Rechtsprechung KW 01 - 2022

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Besteuerung eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses
Der Vermächtnisnehmer eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses erwirbt erbschaftsteuerrechtlich vom Beschwerten.

Fällt der erstberufene Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses weg, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer ebenfalls vom Beschwerten und nicht vom erstberufenen Vermächtnisnehmer.

BFH v. 31.08.2021, II R 2/20

Hinweis
§ 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG bestimmt, dass bei Eintritt der Nacherbfolge diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern haben. Gem. § 6 Abs. 4 Alt. 1 ErbStG stehen Nachvermächtnisse Nacherbschaften gleich.

Der 1957 verstorbene Erblasser war Eigentümer eines Hausgrundstücks. In einem notariell beurkundeten Testament hatte er seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmt und das Grundstück seinem Neffen vermacht. Das Vermächtnis sollte zwar mit dem Tod des Erblassers anfallen, Übergabe und Übereignung des Grundstücks konnte der Vermächtnisnehmer jedoch erst nach dem Tod der Ehefrau verlangen. Für den Fall, dass der Neffe das Vermächtnis nicht erwerben sollte, fiel es an dessen eheliche Abkömmlinge. Sollte der Neffe nach Anfall, aber vor Fälligkeit des Vermächtnisses sterben, fiel es an diese als Nachvermächtnisnehmer. Der Neffe verstarb 2011 und wurde durch seine Kinder, den Kläger sowie dessen Bruder, beerbt. Im Jahre 2012 verstarb die Ehefrau des Erblassers. Danach wurde das Grundstück in Erfüllung der testamentarischen Verpflichtung auf den Kläger und dessen Bruder als Miteigentümer jeweils zur Hälfte übertragen. Das FA setzte gegenüber dem Kläger Erbschaftsteuer für einen vermächtnisweisen Erwerb von Todes wegen von der Ehefrau des Erblassers fest. Während der Kläger die Anwendung der Steuerklasse I beantragt hatte, wandte das FA Steuerklasse III an. Es vertrat die Auffassung, für die Besteuerung sei das Verwandtschaftsverhältnis des Klägers zu der Vorerbin - der Ehefrau des Erblassers - bzw. zum Erblasser maßgebend.

Der BFH hat entschieden, dass der Vermächtnisnehmer eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses erbschaftsteuerrechtlich vom Beschwerten erwirbt. Wenn der erstberufene Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses wegfällt, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer ebenfalls vom Beschwerten und nicht vom erstberufenen Vermächtnisnehmer.

Das Vermächtnis stellt erbschaftsteuerrechtlich einen Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG nach der Ehefrau des Erblassers auf den Zeitpunkt seiner Fälligkeit dar, den das FA zutreffend unter Anwendung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse III ErbStG besteuert hat. Dies folgt allerdings nicht aus einer auf eine teleologische Reduktion gestützten Nichtanwendung des § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG, sondern aus § 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG. Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten fällig sind, werden über eine Gleichstellung mit den Nacherbschaften erbschaftsteuerrechtlich im Wesentlichen so behandelt wie Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten anfallen. Ist ein Vermächtnis erst mit dem Tod des beschwerten Erben fällig und ein zweiter Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der erste Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses verstirbt, erwirbt - sollte sich dies realisieren - der zweitberufene Vermächtnisnehmer von dem beschwerten Erben, nicht aber vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Zeitpunkt des Erwerbs ist der Tod des Erben. Ob zivilrechtlich die beiden Vermächtnisse als Vor- und Nachvermächtnis zu qualifizieren sind, ist für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht erheblich. Mit dem Tod des Erblassers hatte dessen Neffe - der Vater des Klägers - nach § 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG noch keinen Vermächtniserwerb zu versteuern.

Das Vermächtnis war noch nicht fällig, weil die Ehefrau des Erblassers noch nicht verstorben war. Dasselbe galt für den Kläger und seinen Bruder beim Tod ihres Vaters. Die Fälligkeit des Vermächtnisses trat erst mit dem Tod der Ehefrau des Erblassers ein. Auf diesen Zeitpunkt hat der Kläger es als von ihr stammend zu versteuern. In diesem Verhältnis ist die Steuerklasse III anzuwenden.
 

1.2.Einkommensteuer

Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung
Die Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen ist nur im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (bzw. früher: § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG i. d. F. des JStG 2008) unentgeltlich; wird nach dieser Vorschrift nicht begünstigtes Vermögen übertragen, liegt ertragsteuerrechtlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor.

Bei Übertragung eines Vermietungsobjekts des Privatvermögens gegen Leibrente führen die wiederkehrenden Leistungen des Übernehmers an den Übergeber in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten, die mit den AfA berücksichtigt werden, und in Höhe ihres Zinsanteils zu sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 EStG, wonach Leibrentenzahlungen nur mit dem in § 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Dbst. bb EStG vorgesehenen Ertragsanteil als Werbungskosten (sofort) abgezogen werden können, ist verfassungsgemäß.

BFH v. 29.09.2021, IX R 11/19

Hinweis
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG); sie sind nach § 9 Abs. 1 S 2 EStG bei der Einkunftsart abzusetzen, bei der sie erwachsen sind. Zu den Werbungskosten rechnen u.a. auch auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart im Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 1 EStG); abweichend hiervon kann bei Leibrenten nur der Anteil als Werbungskosten abgezogen werden, der sich nach § 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Dbst. bb EStG ergibt (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 EStG).

Mit notariell beurkundetem Grundstücksübertragungsvertrag vom 05.11.2011 übertrug der Vater (V) ein in seinem Eigentum stehendes vermietetes Mehrfamilienhaus auf seine Tochter, die Klägerin. Nach dem Grundstücksübertragungsvertrag erfolgte die Übertragung „unentgeltlich im Wege der Schenkung“; zugunsten des V war jedoch eine lebenslange, wiederkehrende, nicht wertgesicherte Leistung von monatlich 2.500 € zu erbringen. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr berücksichtigte die Klägerin die vertraglich vereinbarten wiederkehrenden Leistungen an V in Höhe von (2.500 € × 12 Monate =) 30.000 € als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem vermieteten Mehrfamilienhaus. Das FA bewertete die Zahlungen der Klägerin als Leibrente i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 2 EStG und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lediglich den sich aus § 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Dbst. bb EStG ergebenden Ertragsanteil in Höhe von 3.900 € jährlich als Werbungskosten. Streitig ist, in welchem Umfang von der Klägerin an ihren Vater geleistete lebenslange monatliche Zahlungen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind.

Der BFH hat entschieden, dass die Übertragung von Vermögen gegen Versorgungsleistungen nur im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG unentgeltlich ist. Wird hingegen nicht begünstigtes Vermögen übertragen, liegt ertragsteuerrechtlich eine entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung vor.

Nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben abziehbar sind Versorgungsleistungen, die im Zuge der Übergabe eines im Privatvermögen befindlichen Immobilienobjekts vereinbart werden. 

Im Streitfall handelt es sich bei den nach Maßgabe der Bestimmungen des zwischen der Klägerin und V geschlossenen Vermögensübergabevertrages geschuldeten wiederkehrenden Leistungen um Entgelte im Rahmen einer teilentgeltlichen Vermögensübergabe. Ist, wie im Streitfall, der Anwendungsbereich des Sonderrechts des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG nicht eröffnet, ist nach den steuerrechtlichen Grundsätzen von einer teilentgeltlichen Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen auszugehen. Nutzt aber der Übernehmer übertragenes Vermögen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und erfüllt die Vermögensübertragung nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG, führen von ihm geschuldete und an den Übergeber entrichtete wiederkehrende Leistungen in Höhe ihres Barwerts zu Anschaffungskosten und mithin zu - durch die Einkünfteerzielung veranlassten - Werbungskosten; der Zinsanteil der wiederkehrenden Leistungen ist ebenfalls als Werbungskosten abziehbar.


Zum Verbrauch der antragsgebundenen Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG
Die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen kann, ist auch dann verbraucht, wenn das FA die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat. Dies gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht und ein Betrag begünstigt besteuert wird, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt.

Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die rechtsirrige Gewährung der Vergünstigung in dem früheren Bescheid für den Steuerpflichtigen angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des FA nicht erkennbar war.

BFH v. 28.09.2021, VIII R 2/19

Hinweis
Außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 EStG werden gem. § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert. Alternativ hierzu gewährt § 34 Abs. 3 EStG für Veräußerungsgewinne i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf Antrag eine Steuersatzermäßigung, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist (vgl. § 34 Abs. 3 S. 1 - 3 EStG). Diese Ermäßigung kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen (§ 34 Abs. 3 S. 4 EStG).

Der Kläger war Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis. Im Streitjahr veräußerte er seinen Anteil an der Gesellschaft. Seinen gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von ... €, der im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2016 festgestellt ist, erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr. Die hierfür beantragte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG lehnte das FA ab, da dem Kläger diese Ermäßigung bereits im Jahr 2006 gewährt worden und damit ein Verbrauch eingetreten sei. In der nach den Feststellungen des FG bestandskräftigen, nicht mehr änderbaren Einkommensteuerfestsetzung 2006 hatte das FA bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 39.932 € erfasst und für diesen die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 3 EStG gewährt, was zu einer Steuerminderung von rund 8.000 € führte. Bei dem Betrag von 39.932 € handelte es sich allerdings nicht um einen Veräußerungsgewinn des Klägers, sondern um Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis, die dem Kläger im Feststellungsbescheid 2006 anteilig in Höhe von 39.932 € als laufende tarifbegünstigte Einkünfte i. S. d. § 24 Nrn. 1 u. 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nrn. 2 - 4 EStG zugerechnet worden waren. Das FA wertete die Mitteilung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Gemeinschaftspraxis 2006 vom 18.08.2008 unzutreffend aus und gewährte dem Kläger die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 3 EStG für diese Einkünfte, obwohl der Kläger weder einen entsprechenden Veräußerungsgewinn erzielt noch einen Antrag auf Gewährung der Tarifbegünstigung gestellt hatte.

Der BFH hat entschieden, dass die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen kann, auch dann verbraucht ist, wenn das FA die Vergünstigung zu Unrecht gewährt hat. Dies gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht.

Der Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes gilt selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschieht und ein Betrag begünstigt besteuert wird, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt. Etwas anderes gilt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur dann, wenn die rechtsirrige Gewährung der Vergünstigung in dem früheren Bescheid für den Steuerpflichtigen angesichts der geringen Höhe der Vergünstigung und wegen des Fehlens eines Hinweises des FA nicht erkennbar war. Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.

Abweichung zwischen dem Vereinbarten und der tatsächlichen Durchführung bei Altenteilsverträgen
Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde. Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt.

Für die - anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende - Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, ist auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen.

Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wird, der bei Übergabeverträgen, die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen worden sind, zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führt (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.06.2021 - X R 31/20, Rz 32, seit dem 16.12.2021 veröffentlicht unter www.bundesfinanzhof.de).

BFH v. 16.06.2021, X R 3/20

Hinweis
Nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und die Versorgungsleistungen u.a. im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft stehen, die eine Tätigkeit i. S. d. § 13 EStG ausübt. Abziehbar ist auch der Teil der Versorgungsleistungen, der auf den Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft entfällt (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 S. 3 EStG).

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Altenteilsleistungen aufgrund eines  Hofübergabevertrags als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG. Insbesondere ist streitig, ob eine „schlicht vergessene Durchführung“ einer Erhöhung von Baraltenteilsleistungen ab dem 65. Lebensjahr des Altenteilers, die sich aus einer Wertsicherungsklausel ergibt, der Annahme entgegensteht, der Übergabevertrag sei mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen worden. Das FG der ersten Instanz hatte einen Sonderausgabenabzug wegen eines fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien nicht zugelassen.

Der BFH hat entschieden, dass es dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen muss, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde.

Für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich anzuerkennen sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend. Zwar müssen die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung entgegenstehen.

Generationennachfolge-Verbund bei Nacherbschaft
Wiederkehrende Leistungen und Zahlungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem Vorerben zu Gunsten eines zum Generationennachfolge-Verbund gehörenden Nacherben für die Dauer der Vorerbschaft auferlegt und die aus dem übergegangenen Vermögen zu erbringen sind, können dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sein.

BFH v. 16.06.2021, X R 30/20

Hinweis
Gem. § 22 Nr. 1b EStG sind Einkünfte aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG steuerbar, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- und Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind.

Der Kläger war zunächst mit seinem Vater (V) Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. V war an der Grundstücksgemeinschaft zu 75 %, der Kläger zu 25 % beteiligt. V verstarb im Jahr 1989. Alleinerbin wurde die Stiefmutter (S) des Klägers, allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Kläger. V beschwerte S mit dem Vermächtnis, dem Kläger „in der Zeit der Vorerbschaft“ 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen. Der Kläger setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort. Entsprechend der testamentarischen Anordnung bezog er in den Streitjahren von S aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen in den Streitjahren 2014 bis 2016 Zahlungen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses. Nachdem das FA von dem Vermächtnis erstmals im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte, ging es von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen der S für die Streitjahre als sonstige Einkünfte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Der BFH hat entschieden, dass wiederkehrende Leistungen und Zahlungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung einem Vorerben zu Gunsten eines zum Generationennachfolge-Verbund gehörenden Nacherben für die Dauer der Vorerbschaft auferlegt und die aus dem übergegangenen Vermögen zu erbringen sind, dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen sind.

Die Vermächtniszahlungen erfüllen für S die Voraussetzungen eines Sonderausgabenabzugs. Es handelt sich um auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten i. S. v. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG. Die durch letztwillige Verfügung des V zu Gunsten des Klägers angeordneten Zahlungen sind dem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Sonderrechtsinstitut einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zuzuordnen. Unbeachtlich ist, dass die Zahlungen nicht lebenslang, sondern lediglich für die zeitlich ungewisse Dauer der Vorerbschaft bezogen werden sollen. Denn vorliegend wird der Kläger mit dem Eintritt des Nacherbfalls der Eigentümer und Nutzungsberechtigter des Nachlasses, sodass sowohl der Rechtsgrund als auch das Bedürfnis für die vermächtnisweise angeordneten Zahlungen beim Kläger entfallen.

In diesem Fall tritt eine grundlegende Änderung der Versorgungssituation des Klägers ein, da er dann diejenigen Mieteinnahmen, die bisher Gegenstand der Versorgungsleistungen gewesen sind, fortan aus eigenem Recht beziehen wird.
 
 
 

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