Auswertung Aufsätze 03 - 2021

1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

1.1.NWB

§§ 13a, 13b ErbStG bei Schenkung von Sonderbetriebsvermögen - Was ist hinsichtlich der Übertragungszeitpunkte der KG-Anteile und des Sonder-BV zu beachten?
Müller, Dorn, NWB 09/2021, S. 631
Anmerkung:
Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gehören zu dem nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG begünstigten Vermögen das inländische Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. Abs. 3 EStG.

Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens können die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG nur gewährt werden, wenn die Wirtschaftsgüter gleichzeitig mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen werden. Durch die alleinige Übertragung des Sonderbetriebsvermögens ohne gleichzeitige Übertragung des Mitunternehmeranteils geht die Rechtsstellung des Schenkers als Mitunternehmer auf den Bedachten nicht über. Die isolierte Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ermöglicht dem Erwerber noch keine Mitunternehmerinitiative. Letztere ist jedoch Voraussetzung für die Steuerbegünstigung.

Mit Urteil v. 17.06.2020, II R 38/17, BStBl. 2021 II S. 98 hat der BFH zu den Voraussetzungen der schenkungsteuerlichen Vergünstigungen bei der Übertragung von Sonderbetriebsvermögen entschieden.
  • Bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens können die Begünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG a. F. nur gewährt werden, wenn die Wirtschaftsgüter gleichzeitig mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen werden.
Für die Praxis empfehlen die Verfasser dringend, bei Übertragung einer Beteiligung als Kommanditist an einer Personengesellschaft den gesamten Erwerb (inklusive des Erwerbs des Sonderbetriebsvermögens) unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, wenn eine solche gewünscht ist.


Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung: Verkehrswertnachweis durch Sachverständigengutachten - Eine aktuelle Bestandsaufnahme
Eisele, NWB 10/2021, S. 688
Anmerkung:
Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 S. 1 BewG).

Soll der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch Vorlage eines Gutachtens erbracht werden, muss das Gutachten entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein.

Die Finanzverwaltung hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügt, erbringen kann (siehe u. a. R B 198 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2019). Dies sind Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind (Ländererlass v. 02.12.2020, BStBl. 2021 S. 146).

 

2.Umsatzsteuer

2.1.NWB

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungstätigkeit - Auswirkungen des BMF-Schreibens v. 16.11.2020
Bihler, NWB 09/2021, S. 626
Anmerkung:
Mit Urteilen vom 12.08.2015, XI R 16/14, BStBl. 2020 II S. 790, u. v. 25.11.2015, V R 66/14, BStBl. 2020 II S. 793 hat der BFH seine Rechtsprechung zu der Frage, wann die für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit vorliegt, weiter präzisiert und fortentwickelt.

Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt. Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird (vgl. BFH-Urteil v. 12.08.2015, XI R 16/14, BStBl. 2020 II S. 790). Eine anfängliche, weiter bestehende und dem Unternehmenszweck entsprechende Absicht eines Bauträgers, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 UStG nicht zwingend entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.2015, XI R 16/14, a.a.O). Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens 6 Monate betragen hat. Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt hinsichtlich eines Bauträgers als Veräußerer vor, wenn die unternehmerische Tätigkeit des veräußernden Bauträgers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd zu veräußern (vgl. BFH-Urteil v. 12.08.2015, XI R 16/14, a.a.O). Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht entscheidend ist, ob das Objekt bilanzsteuerrechtlich dem Umlaufvermögen oder Anlagevermögen zuzuordnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.2015, XI R 16/14, a.a.O).Die vorgenannten Grundsätze gelten z. B. auch für einen in eine mehrstufige Übertragung eingebundenen Grundstückshändler.“

Da das BMF-Schreiben in allen offenen Fällen Anwendung findet, sollten nach Ansicht des Verfassers die betroffenen Unternehmen prüfen, ob eine rückwirkende Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im konkreten Fall vorteilhaft ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs beim Erwerber.


Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsleistungen - Umsatzsteuerliche Hilfsmaßnahme für die Gastronomie bis 31.12.2022 befristet
Rondorf, NWB 12/2021, S. 826
Anmerkung:
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG a. F. ist auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen bis 30.06.2021 der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden. Weil die Gastronomen aufgrund der Schließung ihrer Betriebe beim zweiten Lockdown ab November 2020 keine oder nur geringe Umsätze erzielen konnten und die Steuerermäßigung somit weitgehend ins Leere lief, hat der Gesetzgeber die Maßnahme durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz bis zum 31.12.2022 verlängert.

Die Verwaltung lässt eine Vereinfachungsregelung zu, wonach bei sog. Kombiangeboten aus Speisen inklusive Getränken der auf die Getränke entfallende Entgeltanteil mit 30 % des Pauschalpreises angesetzt werden kann (vgl. Abschn. 10.1 Abs. 12 UStAE).

Der nicht begünstigte Getränkeanteil im Frühstück kann aus Vereinfachungsgründen ebenfalls mit 30 % des Gesamtpreises für das Frühstück pauschal ermittelt werden. Darüber hinaus bieten viele Hotels ihren Gästen weitere Leistungen an, die dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen (z. B. Nutzung von Sauna und Fitnessraum). Die Verwaltung hat es bis 30.06.2021 nicht beanstandet, wenn der auf diese nicht begünstigten Leistungen (einschließlich des Getränkeanteils im Frühstück) entfallende Entgeltanteil mit 15 % des Gesamtpreises angesetzt wird (vgl. Abschn. 12.16 Abs. 12 UStAE).

 

3.Einkommensteuer

3.1.NWB

Auswirkungen des JStG 2020 auf Kapitalanlagen - Änderungen im Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen und im Investmentsteuergesetz
Schlund, NWB 09/2021, S. 614
Anmerkung:
Mit dem JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. 2020 I S. 3096 wurden zahlreiche Änderungen und Ergänzungen im Umfeld der Kapitalertragsteuer und im Investmentsteuerrecht vorgenommen.
  • Der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 4a S. 3 EStG zur Verhinderung missbräuchlicher wird eingeschränkt und gilt zukünftig nur noch für den Eintausch in Aktien. Bei sonstigen Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG soll ein Umtausch in andere Wertpapiere ohne Gewinnrealisation nicht mehr möglich sein.
  • Neufassung des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG – Vereinfachung der steuerlichen Qualifikation bei Zuteilung von Anteilen durch ausländische Gesellschaften.
  • Anhebung der Verlustverrechnungsbeschränkung in § 20 Abs. 6 S. 5 u. 6 EStG von 10.000 € auf 20.000 €.
  • Ergänzung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Bst. b S. 1 EStG: Durch die Neuregelung soll sichergestellt werden, dass nur solche Einkünfte des Gesellschafters aus der Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft nach § 32a EStG tariflich besteuert werden, die auf Seiten der Gesellschaft Betriebsausgaben darstellen.
  • § 32d Abs. 5 S. 1 EStG: Klarstellung der vorrangigen Anwendung des § 20 InvStG. Zunächst ist der entsprechende Teilfreistellungssatz anzuwenden und dann der Höchstbetrag i. S. des § 32d Abs. 5 EStG zu errechnen.
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Dienstwagenbesteuerung: Welche Entfernung gilt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte? - Zweifelsfragen zur pauschalen Nutzungswertmethode
Ronneberger, NWB 11/2021, S. 758
Anmerkung:
Wird einem Steuerpflichtigen ein Dienstwagen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zur Verfügung gestellt, bemisst sich der steuerliche Nutzungsvorteil nach § 8 Abs. 2 S. 3 EStG. Hiernach sind dem Steuerpflichtigen kalendermonatlich 0,03 % des Listenpreises i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zuzurechnen. Nutzt der Arbeitnehmer den Firmenwagen tatsächlich an weniger als 180 Tagen für seinen Arbeitsweg, kann der geldwerte Vorteil gemäß der Rechtsprechung einzeln bewertet werden. In diesem Fall ist für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte pro Tag ein Wert von 0,002 % des o. g. Listenpreises anzusetzen. Nach Ansicht des Verfassers ist für die Entfernung ausnahmslos die kürzeste benutzbare Straßenverbindung maßgeblich.


Verbilligte Wohnungsvermietung an Arbeitnehmer - Überblick über die steuer-, sozialversicherungs-, bilanz-, arbeits- und mietrechtlichen Auswirkungen
Schmidt, NWB 12/2021, S. 832
Anmerkung:
Durch das sog. JStG 2019 wurde mit Wirkung ab dem 01.01.2020 die Möglichkeit geschaffen, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern steuerfreie Vorteile durch die verbilligte Vermietung von Wohnungen zuwenden. Mit dem JStG 2020 ergaben sich rückwirkend zum 01.01.2020 zusätzliche Erleichterungen. Bei der Umsetzung der lohnsteuerlichen Regelung sind auch Fragen des Sozialversicherungs-, Bilanz- sowie Arbeits- und Mietrechts zu berücksichtigen.

Der Ansatz eines Sachbezugs für eine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, auf dessen Veranlassung von einem verbundenen Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes) oder bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Arbeitgeber auf dessen Veranlassung von einem entsprechend verbundenen Unternehmen zu eigenen Wohnzwecken überlassene Wohnung unterbleibt, soweit das vom Arbeitnehmer gezahlte Entgelt mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts und dieser nicht mehr als 25 Euro je Quadratmeter ohne umlagefähige Kosten im Sinne der Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten beträgt (§ 8 Abs. 2 S. 12 EStG).

Die Mietverbilligung nach § 8 Abs. 2 S. 12 EStG ist ab dem 01.01.2021 nicht mehr sozialversicherungspflichtig, weil § 2 Abs. 4 S. 1 SvEV entsprechend ergänzt wurde. Für im Jahr 2020 gewährte Mietverbilligungen besteht Beitragspflicht in der Sozialversicherung.


Das Behinderten-Pauschbetragsgesetz (Teil 1) - Eine lange überfällige Wiederherstellung der Vereinfachungsfunktion wichtiger Pauschbeträge
Kanzler, NWB 12/2021, S. 482
Anmerkung:
Durch das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Behinderten-Pauschbetragsgesetz) v. 09.12.2020, BGBl. 2020 I S. 2770 wurden die einkommensteuerlichen Ermäßigungen für behinderte Steuerpflichtige erheblich verbessert.

Zum 01.01.2021 sind im Wesentlichen die folgenden Regelungen in Kraft getreten:
  • Verdopplung einschließlich einer tiefergehenden Staffelung der Behinderten-Pauschbeträge (§ 33b Abs. 3 EStG),
  • Verzicht auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen der Pauschbeträge für die sog. Minderbehinderten, also Steuerpflichtige mit einem Grad der Behinderung – GdB – unter 50 (§ 33b Abs. 2 EStG),
  • Einführung einer behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale (§ 33 Abs. 2a EStG),
  • Gewährung des nach Pflegestufen gestaffelten Pflege-Pauschbetrags auch unabhängig von der bisher geltenden Voraussetzung der Hilflosigkeit (§ 33b Abs. 6 S. 1 EStG) und
  • Erhöhung des Pflege-Pauschbetrags für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 von 924 € auf 1.800 € und Einführung eines Pflege-Pauschbetrags von 600 € und 1.100 € bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 (§ 33b Abs. 6 S. 3 EStG).

Corona: Auswirkungen auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - Steuerrechtliche Folgen aus fehlenden Mieteinnahmen
Nacke, NWB 13/2020, S. 907
Anmerkung:
Mieteinnahmen sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, er also im Rahmen einer der Einkunftsarten wirtschaftlich über die nach § 8 Abs. 1 S. 1 EStG in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter verfügen kann oder verfügt hat.

Der Verfasser stellt die Auswirkungen von Mietausfällen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dar.
  • Vermieter verzichtet für einen bestimmten Zeitraum auf Mietzahlungen
    • Es liegt kein Zufluss von Einnahmen gem. § 8 EStG vor.
  • Verbilligte Vermietung i. S. d. § 21 Abs. 2 EStG
    • Der Verzicht hat auch keinen Einfluss auf die Beurteilung der Frage, ob eine verbilligte Vermietung vorliegt. 
  • Mietparteien vereinbaren ein Darlehen bzw. eine Stundung
    • Wird durch einen Vertrag zwischen den Parteien an die Stelle der bestehenden Forderung eine andere (z. B. Darlehensforderung) gesetzt, kann ein Fall der Novation gem. § 311 BGB gegeben sein, in dem unter Umständen mit der Vereinbarung auch ein Zufluss angenommen werden kann. Deshalb sei den Beteiligten anzuraten, in der Pandemiesituation von einer solchen vertraglichen Umwandlung abzusehen.
  • Einfluss auf die Einkünfteerzielungsabsicht
    • Unter Umständen kann sich die Änderung der Höhe der Einkünfte durch die verminderten Einnahmen auf die Einkünfteerzielungsabsicht auswirken. Vor allem ist dies dann zu beachten, wenn es zu einer Verkürzung des Prognosezeitraums kommt und/oder der Totalüberschuss bereits vorher sehr gering war.
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3.2.DStR

Steuerneutrale Übertragung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils? Auf das richtige Timing kommt es an! Konsequenzen des Urteils des BFH v. 10.09.2020 – IV R 14/18 für die Nachfolgepraxis
Koztenberg, Riedel, DStR 09/2021, S. 505
Anmerkung:
Nach § 16 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Wird hingegen der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 S. 3 EStG an diese Werte gebunden.

Mit Urteil v. 10.09.2020, IV R 14/18 hat der BFH entschieden, dass § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG nicht eingreift, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.

Unschädlich ist es hingegen, wenn vor der Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen entnommen, veräußert oder ausgegliedert wird oder eine gleichzeitige Ausgliederung unter die Vorschrift des § 6 Abs. 5 EStG fällt. Lediglich die gleichzeitige Veräußerung oder Entnahme soll nach Ansicht des BFH schädlich sein. Die Finanzverwaltung hingegen stellt in ihrem BMF-Schreiben nicht auf die Zeitgleichheit der Übertragungsvorgänge ab, sondern auf die Taggleichheit. Die Verfasser empfehlen bei Verkleinerung des Mitunternehmeranteils durch Auslagerung von Sonderbetriebsvermögen dies möglichst mindestens einen Tag vorher und „plakativ“ vorzunehmen. Hierbei sei im ersten Schritt zu prüfen, welche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens existieren und als funktional wesentlich zu qualifizieren sind. Sodann sei in einem zweiten Schritt sicherzustellen, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem betreffenden Sonderbetriebsvermögen möglichst eindeutig und zweifelsfrei vor der Anteilsübertragung nicht mehr dem Mitunternehmeranteil zuzurechnen ist, wobei hier eine lückenlose Dokumentation der Übertragungsvorgänge eine besondere Rolle spielen dürfte. Unter Einbeziehung all dieser Erwägungen und dem Risiko der Realisierung der stillen Reserven im Fall eines „verfehlten“ § 6 Abs. 3 S. 1 EStG sei daher stets zu überlegen, ob im Einzelfall statt der Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils auch der Zurückbehalt eines Zwerganteils mit der Folge der Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 2 EStG in Frage komme.

 

4.Sonstiges

4.1.DStR

Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung bei der Anteilsvereinigung i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG
Behrens, Seemaier, DStR 11/2021, S. 644
Anmerkung:
Mit Urteil v. 27.05.2020, II R 45/17 hat der BFH zur mittelbaren Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft entschieden.
  • Grundbesitzende Gesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein.
  • Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend.
  • Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.
Der BFH gibt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 GrEStG die seit Jahrzehnten auf Personengesellschaften angewendete Pro-Kopf-Betrachtung auf. Für die mittelbaren Anteilsvereinigungen hat der BFH dies mit dem Urteil II R 45/17 ausdrücklich bestätigt und für die unmittelbaren Anteilsvereinigungen in einem Obiter Dictum angekündigt. In der Beratungspraxis kann daher nach Ansicht der Verfasser nicht mehr auf die Pro-Kopf-Betrachtung vertraut werden. Aufgrund der verschiedenen Berechnungsmodi in § 1 Abs. 3 u. Abs. 3a GrEStG für mittelbare Anteilsvereinigungen (Stufenbetrachtung einerseits, Durchrechnungsmethode andererseits) behalte § 1 Abs. 3a GrEStG einen – nun allerdings nochmals verkleinerten – Anwendungsbereich.
 

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