Rechtsprechung KW 20 - 2022

 

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Zur Beendigung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO im Fall der Abgabe der Einkommensteuererklärung beim unzuständigen Finanzamt
Wird die Einkommensteuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt eingereicht, endet die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich erst dann, wenn die zuständige Behörde die Erklärung erhalten hat.

Nur ausnahmsweise kann auch die Abgabe der Einkommensteuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt genügen, um die Anlaufhemmung zu beenden. Dies ist der Fall, wenn das unzuständige Finanzamt seine Fürsorgepflicht gemäß § 89 AO verletzt, indem es die Erklärung lediglich zu den Akten nimmt, obwohl ihm seine eigene Unzuständigkeit ebenso bekannt ist wie die zuständige Behörde. Verletzt die Behörde ihre Fürsorgepflicht, ist der Steuerpflichtige im Rahmen des rechtlich Zulässigen so zu stellen, als wäre der Verstoß nicht passiert.

BFH v. 14.12.2021, VIII R 31/19

Hinweis
Gem. § 169 Abs. 1 S. 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beginnt im Regelfall gem. § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon beginnt die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO u. a. in den Fällen, in denen eine Steuererklärung einzureichen ist, mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Streitig ist, ob dem Erlass des Einkommensteueränderungsbescheids für das Jahr 2010 (Streitjahr) am 06.10.2016 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen steht. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des M (Insolvenzschuldner). M war Architekt in einer GbR, die er ab 2005 als Einzelunternehmen fortführte. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit wurden (weiterhin) beim FA H gesondert festgestellt. Die Einkommensteuerveranlagung erfolgte beim FA B (Beklagter). Das FA B schätzte die Einkünfte aus selbständiger Arbeit des M für 2010 (Streitjahr) auf 0 €. Das FA H schätzte die Einkünfte des M ebenfalls und ging dabei von einem Gewinn von ca. 1,5 Mio. € aus. In 2011 reichte der Kläger die Gewinnermittlung und die Einkommensteuererklärung für M beim FA H ein. Es wurde darauf hingewiesen, dass M verstorben war und die Adresse des Klägers mitgeteilt. Daraufhin änderte das FA H die gesonderte Feststellung und legte einen Gewinn von ca. 900.000 € zugrunde. Das FA B wertete die entsprechende Mitteilung aus und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010. Dieser ging dem Kläger allerdings nicht zu und wurde daher vom FA storniert. In 2016 erließ das FA B dann einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2010. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend.

Der BFH hat entschieden, dass die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich erst dann endet, wenn die zuständige Behörde die Erklärung erhalten hat.

Im Streitfall richtet sich der Lauf der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, denn der Kläger hatte eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einzureichen. Der Kläger hat am 19.10.2011 eine Einkommensteuererklärung eingereicht. Die vom Kläger eingereichte Einkommensteuererklärung für das Streitjahr war wirksam; sie war formell und materiell ordnungsgemäß (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 150 Abs. 1, 3 AO in der im Streitjahr geltenden Fassung, § 25 Abs. 3 S. 5 EStG) und damit grundsätzlich geeignet, den Lauf der Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO in Gang zu setzen.

Auch wenn § 25 EStG nicht ausdrücklich bestimmt, dass die Einkommensteuererklärung bei der zuständigen Behörde einzureichen ist, wird die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich nur durch die Abgabe der wirksamen Steuerklärung beim zuständigen Finanzamt beendet. Eine Steuererklärung i. S. d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ist eingereicht, wenn eine wirksame Erklärung an die zuständige Finanzbehörde übermittelt worden ist. Wird die Steuererklärung bei einer unzuständigen Finanzbehörde eingereicht, wird die Anlaufhemmung erst beendet, wenn die zuständige Behörde die Erklärung erhält. Nur ausnahmsweise kann auch die Abgabe der Einkommensteuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt genügen, um die Anlaufhemmung zu beenden. Dies ist der Fall, wenn das unzuständige Finanzamt seine Fürsorgepflicht gem. § 89 AO verletzt, indem es die Erklärung lediglich zu den Akten nimmt, obwohl ihm seine eigene Unzuständigkeit ebenso bekannt ist wie die zuständige Behörde. Verletzt die Behörde ihre Fürsorgepflicht, ist der Steuerpflichtige im Rahmen des rechtlich Zulässigen so zu stellen, als wäre der Verstoß nicht passiert. Das FG hat zutreffend entschieden, dass es die besonderen Umstände des Streitfalls rechtfertigen, die Abgabe der Einkommensteuererklärung bei dem für die Einkommensteuerveranlagung unzuständigen Finanzamt H genügen zu lassen, um die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zu beenden.

 

1.2.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Schenkungsteuer bei Amortisation von Geschäftsanteilen
§ 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG erfasst die Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen nach § 34 Abs. 1, 2 GmbHG und ist nicht auf Fälle der Zwangseinziehung von Anteilen beschränkt.

BFH v. 17.11.2021, II R 21/20

Hinweis
Als Schenkungen unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gelten u. a. gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, sowie gem. § 7 Abs. 7 ErbStG bestimmte Formen der Anwachsung und des Wertzuwachses von GmbH-Anteilen bei Ausscheiden eines anderen Gesellschafters. § 7 Abs. 7 ErbStG stellt bestimmte gesellschaftsrechtlich veranlasste Wertverschiebungen bei Ausscheiden eines Gesellschafters der Schenkung gleich, in Satz 1 solche durch Übergang dessen Anteils, in Satz 2 solche durch Werterhöhung der anderen Anteile.

Der Kläger sowie drei weitere Personen (A, B und C) waren im Jahre 2007 Gesellschafter einer GmbH mit einem Stammkapital von insgesamt 324.000 €. Sie hielten jeweils einen Geschäftsanteil mit einer Stammeinlage von 81.000 €. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig, ohne Zustimmung war sie unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Auch konnten die Gesellschafter die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die Gesellschaft oder eine zu benennende Person beschließen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22.05.2007 beschlossen die vier Gesellschafter einstimmig die Einziehung des Geschäftsanteils des A zum 31.12.2007. Als Einziehungsvergütung hatte die GmbH an A 75.000 € in 75 gleichen Monatsraten zu zahlen. Die Nennbeträge der verbleibenden drei Geschäftsanteile wurden jeweils um 27.000 € auf 108.000 € aufgestockt. Das FA erließ gegenüber dem Kläger wegen der Werterhöhung, die sein GmbH-Anteil erfahren habe, einen Schenkungsteuerbescheid. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA zurück. Zur Begründung seiner Klage machte der Kläger geltend, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei mangels Freigebigkeit, § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG wegen der Freiwilligkeit der Einziehung nicht anwendbar.

Der BFH hat entschieden, dass § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG die Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen erfasst und nicht auf Fälle der Zwangseinziehung beschränkt ist.

Wird auf Grund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt nach § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Mit dem Merkmal „eingezogen“ knüpft die Norm an die in § 34 GmbHG geregelte Einziehung von Geschäftsanteilen bei Ausscheiden eines Gesellschafters einer GmbH an. Die Einziehung (Amortisation) bedarf nach § 34 Abs. 1 GmbHG stets einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag, ist nach Maßgabe von § 34 Abs. 2 GmbHG aber auch ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten möglich. § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG erfasst beide Formen der Einziehung. Weder dem Wortlaut („eingezogen“) noch der Systematik oder dem Telos der Vorschrift ist eine Beschränkung auf die Einziehung nach § 34 Abs. 2 GmbHG zu entnehmen. Erwerber und somit Steuerschuldner gem. § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG sind die verbleibenden Gesellschafter. Nach diesen Maßstäben ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Einziehung des GmbH-Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG der Schenkungsteuer unterliegt. Es ist im Rahmen der ihm nach § 118 Abs. 2 FGO obliegenden Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gesellschafter am 22.05.2007 eine Einziehung mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters i. S. d. § 34 Abs. 1 GmbHG beschlossen haben. Die Einziehung unterfällt dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG. Der Wert des eingezogenen Anteils wurde mit bindender Wirkung nach § 182 Abs. 1 S. 1 AO gesondert festgestellt. Bei künftigen Änderungen des Feststellungsbescheids ist der Schenkungsteuerbescheid nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ggf. i. V. m. § 171 Abs. 10 S. 1 AO zu ändern. Die Abfindung, deren kapitalisierter Wert ebenfalls unstreitig ist, bleibt deutlich hinter dem gesondert festgestellten Wert des Anteils zurück. Hinsichtlich der Differenz ist der Vorgang anteilig für jeden der Gesellschafter steuerbar und steuerpflichtig.
 

1.3.Umsatzsteuer

Beherbergungsumsätze; Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG aufgrund des beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsersuchens Az. C-516/21 ernstlich zweifelhaft
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (Anschluss an den BFH-Beschluss vom 26.05.2021 - V R 22/20, BFHE 273, 351).

BFH v. 07.03.2022, XI B 2/21

Hinweis
Die Steuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (sog. Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Dies gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.

Streitig ist, ob Leistungen der Antragstellerin an ihre Hotelgäste als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG unterliegen: Die Antragstellerin betreibt ein Hotel und Restaurant. In den Streitjahren 2014 bis 2017 erhielten alle Hotelgäste auch ein Frühstück sowie Zugang zum hoteleigenen Spa, bloße Übernachtungen bot die Antragstellerin nicht an. Das FA vertrat die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten Steuersatz und Frühstück sowie Spa anderseits dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen seien.

Die Antragstellerin hält unter Verweis auf das EuGH-Urteil v. 18.01.2018 C-463/16 „Stadion Amsterdam“ das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG für europarechtswidrig.

Der BFH hat entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsverbot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom erkennenden Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen. Es ist inzwischen jedoch fraglich, ob an dieser Rechtsprechung des Senats nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam festzuhalten ist. Der EuGH hat im Urteil Stadion Amsterdam entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten würden, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann (vgl. EuGH, Urteil Stadion Amsterdam, Rz 36). Hieraus könnte für das gesetzliche Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung „Übernachtung“ zu unterwerfen ist. Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte insoweit das Aufteilungsgebot aus § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG verdrängen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen darüber hinaus, nachdem der V. Senat des BFH durch Beschluss v. 26.05.2021, V R 22/20 den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 S. 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist. Es ist ungeklärt, ob den Grundsätzen zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes Vorrang gegenüber Art. 135 Abs. 2 Bst. c MwStSystRL, wonach die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerpflichtig ist, zukommt, oder aus Art. 135 Abs. 2 Bst. c MwStSystRL ein Aufteilungsgebot abzuleiten sein könnte, so dass einheitliche Umsätze in einen (nach Art. 135 Abs. 1 Bst. l MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken betreffend) steuerfreien und einen (nach Art. 135 Abs. 2 Bst. c MwStSystRL die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen betreffend) steuerpflichtigen Teil aufzuspalten sind. Die vom EuGH in diesem Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung der Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung die Hauptleistung einerseits steuerfrei und die Nebenleistung andererseits steuerpflichtig sein können, heranzuziehenden Grundsätze könnten auf die den Streitfall betreffende Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung unterschiedliche Steuersätze nach dem im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgebot i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG möglich sind, zu übertragen sein.

 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Sonstiges

Nichtanwendung der BFH-Urteile v. 01.07.2021, VIII R 9/19 u. VIII R 15/20
Das BMF hat zur Anwendung der BFH-urteile v. 01.07.2021, VIII R 9/19 u. v. 01.07.2021, VIII R 15/20 Stellung genommen.

Hinweis
Nach § 20 Abs. 4a S. 7 EStG gelten abweichend von § 20 Abs. 4a S. 5 EStG u. § 15 UmwStG die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 4a EStG entsprechend, wenn Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf andere Körperschaften übergeht.

Mit Urteil vom 01.07.2021, VIII R 9/19 hat der BFH entschieden, dass die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ an private Kleinanleger nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führt.

§ 20 Abs. 4a S. 7 EStG ist auch auf ausländische Vorgänge anwendbar, die bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung der Abspaltung nach deutschem Recht entsprechen. Der Kläger hielt Aktien der Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt und das Unternehmenskundengeschäft der HPI auf ihre Tochtergesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) übertragen worden war, erhielten die Aktionäre im Rahmen eines sog. „Spin-Off“ Aktien der HPE. Diese buchte die Bank des Klägers in dessen Depot ein. Der Kläger war nunmehr im selben Verhältnis an beiden Gesellschaften beteiligt. Das FA behandelte die Aktienzuteilung beim Kläger als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück. Eine steuerneutrale Zuteilung von Aktien nach § 20 Abs. 4a S. 7 EStG sei auch bei einem US-amerikanischen „Spin-Off“ möglich. Voraussetzung sei, dass die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 UmwStG erfüllt seien. Die Kapitalverkehrsfreiheit gebiete eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG auf ausländische Vorgänge. Rechtsfolge der Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG sei, dass die Einbuchung der aufgrund des „Spin-Off“ erhaltenen Aktien im Depot des Klägers nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag führe. Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung der Aktien der HPE bzw. HPI seien etwaige Veräußerungsgewinne zu versteuern.

Diese Urteilsgrundsätze sind nach dem o. g. BMF-Schreiben auf Abspaltungen i. S. d. § 15 UmwStG nicht anzuwenden. Insoweit gelten weiterhin die für die Vergleichbarkeit maßgeblichen Kriterien der Randnr. 01.36 des BMF-Schreibens vom 11.11.2011, BStBl. 2011 I, 1314.

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