Auswertung Aufsätze 04 - 2022

1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

1.1.NWB

Stundung von Erbschaftsteuer beim Erwerb von Grundvermögen - Wirksamkeit der Schutzvorkehrungen in § 28 Abs. 3 ErbStG und § 222 AO
Arps-Aubert, NWB 15/2022, S. 1.041

Anmerkung
Gehört zum Erwerb begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d Abs. 3, ist dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahren zu stunden, soweit er die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann. Satz 1 gilt entsprechend, wenn zum Erwerb ein- oder Zweifamilienhaus oder Wohneigentum gehört, das der Erwerber nach dem Erwerb zu eigenen Wohnzwecken nutzt, längstens für die Dauer der Selbstnutzung. Nach Aufgabe der Selbstnutzung ist die Stundung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 weiter zu gewähren. Die Stundung endet in den Fällen der Sätze 1 bis 3, soweit das erworbene Vermögen Gegenstand einer Schenkung im Sinne des § 7 ist. Die §§ 234 und 238 der Abgabenordnung sind anzuwenden; bei Erwerben von Todes wegen erfolgt diese Stundung zinslos. § 222 der Abgabenordnung bleibt unberührt (§ 28 Abs. 3 ErbStG).

Der Erwerber muss vorrangig erworbenes weiteres Vermögen oder vorhandenes eigenes Vermögen zur Begleichung der Steuerschuld einsetzen. Dabei rechnet die Finanzverwaltung dem eigenen oder sonstigen Vermögen regelmäßig auch die Möglichkeit der Kreditaufnahme zu. Auch wenn die Anforderungen an einen Erwerber in Bezug auf eine Steuerstundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG nicht überspannt werden dürfen, läuft die gesetzliche Regelung damit de facto nahezu leer.

§ 28 Abs. 3 ErbStG lässt die Möglichkeit der Stundung von Erbschaftsteuer nach § 222 AO unberührt. Dabei dürfte nach Ansicht der Verfasser zumindest bei höheren Grundbesitzwerten analog zum Rechtsgedanken in § 28 Abs. 3 ErbStG für die ersten sechs Monate im Falle einer Kreditbeschaffung oder einer beabsichtigten Veräußerung regelmäßig von einer erheblichen Härte auszugehen sein.

2.Umsatzsteuer

2.1.NWB

Die Besteuerung des Leistenden definiert den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers - Umgekehrte Maßgeblichkeit in der Umsatzsteuer
Masuch, Fetzer, NWB 15/2022, S. 1.032

Anmerkung
Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b UStG). Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt.

Die Finanzverwaltung hat sich in Abschn. 15.2 Abs. 2 UStAE zu den Voraussetzungen für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Lieferungen und sonstigen Leistungen entschieden.

1. Die Steuer muss für eine Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellt worden sein (vgl. Abschnitt 15.2a);
 2. die Lieferung oder sonstige Leistung muss von einem Unternehmer ausgeführt worden sein (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 1);
3. der Leistungsempfänger muss Unternehmer und die Lieferung oder sonstige Leistung für sein Unternehmen ausgeführt worden sein (vgl. Abschnitte 15.2b und 15.2c);
4. Der Leistungsempfänger ist im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung, in der die Angaben vollständig und richtig sind (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 6). Wegen der Ausnahmen hiervon vgl. Absch. 15.2a Abs. 1a.

Diese Voraussetzungen müssen insgesamt erfüllt werden. Das gilt auch für Leistungsempfänger, die die Steuer für ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten berechnen (§ 20 UStG).

Mit Urteil vom 10.02.2022, C-9/20, „Grundstücksgemeinschaft Koll Austraße 136“ hat der EuGH zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Leistung durch einen Ist-Versteuernden entschieden.
  • Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13.07.2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gemäß Art. 66 Abs. 1 Bst. b der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.
Ungeachtet der Besteuerungssituation beim Leistungsempfänger wäre nunmehr aufgrund der EuGH-Rechtsprechung sicherzustellen, dass der Vorsteuerabzug erst dann geltend gemacht wird, wenn dem Ist-versteuernden Leistenden auch die entsprechenden Entgelte zugeflossen sind. Neben der Bereinigung der Finanzverwaltungsauffassung in Abschn. 15.2 Abs. 2 UStAE erscheint nach Auffassung des Verfassers das Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich, um die in Art. 226 Nr. 7a MwStSystRL vorgesehene Hinweispflicht auf die Anwendung der Ist-Versteuerung beim Leistenden in § 14 Abs. 4 UStG für die Rechnungstellung zu übernehmen. Nur auf diesem Wege ließe sich sicherstellen, dass der Leistungsempfänger die erforderlichen Informationen für die zeitlich zutreffende Einordnung seines Rechts auf Vorsteuerabzug erhält. Zudem werden prozessuale Anpassungen in der Buchhaltung erforderlich sein.


Umsatzsteuer bei Lagerflächenvermietung - Kann die Vermietung von Lagerflächen in Containern steuerfrei erfolgen?
Schlegel, NWB 17/2022, S. 1.246

Anmerkung
Gemäß § 4 Nr. 2 S. 1 Bst. a UStG ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken umsatzsteuerfrei. Nicht befreit ist die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden, die Vermietung von Campingplätzen, die Parkplatzvermietung zum Abstellen von Fahrzeugen sowie die Vermietung von Betriebsvorrichtungen (§ 4 Nr. 12 S. 2 UStG).

Beim FG Düsseldorf ist unter dem Aktenzeichen 1 K 1801/21 U derzeit ein Verfahren zur Frage anhängig, ob die Vermietung von Lagerflächen in Form von (See)Containern eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtung oder eine umsatzsteuerfreie Vermietung von Grundstücken darstellt.
Das UStG selbst enthält keine Definition des Begriffs „Grundstück“. Allerdings ist seit dem 01.01.2017 in Art. 13b MwStVO der mehrwertsteuerliche Grundstücksbegriff unionsrechtlich geregelt und klargestellt. Art. 13b MwStVO lautet:
 
„Für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2006/112/EG gilt als „Grundstück“
a) ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
b) jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
c) jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
d) Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.“

Nach diesen Grundsätzen erfüllen die vermieteten Lagerflächen nach Ansicht des Verfassers den Grundstücksbegriff. Die Vermietung kann damit umsatzsteuerfrei erfolgen.

3.Einkommensteuer

3.1.NWB

Behandlung von Gebäude-Herstellungsaufwendungen als Erhaltungsaufwand nach R 21.1 Abs. 2 S. 2 EStR - Anwendungsprobleme und Zweifelsfragen der Vereinfachungsregelung
Grotherr, NWB 13/2022, S. 906

Anmerkung
Nach der Fertigstellung des Gebäudes ist Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn Aufwendungen durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Erweiterung oder für die über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung eines Gebäudes entstehen (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB), R 21.2 S. 1 EStR. Betragen die Aufwendungen nach Fertigstellung eines Gebäudes für die einzelne Baumaßnahme nicht mehr als 4.000 Euro (Rechnungsbetrag ohne Umsatzsteuer) je Gebäude, ist auf Antrag dieser Aufwand stets als Erhaltungsaufwand zu behandeln (R 21.2. S. 2 EStR).

R 21.1 Abs. 2 S. 2 EStR ist in der Praxis insbesondere auf Baumaßnahmen zur Erweiterung der nutzbaren Fläche oder der Gebäudesubstanz anzuwenden. Auf Antrag sind nachträgliche Gebäude-Herstellungskosten als Erhaltungsaufwand zu behandeln. Der Verfasser weist drauf hin, dass bei mehreren Mietwohnungen in einem Gebäude die Vereinfachungsregelung in einem Veranlagungszeitraum im Rahmen der Geringfügigkeitsgrenze je Gebäude nur einmal beantragt werden kann, bei mehreren Mietwohngebäuden des Steuerpflichtigen jedoch mehrfach. Das veranlagende Finanzamt kann über den Antrag nicht nach billigem Ermessen entscheiden, da die Aufwendungen „stets“ als Erhaltungsaufwand zu behandeln sind. Eine mehrfache Inanspruchnahme der Regelung durch „Zersplitterung“ von zusammenhängenden Baumaßnahmen ist nicht möglich. Bei einer „Sanierung in Raten“ sind die Baumaßnahmen zusammenhängend zu betrachten.


Sperrfristverletzung nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG wegen teilwertrealisierender Veräußerung von Anteilen? - BFH-Urteil v. 18.08.2021 - XI R 20/19
Goldacker, Mengele, Schuster, NWB 14/2022, S. 970

Anmerkung
§ 6 Abs. 5 S. 1 EStG sieht vor, dass bei der Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts von einem in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen ist, der sich nach den Vorschriften der Gewinnermittlung ergibt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.

Diese sog. Buchwertfortführung gilt nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG entsprechend, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird. Wird das nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist veräußert oder entnommen, ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, es sei denn, die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch die Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden (§ 6 Abs. 5 S. 4 EStG). Soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 des § 6 Abs. 5 EStG der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht, ist gem. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung ebenfalls der Teilwert anzusetzen.

Mit Urteil v. 18.08.2021, XI R 20/19 hat der BFH zur Frage der Sperrfristverletzung wegen teilwertrealisierender Veräußerung von Anteilen entschieden.
  • Kommt es im Jahr der (Buchwert-)Einbringung zu einer Veräußerung von Anteilen an der Personengesellschaft durch die einbringende Kapitalgesellschaft, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, wenn das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des mit Blick auf einen sog. Sperrfristverstoß angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid nicht aussetzt, bis durch einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bestandskräftig entschieden ist, ob und in welcher Höhe ein Gewinn aus der Veräußerung der Anteile in diesem Streitjahr entstanden ist.
  • Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i. S. des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt (Parallelentscheidung zum Senatsurteil vom 18.08.2021 - XI R 43/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
Die Verfasser weisen darauf hin, dass die teleologische Reduktion des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG im Sachverhalt des BFH-Urteils vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks notwendig und zulässig ist, da der Gesetzeszweck der Vermeidung des Übergehens stiller Reserven auf Körperschaften dient (vgl. BT-Drucks. 14/6882 S. 33). Die Anwendung der Norm auf Sachverhalte, die eine teilwertrealisierende Veräußerung von Anteilen beinhalten, führt schlichtweg zu sinnwidrigen Ergebnissen. Offengelassen hat der BFH, ob § 6 Abs. 5 S. 6 EStG auch dann teleologisch zu reduzieren ist, wenn es bei der Anteilsübertragung nicht zu einer Verlagerung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern aus dem Einkommen- in das Körperschaftsteuerregime kommt.
 

4.Bilanzsteuerrecht

4.1.NWB

Vorsicht bei der Abschreibung von PC-Hardware und Software nach dem BMF-Schreiben v. 22.02.2022 - Heiligt der Zweck wirklich das Mittel?
Thiele, Jansen, NWB 17/2022, S. 1.230

Anmerkung
Mit dem BMF-Schreiben v. 22.02.2022, BStBl. 2022 I S. 187 hat die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben v. 26.02.2021, BStBl. 2021 I S. 298 redaktionell angepasst und aktualisiert. Mit dem Schreiben v. 26.02.2021 hatte das BMF erstmalig geregelt, dass für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer für PC-Hardware und Software eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden kann. Auf die darauf entstandene Rechtsunsicherheit und aufgrund der Kritik aus Literatur und Praxis reagierte das BMF nunmehr mit der Veröffentlichung eines neuen, angepassten Schreibens.

In dem BMF-Schreiben v. 22.02.2022 wird nun klargestellt, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter weiterhin unter § 7 Abs. 1 EStG fallen und dass die Möglichkeit, eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, keine neue Abschreibungsmethode sowie keine Sofortabschreibung darstelle. Außerdem stelle die Regelung kein Wahlrecht i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG dar. Ferner wird geregelt, dass der Steuerpflichtige von der Annahme einer Nutzungsdauer von einem Jahr abweichen könne sowie andere Abschreibungsmethoden anwendbar seien. Abschließend stellt die Finanzverwaltung klar, dass es nicht beanstandet werde, wenn abweichend zu § 7 Abs. 1 S. 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen werde.

Das IDW lehnt die Auffassung der Finanzverwaltung ab, bei der handelsrechtlichen Nutzungsdauer ist die tatsächliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen und keine unterstellte Nutzungsdauer von einem Jahr, da es hierzu keine Rechtsgrundlage gibt.


Wirtschaftliches Eigentum, Bilanzierung und Teilwertabschreibung bei Wertpapierdarlehen - Anmerkungen zum BFH-Urteil v. 29.09.2021 - I R 40/17
Korn, NWB 13/2022, S. 901

Anmerkung
Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. „Eigentümer“ im Sinne dieser Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO, dass die Zurechnung an die Person erfolgt, die die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass sie den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.

Mit Urteil v. 29.09.2021, I R 40/17 hat der BFH zum wirtschaftlichen Eigentum und der Teilwertabschreibung bei Wertpapierdarlehen entschieden.
  • Trägt bei einem Wertpapierdarlehen der Darlehensnehmer die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere, so spricht dies gegen einen Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Darlehensgeber (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 18.08.2015 – I R 88/13, BFHE 251, 190, BStBl. II 2016, 961).
  • Die an die Stelle der darlehensweise ausgereichten Wertpapiere getretene Rückübertragungsforderung ist vom Darlehensgeber erfolgsneutral mit dem Buchwert der Wertpapiere zu aktivieren. Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderung sind nicht gemäß § 8b Abs. 3 S. 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren.
  • Zur Frage des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Wertpapierdarlehensgeschäften eines Versicherungsunternehmens.
  • Bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 S. 2 KStG sind Renten-Deckungsrückstellungen i. S. von § 341g Abs. 5 HGB einzubeziehen. Im Rahmen der Ablaufverprobung zur Ermittlung des Minderungsbetrags sind die Renten-Deckungs­rückstellungen nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Regeln zu bewerten; etwaige Nachreservierungen aufgrund veränderter Daten zur Lebenserwartung sind nicht zu eliminieren.
  • In die aufgrund einer im Jahr 2005 durchgeführten Rückgabe von Fondsanteilen vorzunehmende Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 InvStG 2004 gehen ggf. auch Verluste aus Veräußerungen von Aktien ein, die sich auf Ebene des Fonds vor Inkrafttreten des InvStG 2004 (hier: im Jahr 2002) realisiert haben. Dies ist unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes unbedenklich.
  •  

5.Sonstiges

5.1.NWB

Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei unterjährigem Erwerb des Grundstücks - Anmerkung zum BFH-Beschluss v. 27.10.2021 - III R 7/19
Meding, Müller, NWB 15/2022, S. 1.053

Anmerkung
Gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung); maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes vor dem Ende des Erhebungszeitraums. Stattdessen kann nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, auf Antrag die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt werden, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Dieser Teil des Gewerbeertrags geht nicht in die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ein und wird so im Ergebnis nicht mit Gewerbesteuer belastet. Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist u. a., dass das Unternehmen „ausschließlich“ eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, abgesehen von den in § 9 Nr. 1 S. 2 u. 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen.

Mit Urteil v. 27.10.2021, III R 7/19 hat der BFH entschieden, dass die erweiterte Grundstückskürzung nicht gewährt wird, wenn das Grundstück unterjährig erworben wird.
  • Befasst sich eine neu gegründete Kapitalgesellschaft erst Monate nach ihrer Eintragung in das Handelsregister mit der Verwaltung eigenen Grundbesitzes, kann sie die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen, da sie in diesem Fall nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig ist.
Nach Ansicht der Verfasser sollte es ausreichen, wenn die Gesellschaft ausdrücklich zum Erwerb eines Objekts gegründet wird, der Erwerb tatsächlich zeitnah (z. B. wenige Wochen) zur Gründung erfolgt und auf den Erwerb des konkreten Objekts in der Gründungsdokumentation Bezug genommen wird. Einen Zeitraum von mehreren Monaten zwischen Gründung und Objekterwerb hat der BFH im Streitfall jedenfalls als nicht ausreichend angesehen, so dass der Zeitraum möglichst kurz gehalten werden sollte. In diesem Fall sollte die Tätigkeit der Gesellschaft im abgekürzten Erhebungszeitraum ausschließlich dem Erwerb, Halten und Verwalten des Grundbesitzes dienen und die erweiterte Kürzung zu gewähren sein. Da dieser Fall aber – soweit ersichtlich – bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, verbleiben gewisse Risiken für die Anerkennung im Jahr der Gründung der Gesellschaft.
 

5.2.DStR

Steuerliche Optimierung beim Asset Deal: Verdeckte Einlage junger Wirtschaftsgüter
Klein, DStR 14/2022, S. 681

Share Deals werden – aus Sicht des Veräußerers - günstiger besteuert als Asset Deals. Veräußerer haben daher regelmäßig eine Motivation, den Gegenstand der Veräußerung (Betrieb oder wertvolle Wirtschaftsgüter) vor der Veräußerung in eine Kapitalgesellschaft zu übertragen und entsprechend im Mantel der Kapitalgesellschaft zu veräußern. Der steuerliche Vorteil tritt aber nur ein, sofern bei der Übertragung auf die Kapitalgesellschaft die in Frage stehenden stillen Reserven nicht gehoben und versteuert werden. Für junge Wirtschaftsgüter, d. h. Wirtschaftsgüter, die noch keine drei Jahre zum Betrieb gehören, bietet die Regelung des § 6 Abs. 6 S. 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Bst. a EStG die Möglichkeit, eine grundsätzlich steuerpflichtige Veräußerung von Wirtschaftsgütern in einen steuerfreien Share Deal umzuwandeln.

Im Regelfall sind die eingelegten Wirtschaftsgüter mit ihrem Teilwert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Die eingelegten Wirtschaftsgüter sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Einlage angeschafft oder hergestellt worden ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Bst. a EStG). Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Absetzung für Abnutzung zu kürzen, die auf den Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts und der Einlage entfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 2 EStG). Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Bst. a EStG ist gem. § 8 Abs. 1 KStG auch für Körperschaften anzuwenden. Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Bst. a EStG sollte nach Ansicht des Verfassers auch für immaterielle Wirtschaftsgüter (inkl. dem Geschäfts- und Firmenwert) gelten, da sie nicht zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern unterscheidet. Sofern keine Aufwendungen angefallen sind (wie bspw. bei dem Geschäfts- und Firmenwert), sind die Herstellungskosten mit 0 EUR anzunehmen.

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