögensverwaltung nach § 68 Nr. 9 i.V.m. § 64 Abs. 1 AO und § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG umfasst ebenso wie bei § 14 i.V.m. § 64 Abs. 1 AO und § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nur nichtunternehmerische (nichtwirtschaftliche) Tätigkeiten wie z.B. das Halten von Gesellschaftsanteilen, nicht aber auch entgeltliche Leistungen wie etwa die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichen oder beweglichen Vermögen (Fortführung des BFH-Urteils vom 20. März 2014 V R 4/13, BFHE 245, 397).

BFH v. 10.05.2017, V R 43/14, V R 7/15

Hinweis:

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a S. 1 UStG ordnet eine Steuersatzermäßigung für die Leistungen der nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigten Körperschaften an. Dies gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a S. 2 UStG i. V. m. § 64 Abs. 1 AO für die Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur, wenn es sich bei diesem um einen Zweckbetrieb handelt. Unabhängig von den Bedingungen der allgemeinen Zweckbetriebsdefinition in § 65 AO gehören auch "Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen" unter den Voraussetzungen von § 68 Nr. 9 AO zu den Zweckbetrieben. Dies gilt für "Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert.

Die gemeinnützige G-GmbH war im Bereich der Auftragsforschung tätig. Die G-GmbH vereinnahmte insbesondere Beteiligungserträge und Mieteinnahmen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Leistungen der G-GmbH im Bereich der Auftragsforschung nicht dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a UStG, sondern dem Regelsteuersatz unterlägen.

Der BFH hat entschieden, dass das Halten und Verwalten von Beteiligungen und die sich hieraus ergebenden Beteiligungserträge nicht als Teil der Vermögensverwaltung nach § 68 Nr. 9 i. V. m. § 64 Abs. 1 AO u. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a UStG zu behandeln sind. Bei Prüfung der Finanzierungsvoraussetzungen i. S. § 68 Nr. 9 UStG ist die Umsatzsteuer außer Acht zu lassen.

Bei der Prüfung, ob sich der Träger einer Wissenschafts- und Forschungseinrichtung i. S. v. § 68 Nr. 9 i. V. m. § 64 Abs. 1 AO und § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a UStG überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter finanziert, ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich die Trägereinrichtung aus einer von ihr für steuerpflichtige Leistungen vereinnahmten Umsatzsteuer weder finanzieren darf noch kann, da sie die Umsatzsteuer im Rahmen der indirekten Besteuerung ihrer Leistungsempfänger nur als „Steuereinnehmerin für Rechnung des Staates“ vereinnahmt. Der Begriff der Vermögensverwaltung nach § 14 AO i. V. m. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a S. 1 UStG ist dahingehend auszulegen, dass er nur i. S. d. Umsatzsteuerrechts nichtunternehmerische (nichtwirtschaftliche) Tätigkeiten wie das Halten von Gesellschaftsanteilen erfasst, nicht aber auch entgeltliche Leistungen. Die Vermietung und Verpachtung ist demgegenüber als nicht zur Vermögensverwaltung zugehörig anzusehen.

 

2. Einkommensteuer

Vermietung und Verpachtung - Werbungskosten nach gescheitertem Anschaffungsgeschäft


Das Fehlen einer rechtlichen Grundlage für die Hingabe verlorener Aufwendungen, die zu Anschaffungskosten eines Vermietungsobjekts hätten führen sollen, schließt den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer beabsichtigten Vermietung nicht aus.

BFH  v. 09.05.2017, IX R 24/16

Hinweis:

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind.

Der Kläger beabsichtigte ein mit einer Villa bebautes Grundstück zu erwerben. Die Villa wollte er teilweise vermieten. Eigentümer war eine Stiftung nach Liechtensteinischem Recht. Der Kläger vertraute dem Makler X den Kaufpreis in bar an, nachdem dieser ihm versichert hatte, das Geschäft bei Barzahlung in der Schweiz zum Abschluss zu bringen. Tatsächlich verwendete der Makler das Geld jedoch für sich. Streitig ist, ob die Geldbeträge, die dem betrügerischen Makler zum Erwerb der Immobilie überlassen wurden als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht werden können.

Der BFH hat entschieden, dass die verlorenen Aufwendungen des Klägers als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung des abnutzbaren Wirtschaftsguts Gebäude gehören bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung begrifflich zu den Werbungskosten. Sie können jedoch regelmäßig nicht sofort und in voller Höhe, sondern nur zeitlich gestreckt als AfA abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG). Die Aufwendungen für die Anschaffung von Grund und Boden sind dagegen schon begrifflich keine Werbungskosten. Herstellungskosten sind nur Ausgaben für tatsächlich erbrachte Leistungen, die zum Bereich der Gebäudeherstellung gehören. Vorauszahlungen für ein Bauvorhaben, für die wegen des Konkurses des Bauunternehmers Herstellungsleistungen nicht erbracht worden sind, führen nicht zu Herstellungskosten und können deshalb vom Bauherrn bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abgezogen werden. Für vergebliche Aufwendungen, die im Fall der Anschaffung zu Anschaffungskosten geführt hätten, gilt nichts anderes. Sie führen nicht zu Anschaffungskosten, wenn die beabsichtigte Anschaffung ausbleibt. Sie sind vielmehr als Werbungskosten in dem Zeitpunkt abziehbar, in dem deutlich wird, dass es nicht mehr zu einer Verteilung der Aufwendungen als AfA kommen wird, weil sie voraussichtlich dauerhaft ohne Gegenleistung bleiben und weil ihre Rückzahlung nicht zu erlangen sein wird.

 

3. Bilanzsteuerrecht

Passiver Rechnungsabgrenzungsposten - Bemessung der Höhe bei Vorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag


Hat ein buchführender Landwirt ein Entgelt für die zeitlich nicht begrenzte Verpflichtung erhalten, seine Landwirtschaft nicht über den bisherigen Umfang hinaus zu erweitern, ist zur Wahrung des Realisationsprinzips ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

BFH  v. 15.02.2017, VI R 96/13

Hinweis:

Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind als RAP auf der Passivseite der Bilanz Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG.

Der Kläger erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Er ermittelte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG für das Normalwirtschaftsjahr v. 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres, § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG. Der Kläger schloss einen Tauschvertrag über Grundstücke mit einem Zweckverband. In einem Nachtrag zum Tauschvertrag wurde vereinbart, dass statt der geplanten Ansiedlung des Schweinezuchtbetriebs auf den hierfür infrage kommenden Grundstücken eine Biogasanlage errichtet werden soll. Als Gegenleistung für die Verpflichtung des Klägers, die Schweinehaltung auf den bisherigen Umfang begrenzt zu halten, hatte der Zweckverband den Kläger bei der geplanten Errichtung der Biogasanlage umfassend zu unterstützen. Der Kläger berücksichtigte die vom Zweckverband eingegangenen Zahlungsverpflichtungen als außerordentlichen Ertrag und erklärte insoweit einen gem. § 34 Abs. 2 EStG begünstigten Gewinn. Das FA berücksichtigte den Gewinn ohne Anwendung des § 34 EStG.

Der BFH hat entschieden, dass für die Vorleistungen des Zweckverbands ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden ist.

Die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven RAP sind erfüllt. Der Kläger erzielte aufgrund des mit dem Zweckverband geschlossenen Nachtrags Einnahmen, die er in seiner Gewinn- und Verlustrechnung als außerordentlichen Ertrag erfasste. Die Einnahme stellt teilweise Ertrag für eine Zeit „nach dem Abschlussstichtag“ dar. Die Einnahme stellte sich ferner als Ertrag für eine „bestimmte Zeit“ nach dem Abschlussstichtag dar. Eine „bestimmte Zeit“ kann nach der Rechtsprechung des BFH aber auch eine immerwährende Zeit sein, wenn der Steuerpflichtige eine zeitlich nicht begrenzte Dauerleistung zu erbringen hat. Auch eine immerwährende Zeit ist bestimmt, weil feststeht, dass sie niemals enden wird. Die Höhe des RAP bemisst sich bei Vorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag nach dem Anteil der Einnahme, der die nach dem Bilanzstichtag zu erbringende Gegenleistung abgilt. Diese richtet sich nach dem Verhältnis der am Abschlussstichtag noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Gegenleistung. Im Streitfall ging der Senat davon aus, dass eine Verteilung der Einnahme auf 25 Jahre sachgerecht ist.
 

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