Rechtsprechung KW 47 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last
Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten.

Der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen wird mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet.

Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt.

BFH v. 15.07.2021, II R 26/19

Hinweis
Bei einer Schenkung gilt als steuerpflichtiger Erwerb grundsätzlich die Bereicherung des Bedachten (§ 1 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 S. 1 des ErbStG). Gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 1 BewG werden Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt.

Die Klägerin war die Ehefrau des verstorbenen O (Schenker) und ist dessen Gesamtrechtsnachfolgerin. Der Schenker übertrug seinen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG im Wege der Schenkung durch notariellen Vertrag vom 23.12.2004 auf die gemeinsame Tochter (Beschenkte), behielt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Kommanditanteil bis zu seinem Tod vor. Nach seinem Tod war die Beschenkte verpflichtet, an die Klägerin, geboren im Dezember 1937, zu Lasten des Kommanditanteils einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4.000 € zu zahlen. Der Schenker übernahm die Schenkungsteuer. Das FA setzte die Schenkungsteuer gegenüber dem Schenker zuletzt mit Bescheid vom 31.03.2010 fest, in dem die der Klägerin gegenüber bestehende Rentenzahlungsverpflichtung nicht in Ansatz gebracht wurde. Nach dem Tod des Schenkers im Januar 2016 beantragte die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin, die Schenkungsteuerfestsetzung vom 31.03.2010 anzupassen und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd zu berücksichtigen. Bei einem Jahreswert in Höhe von 48.000 € und einem am Todestag des Schenkers aufgrund ihres Lebensalters von 78 Jahren anzusetzenden Vervielfältiger von 8,034 bezifferte sie den zu berücksichtigenden Kapitalwert der Rentenlast mit 385.632 €. Mit Änderungsbescheid vom 16.01.2017 berücksichtigte das FA die Rentenlast jedoch nur mit einem Betrag in Höhe von 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des Schenkers im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) abzuzinsen sei. Dadurch werde der Zinsvorteil abgegolten, den die Beschenkte durch die erst später mit Bedingungseintritt (Tod des Schenkers im Januar 2016) beginnende Belastung mit der Schuld habe. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 04.09.2017 als unbegründet zurück.

Der BFH hat entschieden, dass eine aufschiebend bedingte Last auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten ist. Der Kapitalwert wird mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt.

Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Bedingungseintritt. Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, zu denen auch die Schenkungsteuer gehört, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen. Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 S. 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 S. 2 BewG).

Eine bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten. Zugrunde zu legen ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gem. § 14 Abs. 1 BewG. Die bedingte Last ist für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Die Vorschrift ermöglicht keine Abzinsung im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, die auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung führt. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt.


Steuerbegünstigung für ein Familienheim bei Zuerwerb
Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.

Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert.

BFH v. 06.05.2021, II R 46/19

Hinweis
Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.

Der Kläger ist Alleinerbe seines am ....10.2013 verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlass gehörte eine von V bis zu seinem Tod selbst genutzte Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 1). Der Kläger bewohnt seit ... eine hieran direkt angrenzende Doppelhaushälfte (Doppelhaushälfte 2). Nach dem Abschluss von Renovierungs- und Sanierungsarbeiten nutzt der Kläger seit August 2016 die - nunmehr zu einer Wohnung verbundenen - Doppelhaushälften 1 und 2 selbst. Das FA erließ für den Erwerb des Klägers nach dem Tod von V mehrere Erbschaftsteuerbescheide und lehnte mit Änderungsbescheid vom ...2016 sowie Einspruchsentscheidung vom ...2017 den Antrag des Klägers auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb der Doppelhaushälfte 1 ab.

Der BFH hat zur Steuerbegünstigung für ein Familienheim bei Zuerwerb entschieden. Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.

Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kann auch den Erwerb einer auf einem bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 BewG gelegenen Wohnung umfassen, wenn diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und nach dem Erwerb beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 qm beträgt, ist nicht ausschlaggebend. Die (hinzuerworbene) Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein (Familienheim). Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.

Der Erwerber muss die Wohnung „unverzüglich“, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert. Das FG ist von anderen Maßstäben ausgegangen. Nach seiner Auffassung wäre ein Steuerpflichtiger nur dann berechtigt, die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Anspruch zu nehmen, wenn er bestimmte, beschleunigende und möglicherweise kostenintensivere Maßnahmen zur Renovierung und Schadensbeseitigung ergreift. Dieser Maßstab ist zu streng.
 

1.2.Sonstiges

Umfang der Gewerbesteuerbefreiung für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeeinrichtungen
Die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Bst. c und d GewStG erfasst nur die Gewinne, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden. Übt der Träger der Einrichtung daneben Tätigkeiten aus, die nicht vom Zweck der Steuerprivilegierung gedeckt sind, unterfällt der daraus erzielte Gewinn der Gewerbesteuer.

Die Annahme einer nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Bst. c und d GewStG erfassten Tätigkeit setzt nicht voraus, dass die Tätigkeit die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i. S. des § 14 S. 1 AO erfüllt, den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung verlässt oder besondere organisatorische Vorkehrungen erfordert. Es genügt, dass der Tätigkeit trennbare Erträge zugeordnet werden können.

BFH v. 01.09.2021, III R 20/19

Hinweis
Von der Gewerbsteuer befreit sind gem. § 3 Nr. 20 GewStG Krankenhäuser, Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen sowie Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation, u. a. wenn bei Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen im Erhebungszeitraum mindestens 40 % der Leistungen den in § 61a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder den in § 53 Nr. 2 der Abgabenordnung genannten Personen zugute gekommen sind (Bst. c) oder bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind (Bst. d).

Streitig ist die Reichweite der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Bst. c u. d GewStG für Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime und Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen in den Erhebungszeiträumen 2009 bis 2011. Die Beteiligten streiten sich über die Gewerbesteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 20 Bst. c u. d GewStG im Fall von Gewinnen aus Darlehens- und Provisionsgeschäften.

Der BFH hat entschieden, dass die Gewerbesteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 20 Bst. c u. d GewStG nur die Gewinne, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden, umfasst.
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Bst. c und d GewStG auch für die von ihr erzielten Gewinne aus Darlehens- und Provisionsgeschäften in Anspruch nehmen kann. Von der Gewerbesteuer wird nicht der Träger der in § 3 Nr. 20 Bst. c u. d GewStG benannten Einrichtungen mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr nur die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer.

Der Zweck der Steuerbefreiung liegt darin, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Die Annahme einer nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Bst. c u. d GewStG erfassten Tätigkeit setzt nicht voraus, dass die Tätigkeit die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i. S. d. § 14 S. 1 AO erfüllt, den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung verlässt oder besondere organisatorische Vorkehrungen erfordert. Es genügt, dass der Tätigkeit trennbare Erträge zugeordnet werden können.
 

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