Rechtsprechung KW 51 - 2021

1.Rechtsprechung

 

1.1.Umsatzsteuer

Zur Abgrenzung von Schadensersatz und Entgelt bei Zahlungen nach Aufhebung eines Architektenvertrages
Die nach Kündigung eines Architektenvertrages zu zahlende Vergütung ist nur insoweit Entgelt i. S. von § 10 Abs. 1 UStG, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt.

BFH v. 26.08.2021, V R 13/19

Hinweis
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 S. 1 u. 2 UStG).

Der Kläger ist selbständiger Landschaftsarchitekt. Er wurde mit der Gestaltung der Außenanlagen für eine Schule beauftragt. Nachdem er seine Leistung teilweise erbracht hatte, kündigte der Kreis den Vertrag, weil der Umbau der Schule aus finanziellen Gründen nicht mehr realisiert werden konnte und bat den Kläger eine Schlussrechnung zu erstellen. Die Vertragsbeteiligten einigten sich darauf, dass der Kläger ein Honorar für tatsächlich erbrachte Planungsleistungen und darüber hinaus ein Ausfallhonorar für seine noch ausstehenden Leistungen erhält. Diese Vereinbarung wurde vom Kreis und dem Kläger unterzeichnet. Der Kläger behandelte das Honorar für die bereits erbrachten Leistungen als steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz zum Regelsteuersatz. Das Ausfallhonorar sah er hingegen als nicht steuerbar an. Das FA ging im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung davon aus, dass es sich bei der als Ausfallhonorar bezeichneten Leistung um die Gegenleistung für den Verzicht des Klägers auf die Erfüllung des Architektenvertrages handele. Es behandelte den Betrag für das Ausfallhonorar als Gegenleistung, aus der die Umsatzsteuer herauszurechnen sei.

Der BFH hat entschieden, dass die nach Kündigung eines Architektenvertrags zu zahlende Vergütung nur insoweit als Entgelt i. S. v. § 10 Abs. 1 UStG zu behandeln ist, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt.

Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Feststellungen des FG lassen eine Beurteilung, ob der gesamte vom Kreis gezahlte Betrag auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung als Gegenleistung anzusehen ist, nicht zu. Das FG hat die Vereinbarung dahingehend ausgelegt, dass die Beteiligten sich nicht auf die Zahlung eines Schadensersatzes an Stelle des vertraglich geschuldeten Honorars geeinigt, sondern das dem Kläger nach dem Architektenvertrag für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags zustehende Honorar zahlenmäßig konkretisiert haben. Das lässt sich aus der Vereinbarung nicht zweifelsfrei entnehmen, weil in Ziff. 2 der Vereinbarung für „tatsächlich erbrachte Planungsleistungen“ ein gesonderter Honorarposten vereinbart ist.

Das wirft die Frage auf, weshalb das FG davon ausgeht, dass die Beteiligten auch in Ziff. 3 der Vereinbarung mit dem dort genannten „Ausfallhonorar“ eine weitere Gegenleistung für eine steuerbare Leistung vereinbart haben sollen. Die bloße zahlenmäßige Konkretisierung ist für sich genommen ungeeignet, eine Zuordnungsentscheidung darüber zu treffen, ob eine Zahlung als Entgelt für eine teilweise erbrachte Leistung oder als Zahlung ohne Entgeltcharakter i. S. der BFH-Rechtsprechung anzusehen ist. Maßgeblich ist dabei das, was die Parteien tatsächlich vereinbaren wollten. War die Aufteilung der Zahlung in zwei Bestandteile nicht ernsthaft gewollt und sollte sie z. B. nur dazu dienen, die Entstehung einer Umsatzsteuer zu verhindern oder zu mindern, deren Zahlung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, kann der volle Betrag als Gegenleistung anzusehen sein. Hierzu hat das FG indes keine Feststellungen getroffen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch vorliegen können, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet. Daran bestehen aber Zweifel, wenn der Kläger das Vertragsverhältnis (hier: den Architektenvertrag) bereits (vorzeitig) gekündigt hat, wovon die Beteiligten in der gütlichen Vereinbarung ausgegangen sind. In diesem Falle verfügte er im Zeitpunkt der Besprechung möglicherweise über keine (vermögenswerte) Rechtsposition aus dem Architektenvertrag mehr, auf die er (gegen Entgelt) hätte verzichten können. Das FG hat in seinem Urteil lediglich festgestellt, dass die Kündigung des Architektenvertrages ausgesprochen wurde, nicht aber von welcher Vertragspartei. Hierzu hat das FG keine weiteren Feststellungen getroffen. Eine Steuerbarkeit und Steuerpflicht kommt auf dieser Grundlage nur in Betracht, wenn der Kläger eine Rechtsposition innegehabt und auf diese verzichtet hat.
 

1.2.Einkommensteuer

Zuteilung von Aktien im Rahmen eines ausländischen „Spin-Off“ vor Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG - ertragsteuerliche Folgen für den inländischen Privatanleger
Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG.

Ein ausländischer „Spin-Off“, der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i. S. des § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt (Anschluss an BFH-Urteile vom 01.07.2021 - VIII R 9/19, und VIII R 15/20).

BFH v. 19.10.2021, VIII R 7/20

Hinweis
Geht Vermögen einer Körperschaft durch Abspaltung auf andere Körperschaften über, gelten abweichend von Satz 5 und § 15 des Umwandlungssteuergesetzes die Sätze 1 und 2 entsprechend (§ 20 Abs. 4a S. 7 EStG).

Die Kläger hielten im Streitjahr 2012 Aktien der Kraft Foods Inc. (KFI), einer US-amerika­nischen Kapitalgesellschaft. Am 02.10.2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte für Nordamerika auf die neu gegründete Kraft Foods Group Inc. (KFG), ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, und erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in Mondelez International Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Kläger wurde die entsprechende Zahl an Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank der Kläger ging - unter Berücksichtigung des maßgeblichen Börsenkurses der KFG-Aktien von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag ein.

Die Kläger, nach deren Auffassung die Zuteilung der KFG-Aktien als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln ist, beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FA folgte dem nicht, sondern legte den strittigen Kapitalertrag mit dem für Kapitaleinkünfte geltenden Steuertarif (§ 32d Abs. 1 EStG) zu Grunde und rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an.

Der BFH hat entschieden, dass Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG fallen.

Das FG der ersten Instanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuteilung der KFG-Aktien von der M an die Kläger bei isolierter Betrachtung zu einem Kapitalertrag i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG führt, für den Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht. Diese Sachausschüttung ist mangels einer Einlagenrückgewähr seitens der M nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Darüber hinaus ist die Entscheidung des FG, dass es an den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG fehlt, im Ergebnis ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Zuteilung der KFG-Aktien auch nicht nach § 20 Abs. 4a S. 7 EStG von der Besteuerung auszunehmen ist, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, dass Drittstaatenabspaltungen im Streitjahr noch in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG fielen. Die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV gebietet es, dass der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG auch Drittstaatenabspaltungen erfasst. Anderenfalls käme es im Streitjahr zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung inländischer Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften gegenüber solchen von inländischen und ausländischen Gesellschaften der EU bzw. des EWR. Ein ausländischer „Spin-Off“, der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i. S. d. § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt.
 
 
 

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