Rechtsprechung KW 26-2017

1. Umsatzsteuer

Steuerschuld aufgrund Rechnungserteilung 


Verweist eine Gutschrift auf einen Vertrag, aus dem sich die Person des Leistenden ergibt, kann diese Bezugnahme der Annahme eines unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 UStG aufgrund einer unzutreffenden Bezeichnung des Leistenden entgegenstehen.

BFH  v. 16.03.2017, V R 27/16

Hinweis:

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 S. 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt.

Der Kläger schloss zusammen mit drei anderen Personen als Lizenzgeber Lizenzverträge mit einer KG für die Vermarktung von Erfindungen. Die KG sollte Gutschriften erstellen. Die Gutschriften nannten im Adressfeld den Namen und die Anschrift des Klägers und nahmen im Übrigen auf die zwischen der KG und den Erfindern abgeschlossenen Verträge bezug. Der Kläger ging von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aus. Aufgrund der Gutschriftserteilung unter Anwendung des Regelsteuersatzes nahm das FA eine Steuerhinterziehung durch den Kläger an und änderte die Steuerfestsetzungen der Streitjahre.

Der BFH hat entschieden, dass die Bezugnahme auf einen Vertrag, aus dem sich die Person des Leistenden ergibt, der Anwendung von § 14c Abs. 2 UStG entgegenstehen kann.
Eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG kommt nur in Betracht, wenn in den Gutschriften eine andere Person als die Person, die Leistung tatsächlich erbracht hat, als Leistender angegeben ist.  Verweist eine Gutschrift auf einen Vertrag, aus dem sich die Person des Leistenden ergibt, kann diese Bezugnahme der Annahme eines unberechtigten Steuerausweises aufgrund einer unzutreffenden Bezeichnung des Leistenden entgegenstehen.  Die strittigen Gutschriften waren zwar im Adressfeld an den Kläger gerichtet und wiesen seine Anschrift aus. Die Gutschriften nahmen aber auch auf den der Leistungserbringung jeweils zugrunde liegenden Lizenzvertrag Bezug. Ist davon auszugehen, dass Unternehmer die Bruchteilsgemeinschaft, nicht aber der einzelne Erfinder war, liegt es nahe, die Gutschriften, die auf die der Leistungserbringung zugrunde liegenden Lizenzverträge verwiesen, aufgrund dieser Bezugnahme als an die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft - nicht aber als an den Kläger - als Leistenden erteilt anzusehen.

 

2. Einkommensteuer

Zur Frage der Gewerblichkeit der Einkünfte einer im Bereich der Durchführung klinischer Studien tätigen Fachkrankenschwester


Ob ein im Vergleich zu einem Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlicher Beruf vorliegt, bestimmt sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen und nicht nach den im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG entwickelten Maßstäben.

Eine im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation klinischer Studien ausgerichtete Tätigkeit einer Fachkrankenschwester ist der eines Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten nicht ähnlich. Sie ist weder therapeutischer Natur, noch weist sie einen hinreichend konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer Heilbehandlungstätigkeit auf.

BFH v. 25.04.2017, VIII R 24/14

Hinweis:

Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb im Sinne des EStG. Keinen Gewerbebetrieb stellt nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG die Ausübung eines freien Berufs dar.

Die Klägerin ist hauptberuflich als selbständige Clinical Research Associate (CRA) tätig. Diese Tätigkeit war im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten ausgerichtet und umfasste darüber hinaus auch die Schulung, Überwachung und klinische Unterstützung der Anwender beim Einsatz der Produkte. Streitig war, ob die Klägerin als CRA gewerbesteuerpflichtige Einkünfte erzielt hat.

Der BFH hat entschieden, dass die Klägerin gewerbesteuerpflichtige Einkünfte erzielt hat.

Die Klägerin hat keine wissenschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Sie war selbst nicht forschend und damit wissenschaftlich tätig, auch wenn ihre Arbeit der klinischen Forschung diente. Die Tätigkeit der Klägerin ist auch nicht einem der Katalogberufe i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG vergleichbar. Die Klägerin hat keinen dem Beruf des Heilpraktikers ähnlichen Beruf ausgeübt. Die Tätigkeit der Klägerin war auch nicht der eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlich, da sie nicht therapeutisch tätig war. Ihre Tätigkeit war im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten ausgerichtet und umfasste darüber hinaus die Schulung, Überwachung und klinische Unterstützung der Anwender beim Einsatz der Produkte. Demnach therapierte die Klägerin keine Patienten, sondern sorgte für einen erfolgreichen Verlauf klinischer Studien und unterstützte so die Entwicklung pharmazeutischer bzw. medizintechnischer Produkte.

 

 

3. Bilanzsteuerrecht

Ausscheiden aus Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern folgt Realteilungsgrundsätzen


Auf das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus der Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung aus dem mitunternehmerischen Vermögen finden die Grundsätze der Realteilung auch dann Anwendung, wenn die Abfindung nicht in der Übertragung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, sondern in der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter besteht (gegen BMF-Schreiben vom 20. Dezember 2016 IV C 6-S 2242/07/10002:004, BStBl I 2017, 36).

BFH  v. 30.03.2017, IV R 11/15

Hinweis:

Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden; § 4 Absatz 1 S. 4 ist entsprechend anzuwenden, vgl. § 16 Abs. 3 S. 2 EStG.

Im Streitfall hatte ein Gesellschafter seinen Anteil an einer KG zunächst in eine neu gegründete Ein-Mann-GmbH & Co. KG eingebracht, die dann sogleich unter demselben Datum aus der KG ausschied. Zur Abfindung erhielt die ausscheidende neue Gesellschaft alle Wirtschaftsgüter eines nicht als Teilbetrieb organisierten Geschäftsbereichs der KG, den sie anschließend fortführte. Die Finanzverwaltung hat unter Einbeziehung der kurz zuvor vorgenommenen Übertragung vom Gesellschafter auf die Gesellschaft ein gewinnrealisierendes Tauschgeschäft angenommen.
Der BFH hat entschieden, dass eine steuerneutrale Realteilung vorliegt.

Scheidet ein Mitunternehmer aus der Mitunternehmerschaft gegen Erhalt einer Abfindung aus, wird dieser Vorgang nach ständiger Rechtsprechung als Veräußerung des Mitunternehmeranteils an die verbleibenden Mitunternehmer beurteilt und erfüllt den Tatbestand des § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Mit Urteil vom 17.09.2015, III R 49/13, BStBl II 2017, 37 hat der BFH davon abweichend das Ausscheiden gegen eine aus einem Teilbetrieb bestehende Abfindung nicht als Veräußerung, sondern als Aufgabe des Mitunternehmeranteils nach § 16 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 EStG behandelt und darauf die Regelungen über die Realteilung nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG angewendet. Das BMF hat mit Schreiben v. 20.12.2016, BStBl 2017 I S. 36 den Realteilungserlass überarbeitet und wendet die Urteilsgrundsätze für den Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers unter Mitnahme eines Teilbetriebs – nicht jedoch für den Fall der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern – an. Nach Ansicht des BFH ist nicht nur bei Sachwertabfindungen mit Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen, sondern in allen Fällen einer Sachwertabfindung das Ausscheiden des Mitunternehmers als Aufgabe seines Mitunternehmeranteils zu behandeln. Somit finden die Realteilungsgrundsätze auch dann Anwendung, wenn ein Mitunternehmer unter Mitnahme von Einzelwirtschaftsgütern ausscheidet.

Echte und unechte Realteilung; Aufgabe des Gewerbebetriebs bei Auflösung einer Mitunternehmerschaft

Wird eine Mitunternehmerschaft aufgelöst, führt dies zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.
Die Grundsätze der Realteilung gelten sowohl für die Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch für das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet.

BFH  v. 16.03.2017, IV R 31/14

Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden; § 4 Absatz 1 S. 4 ist entsprechend anzuwenden, vgl. § 16 Abs. 3 S. 2 EStG.

Im Streitfall wurde eine von Vater und Sohn betriebene GmbH & Co. KG aufgelöst. Von den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens erhielt der Vater nur einen geringen Teil, während der Sohn mit dem wesentlichen Teil des ehemaligen Gesellschaftsvermögens weiter alleine betrieblich tätig blieb. Das Finanzamt hatte eine gewinnneutrale Realteilung abgelehnt, weil die betriebliche Tätigkeit fortgesetzt worden sei.

Der BFH hat entschieden, dass die Auflösung der GmbH & Co. KG im Rahmen einer (echten) Realteilung erfolgte.

Da die KG durch Beschluss ihrer Gesellschafter aufgelöst und in der Folgezeit im Wege der Naturalteilung auseinandergesetzt wurde, liegt eine (echte) Realteilung vor. Wird eine Mitunternehmerschaft aufgelöst, führt dies zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs i. S. d. § 16 Abs. 3 S. 1 EStG. Unschädlich für das Vorliegen einer Realteilung war, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs nicht an unterschiedliche Presonen verteilt bzw. veräußert wurden. Entscheidend ist vielmehr, dass das Betriebsvermögen aufhört, gerade der gewerblichen Tätigkeit desjenigen zu dienen, dem der Betrieb zugerechnet wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Mitunternehmerschaft als Ergebnis ihrer Auflösung und Auseinandersetzung nicht mehr existiert. Somit lag vorliegend – engegen der Auffassung der Finanzverwaltung – eine Realteilung vor.

Keine Rückstellung für Zusatzbeiträge zur Handwerkskammer

Eine Rückstellung kann auch für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht gebildet werden, wenn die Verpflichtung wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.

Die Verpflichtung muss nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Das ist der Fall, wenn sie auch dann zu erfüllen ist, wenn der Betrieb zum Ende des Bilanzzeitraums aufgegeben würde.

Das Going-Concern-Prinzip bezieht sich auf die Bewertung, nicht den Ansatz von Bilanzpositionen.
Für Kammerbeiträge eines künftigen Beitragsjahres, die sich nach der Höhe des in einem vergangenen Steuerjahr erzielten Gewinns bemessen, kann keine Rückstellung gebildet werden.

BFH  v. 05.04.2017, X R 30/15

Hinweis:

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende oder überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann.

Der Kläger ist Mitglied einer Handwerkskammer. Die Beiträge der Kammer setzen sich aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag zusammen. Bemessungsgrundlage des Zusatzbeitrags war in der Vergangenheit jeweils der Gewerbeertrag des drei Jahre vor dem Beitragsjahr liegenden Steuerjahres. In der Bilanz zum 31.12.2009 passivierte der Kläger seine zu erwartenden Zusatzbeiträge für die Jahre 2010, 2011 und 2012 aufgrund seiner Gewerbeerträge der Jahre 2007, 2008 und 2009 unter „sonstige Rückstellungen“. Nach einer Betriebsprüfung erkannte das FA die Rückstellung nicht an. Die Zusatzbeiträge seien erst im jeweiligen Beitragsjahr wirtschaftlich verursacht. Anders als das Finanzgericht gab der BFH dem FA Recht.
Der BFH hat entschieden, dass für die Zusatzbeiträge zur Handwerkskammer keine Rückstellungen gebildet werden dürfen.

Rückstellungen für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht können nur dann gebildet werden, wenn die Verpflichtung bereits konkretisiert, d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sind. Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, so dass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt. Das ist der Fall, wenn sie auch dann zu erfüllen ist, wenn der Betrieb zum Ende des Bilanzzeitraums aufgegeben würde.
Für Kammerbeiträge eines künftigen Beitragsjahres, die sich nach der Höhe des in einem vergangenen Steuerjahr erzielten Gewinns bemessen, kann keine Rückstellung gebildet werden. Die Zugehörigkeit zur Handwerkskammer im Beitragsjahr ist konstitutives Merkmal für die Entstehung der Beitragspflicht, was sich aus den für die Erhebung der Beiträge maßgebenden Rechtsgrundlagen ergibt. Die Beitragspflicht ist unmittelbar und zwingend an die Kammerzugehörigkeit im Beitragsjahr geknüpft. Das bedeutet, dass die entsprechende Verpflichtung rechtlich nicht vor dem Zeitraum entstehen kann, auf den sich die Beitragspflicht bezieht, denn vor diesem Zeitraum besteht die Kammerzugehörigkeit nicht.

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