Rechtsprechung KW 19 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung
Es besteht kein Anspruch auf Auskunft über die bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen gespeicherten Daten.

BFH v. 17.11.2021, II R 43/19

Hinweis
Nach § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Bst. a AO besteht die Pflicht der Finanzbehörde zur Information der betroffenen Person gem. Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 DSGVO nicht, soweit die Erteilung der Information die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden oder anderer öffentlicher Stellen liegenden Aufgaben i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Bst. d – h DSGVO gefährden würde und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss. Gem. § 32b Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 32a Abs. 2 Nr. 1 AO wird die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden liegenden Aufgaben i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Bst. d - h DSGVO insbesondere gefährdet, wenn die Erteilung der Information die betroffene Person oder Dritte in die Lage versetzen könnte, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 Bst. a AO), steuerlich bedeutsame Spuren zu verwischen (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 Bst. b AO) oder Art und Umfang der Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einzustellen (§ 32a Abs. 2 Nr. 1 Bst. c AO) und damit die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich erschwert würde. § 32b Abs. 3 AO schreibt für solche Fälle geeignete Schutzmaßnahmen vor.

Die Klägerin ist eine im Ausland registrierte Gesellschaft. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Z (FA Z) führte für 2006 bis 2012 eine Fahndungsprüfung durch, die zu geänderten Bescheiden und in ein Klageverfahren führte. Zentraler Streitpunkt war die Frage, wo die geschäftliche Oberleitung der Klägerin tatsächlich ansässig war. Die Finanzverwaltung meinte, dies sei in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gewesen. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) kam es zu einer tatsächlichen Verständigung dahin, dass die geschäftliche Oberleitung sich bis 2008 im Inland, ab 2009 ausschließlich in A befunden habe. Am 02.07.2018 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die o. g. Verständigung beim beklagten BZSt die Änderung der über sie bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) gespeicherten Daten. Sie legte dafür ein Firmenprofil der IZA über sie, die Klägerin, vom 02.06.2014 vor. Darin wurde sie als Briefkastenfirma und Offshore-Gesellschaft bezeichnet, die nach Ermittlungen des FA Z keine inländische Betriebsstätte unterhalte. Auf dem Auszug hatte die Klägerin Löschungs- und Änderungswünsche vermerkt, die sich im Wesentlichen gegen eine Ansässigkeit in Deutschland richteten. Das BZSt lehnt den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG Köln bestehe kein Anspruch auf Auskunft über den durch das BZSt nicht preisgegebenen aktuellen Datenbestand, so dass keine Grundlage für einen Korrekturanspruch gegeben sei. Der BFH hat entschieden, dass kein Anspruch über die bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen gespeicherten Daten besteht. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Auskunft noch auf Änderung der Datensätze bei der IZA besitzt. Ansprüche aus der DSGVO sind in zulässiger Weise durch die AO eingeschränkt worden. Das innerstaatliche deutsche Recht hat die Rechte aus Art. 13 bis 17 DSGVO in einer mit Art. 23 DSGVO in Einklang stehenden Weise beschränkt. Danach sind die Auskunftsansprüche aus Art. 15 DSGVO nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Bst. a AO ausgeschlossen. Eine Auskunftserteilung über die bei der IZA gesammelten Daten gefährdete die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörden aus Art. 23 Abs. 1 Bst. e DSGVO i. V. m. § 85 S. 1 AO. Die Interessen der betroffenen Person an der Informationserteilung müssen demgegenüber zurücktreten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Abwägung bestehen nicht.
 

1.2.Umsatzsteuer

Keine Berufung auf das Unionsrecht für Leistungen im Bereich des Sports
Art. 132 Abs. 1 Bst. m MwStSystRL hat keine unmittelbare Wirkung, so dass sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auf diese Bestimmung vor den nationalen Gerichten nicht berufen kann (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling vom 10.12.2020 - C-488/18, EU:C:2020:1013; Änderung der Rechtsprechung).

BFH v. 21.04.2022, V R 48/20 (V R 20/17)

Hinweis
Nach Art. 132 Abs. 1 Bst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben. In dem vom BFH entschiedenen Streitfall ging es um einen Golfverein, der nicht nur von seinen Mitgliedern durch allgemeine Mitgliedsbeiträge aus Sicht der Finanzverwaltung nicht steuerbar vergütet wurde, sondern der darüber hinaus eine Reihe von Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbrachte. Dabei handelte es sich um die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eines Ballautomaten, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, die mietweise Überlassung von Caddys und um den Verkauf eines Golfschlägers. Das FA sah diese gesondert vergüteten Leistungen als steuerbar und umsatzsteuerpflichtig an. Die dem Grunde nach mögliche Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Bst. b UStG für den Veranstaltungsbereich versagte das FA, da es den Golfverein nicht als gemeinnützig ansah, was es insbesondere damit begründete, dass es an einer hinreichenden Vermögenszweckbindung für den Fall der Vereinsauflösung fehlte. Das FG gab der hiergegen eingelegten Klage statt, da es nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung des BFH davon ausging, dass sich der Golfverein auf eine weiter gefasste Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Bst. m MwStSystRL berufen könne. Da diesbezüglich Zweifel aufgetreten waren, rief der BFH im Revisionsverfahren den EuGH an. Dieser entschied, dass eine Berufung auf die Steuerfreiheit nach der MwStSystRL nicht möglich sei. Der BFH hat entschieden, dass sich Sportvereine gegenüber einer aus dem nationalen Recht folgenden Umsatzsteuerpflicht nicht auf eine allgemeine, aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) abgeleitete Steuerfreiheit berufen können.

Der BFH hat sich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der EuGH-Recht­sprechung angeschlossen. Danach war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dies gilt auch für die eigentlich unter § 4 Nr. 22 Bst. b UStG fallende Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Denn der EuGH hatte ergänzend entschieden, dass die Steuerfreiheit im Sportbereich voraussetzt, dass das Vereinsvermögen im Auflösungsfall nur zweckgebunden verteilt werden kann, woran es im Streitfall fehlte. Die Entscheidung des BFH betrifft unmittelbar nur Leistungen, die Sportvereine gegen gesonderte Vergütung erbringen. Sie ist aber für die Umsatzbesteuerung im Sportbereich von grundsätzlicher Bedeutung. Dies beruht darauf, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH Leistungen, die Sportvereine an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge erbringen, entgegen der Verwaltungspraxis weiterhin steuerbar sind, so dass es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht kommt. Sportvereine müssen jetzt also damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als umsatzsteuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung i. S. v. § 4 Nr. 22 Bst. b UStG handelt. Dies spricht der BFH in seinem Urteil ausdrücklich an. Diese Problematik dürfte sich nur gesetzgeberisch dadurch lösen lassen, dass der nationale Gesetzgeber die nach der Richtlinie bestehende Möglichkeit ergreift, Leistungen im Bereich des Sports weitergehend als bisher von der Umsatzsteuer zu befreien. Dies wird in der Fachwelt seit zwei Jahrzehnten diskutiert, ohne dass der nationale Gesetzgeber derartige Überlegungen bislang aufgegriffen hat.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Einkommensteuer

Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token
Das BMF hat zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token Stellung genommen.

BMF v. 10.05.2022

Hinweis
In dem Schreiben wird klargestellt, dass die Zehnjahresfrist des § 23 EStG bei virtuellen Währungen keine Anwendung findet. Damit ist bei Privatpersonen der Verkauf von erworbenen Bitcoin und Ether nach einem Jahr steuerfrei. Die Frist verlängert sich auch dann nicht auf zehn Jahre, wenn etwa Bitcoin zuvor für Lending genutzt wurden oder die Steuerpflichtigen beispielsweise Ether einem anderen für dessen Blockerstellung als Stake zur Verfügung gestellt haben.
 

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