Rechtsprechung KW 44 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Zur allgemeinpolitischen Betätigung im Rahmen eines steuerbegünstigten Zwecks
Der Steuerbegünstigung steht es nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die allgemeinpolitische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks darf aber nicht über das hinausgehen, was das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung erfordert.

BFH v. 18.08.2021, V B 25/21

Hinweis
Eine Körperschaft verfolgt gem. § 52 Abs. 1 S. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. § 52 Abs. 2 AO legt fest, welche Zwecke unter den Voraussetzungen des Abs. 1 als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind. Hierzu gehört gem. § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 u. Nr. 24 AO die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens.

Im Streitfall verfolgte ein Verein nach seiner Satzung die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie die Förderung des allgemeinen demokratischen Staatswesens. Auf seiner Internetseite stellte er insbesondere die Effektivität von Masken zum Schutz vor Viren infrage. Auch veröffentlichte er dort zeitweise ein Dokument, in dem er die Bundesregierung und die Landesregierungen aufforderte, sämtliche in der Corona-Pandemie verhängten Maßnahmen sofort aufzuheben. Gleichzeitig forderte er für den Fall der Weiterführung der Maßnahmen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und wies in dem Dokument auf das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes hin. Ein Vorstandsmitglied des Vereins sprach im Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen in der Corona-Pandemie über die mögliche Abhängigkeit von Politikern von anderen Mächten.

Der BFH hat entschieden, dass bei einem eingetragenen Verein die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Öffentlichkeit nicht über das hinausgehen darf, was im Rahmen der Verfolgung steuerlich begünstigter Zwecke erforderlich ist.

Der BFH hat klargestellt, dass derartige Betätigungen die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit des Vereins verhindern. Zwar gehört zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens auch die Information der Bevölkerung über die Verhinderung und Bekämpfung von Krankheiten. Der Inhalt der Informationen kann grundsätzlich auch dem widersprechen, was den Parlamenten oder Regierungen als Grundlage ihrer Entscheidungen dient. Der Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht oder die Behauptung einer Abhängigkeit von Politikern von anderen Mächten hängen nach Auffassung des BFH aber nicht mit einer Information der Bevölkerung zum öffentlichen Gesundheitswesen zusammen. Dies geht über das hinaus, was zur gemeinnützigen Förderung dieses Zwecks zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Eine Gemeinnützigkeit wegen der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens lehnte der BFH ebenfalls ab. Dafür muss sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befassen und diese in geistiger Offenheit objektiv und neutral würdigen. Dies hat der Verein jedoch nicht getan.
 

1.2.Einkommensteuer

Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen des § 7g Abs. 4 S. 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG in Fällen der Betriebsaufgabe
Für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen des § 7g Abs. 4 S. 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG genügt es in Fällen, in denen der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts aufgegeben wird, wenn das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kalenderjahr bzw. einen vollen Zwölf-Monats-Zeitraum nach dem Wirtschaftsjahr seiner Anschaffung oder Herstellung, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (gegen BMF-Schreiben vom 20.11.2013, BStBl. I 2013, 1493, Rz 36, 37, 58).

Wenn das FG die Berechnung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem FA übertragen will, muss es über die Klage in einem Umfang entscheiden, dass dem FA nur noch die Berechnung des Betrags überlassen bleibt. Dies bedeutet zum einen, dass im Rahmen der Berechnung keine offene Rechtsfrage mehr verbleiben darf. Zum anderen muss das Gericht dem FA eine eindeutige Berechnungsanweisung vorgeben; die für die Berechnung erforderlichen Angaben müssen entweder im Urteil enthalten sein oder es müssen Zahlenangaben in den Akten durch eine konkrete Bezugnahme in das Urteil einbezogen sein.

§ 100 Abs. 2 S. 2 FGO verlangt, dass die Berechnung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Einfache Berechnungen hat das FG daher selbst vorzunehmen.

BFH v. 28.07.2021, X R 30/19

Hinweis
Nach § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG können die in § 7g Abs. 5 EStG vorgesehenen Sonderabschreibungen - neben weiteren Voraussetzungen - nur in Anspruch genommen werden, wenn das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauffolgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2014 ein gewerbliches Einzelunternehmen, dessen Gewinn sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. Der Gewinn wurde gesondert festgestellt, weil die Klägerin in einem anderen Bundesland wohnte. In ihrer Gewinnermittlung für 2012 hatte sie einen Investitionsabzugsbetrag von 14.400 € als Betriebsausgabe abgezogen. Dabei handelte es sich um 40 % der - mit 36.000 € angegebenen - voraussichtlichen Anschaffungskosten eines PKW. Die Klägerin wurde insoweit zunächst erklärungsgemäß veranlagt. Im Mai 2014 erwarb die Klägerin den PKW mit Anschaffungskosten von 33.334,03 €. Am 15.07.2015 gab sie ihren Betrieb auf. Das FA vertrat daraufhin die Auffassung, der Investitionsabzugsbetrag sei gemäß § 7g Abs. 4 S. 1 EStG rückwirkend rückgängig zu machen, weil der Betrieb vor dem Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres aufgegeben worden sei.

Der BFH hat entschieden, dass es für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen des § 7g Abs. 4 S. 1, Abs. 6 Nr. 2 EStG in Fällen der Betriebsaufgabe ausreichend ist, wenn das Wirtschaftsgut lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Das FG hat allein auf § 7g Abs. 4 S. 1 EStG abgestellt. Dies ist unzutreffend, weil die vom FG angenommene fehlende Anwendbarkeit dieser Norm im Streitjahr 2014 keine günstige Auswirkung auf den steuerlichen Gewinn der Klägerin haben könnte. Maßgebend für die im Streitjahr 2014 angestrebte, günstige Gewinnauswirkung ist vielmehr allein die Norm des § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG.

Diese stimmt allerdings im hier entscheidungserheblichen Punkt mit § 7g Abs. 4 S. 1 EStG überein, so dass allein dieser Rechtsfehler des FG nicht zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils führt. Trotz des im Wortlaut des § 8b S. 2 EStDV verwendeten Begriffs „darf“ hat die Rechtsprechung die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres in den dort genannten Fällen als zwingend angesehen (vgl. zur unentgeltlichen Betriebsübergabe BFH), der durch § 8b EStDV verwendete Begriff des Wirtschaftsjahres ist auch im Rahmen des § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG maßgebend. Die durch § 8b EStDV ergänzten Definitionen des § 4a EStG stehen im selben Abschnitt des EStG wie § 7g EStG. Es gibt daher, anders als das FA meint, nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der gesetzlich definierte Begriff des „Wirtschaftsjahres“ innerhalb der durch eine amtliche Überschrift gebildeten und zusammengefassten Normgruppe der §§ 4 bis 7i EStG mit unterschiedlichen Inhalten zu füllen sein könnte.
 

1.3.Sonstiges

Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG durch Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten
Unter einem „Anteil“ i. S. des § 6 Abs. 5 S. 5 und 6 EStG ist die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven zu verstehen.

Die Formulierung „aus einem anderen Grund“ i. S. des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfasst jeden Vorgang, der - zeitlich der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG folgend - zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Begründung oder Erhöhung des Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts am übertragenen Wirtschaftsgut führt.

Wird bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft innerhalb der Sperrfrist eine Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft formgewechselt und hierdurch ein mittelbarer Anteil dieser Kapitalgesellschaft an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut begründet, führt dies zu einem Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG. Eine teleologische Reduktion des Satzes 6 kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Formwechsels an der Oberpersonengesellschaft (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer vermögensmäßig beteiligt sind, die bereits an dem nach Satz 3 übertragenen Betriebsgrundstück (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt waren.

Verringert sich der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Formwechsel (Sperrfristverstoß), bestimmt sich der Umfang des Teilwertansatzes nach Satz 6 nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung nach Satz 3.

BFH v. 15.07.2021, IV R 36/18

Hinweis
Nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ist der Teilwert ebenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung anzusetzen, soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts nach Satz 3 der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG gegeben ist, wenn im Rahmen einer mehrstöckigen Personengesellschaft eine an dem übertragenen Wirtschaftsgut mittelbar beteiligte Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird.


Der BFH hat entschieden, dass ein Sperrfristverstoß gem. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG vorliegt, wenn bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft eine an dem übertragenen Wirtschaftsgut mittelbar beteiligte Oberpersonengesellschaften zu Buchwerten formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird.

Unter einem „Anteil“ i.S. des § 6 Abs. 5 S. 5 u. 6 EStG ist die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven zu verstehen. Die Formulierung „aus einem anderen Grund“ i. S. d. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfasst jeden Vorgang, der zeitlich der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG folgend zur (unmittelbaren oder mittelbaren) Begründung oder Erhöhung des Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts am übertragenen Wirtschaftsgut führt. Eine teleologische Reduktion des Satzes 6 kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Formwechsels an der Oberpersonengesellschaft (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer vermögensmäßig beteiligt sind, die bereits an dem nach Satz 3 übertragenen Betriebsgrundstück (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt waren. Verringert sich der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Formwechsel (Sperrfristverstoß), bestimmt sich der Umfang des Teilwertansatzes nach Satz 6 nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung nach Satz 3.
 

1.4.Körperschaftsteuer

Überhöhte Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens als vGA
Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen.

Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.

BFH v. 18.05.2021, I R 62/07

Hinweis
Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG i. V. mit § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht.

Die Klägerin, eine inländische GmbH, erwarb im Jahr 2012 (Streitjahr) von T sämtliche Anteile an der T-GmbH. Jene GmbH wurde sodann auf die Klägerin verschmolzen (steuerlicher Übertragungsstichtag: 31.12.2011). Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin im Streitjahr bei ihrer Alleingesellschafterin, der D-GmbH, ein Darlehen auf, das mit 8 % p.a. verzinst wurde (Gesellschafterdarlehen). Die Zinsen waren nicht laufend, sondern erst mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Sicherheiten waren keine vereinbart. Die D-GmbH nahm ihrerseits Fremdmittel in gleicher Höhe und unter identischen Konditionen von ihren Gesellschaftern auf. Daneben erhielt die Klägerin ein Bankdarlehen, das mit durchschnittlich 4,78 % p.a. verzinst wurde und vollumfänglich - auch von der D-GmbH - besichert war. Schließlich erhielt sie vom Verkäufer T ein Verkäuferdarlehen, das mit 10 % p.a. verzinst wurde und nicht besichert war. Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin, insbesondere gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten, nachrangig.

In ihrer Bilanz zum 31.12.2012 erfasste die Klägerin im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehen eine Zinsverbindlichkeit. Das FA legte dem angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens die Auffassung zugrunde, dass fremde Dritte einen Zinssatz von 5 % vereinbart hätten. In Höhe der Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vor.

Der BFH hat entschieden, dass bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegensteht.

Die angegriffene FG-Entscheidung genügt den Rechtsgrundsätzen zur Anwendung des Fremdvergleichs nicht. Dessen Schlussfolgerung, dass ein fremder Dritter das streitige Darlehen (Gesellschafterdarlehen, Zinssatz 8 %) zu einem Zinssatz von lediglich 5 % gewährt haben würde, ist rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Soweit das FG darauf abstellt, dass der mit dem Bankenkonsortium vereinbarte durchschnittliche Zinssatz von 4,78 % den Maßstab auch für das streitige Darlehen bilde, übersieht es, dass sich der gedachte und gewissenhafte Geschäftsleiter daran nicht ohne Weiteres orientiert haben würde. Denn die Kredite des Bankenkonsortiums waren besichert und vorrangig zu bedienen. Das streitige Darlehen war hingegen unbesichert und nachrangig. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen. Der Hinweis des FG auf die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO i. d. F. v. 23.10.2008), die durch die Gestellung von Sicherheiten nicht ausgehebelt werden und folglich auch keinen Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe rechtfertigen könne, ist für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich. Bei diesem Vergleich ist das „Nahestehen“ hinwegzudenken. Dann wäre aber ein Darlehensgeber gerade kein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter und seine Forderung würde keiner gesetzlichen Rangminderung im Insolvenzfall unterliegen. Entschlösse sich dagegen der fremde Dritte im Verhandlungswege, „freiwillig“ den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers zu akzeptieren, würde er mutmaßlich vom Darlehensnehmer eine finanzielle Kompensation für die Hinnahme dieses Nachteils verlangen. Dass das Vermögen der Klägerin über eine ausreichende Substanz verfügte und damit der D-GmbH als Kreditgeberin eine hinreichende Sicherheit für die Darlehensrückzahlung bot, sodass keine Notwendigkeit für einen Risikozuschlag im Zinssatz bestanden habe, wie das FG ausführt, entspricht ebenfalls nicht dem mutmaßlichen Denken eines fremden Dritten. Dieser würde bei der Festlegung der Kreditbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem dessen zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in den Blick nehmen. Da er indes die wirtschaftliche Zukunft seines Schuldners allenfalls prognostizieren könnte, liegt es nahe, dass er bei gegebener Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlende Sicherheiten) einen höheren „Preis“ für die Überlassung des Kapitals fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger.
 

1.5.Internationales Steuerrecht

Teilwertzuschreibung von Fremdwährungsverbindlichkeiten bei fundamentaler Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten
Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.

Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.

Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d. h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.

BFH v. 10.06.2021, IV R 18/18

Hinweis
Verzinsliche Verbindlichkeiten sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Hs. 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr. 2 anzusetzen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Die Anschaffungskosten bestimmen sich bei einer in fremder Währung aufgenommenen Darlehensverbindlichkeit nach dem im Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens bestehenden Wechselkurs in €. Allerdings kann gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG in bestimmten Fällen an Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Teilwert angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG).

Mit Vertrag vom 07.10.2008 nahm die Klägerin, eine GmbH, bei einer Bank ein (zunächst tilgungsfreies) Darlehen über 3.480.000 CHF als Festdarlehen mit dem Rückzahlungszeitpunkt 30.09.2023 auf. Ferner wurde vereinbart, dass die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Darlehens aus einem (anzusparenden) Wertpapierdepot erfolgt. Die Klägerin passivierte das Darlehen in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 zunächst als Verbindlichkeit mit 2.237.942,12 € (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,555 CHF pro €). In der Folgezeit stieg der Wechselkurs des CHF zum € stark an. Aufgrund dieser (für sie nachteiligen) Kursentwicklung nahm die Klägerin in ihrer Bilanz zum Bilanzstichtag 31.12.2010 für die Verbindlichkeit eine Teilwertzuschreibung auf 2.779.893,60 € vor (gerundeter Wechselkurs rechnerisch: 1,25185 CHF pro €). Die Differenz zum Vorjahresbetrag (541.951 €) erfasste sie gewinnmindernd als Aufwand. Die Beteiligten streiten darüber, ob in den Streitjahren (2010 und 2011) Teilwertzuschreibungen auf ein auf CHF lautendes Fremdwährungsdarlehen zu einer Einkommensminderung führen.

Der BFH hat entschieden, dass der höhere Ansatz einer Verbindlichkeit aus einem Fremdwährungsdarlehen (sog. Teilwertzuschreibung) dann zulässig ist, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen in einer Steuerbilanz Verbindlichkeiten, die in einer anderen Währung als dem Euro zu erfüllen sind, nur dann mit einem höheren Wert als dem Wert im Zeitpunkt ihrer Begründung ausgewiesen werden, wenn die zum jeweiligen Bilanzstichtag aufgetretenen Änderungen des Wechselkurses voraussichtlich dauerhaft sind. Daran fehlt es regelmäßig bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten. Denn bei ihnen kann grundsätzlich angenommen werden, dass sich die Wertunterschiede bis zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung wieder ausgeglichen haben werden. Der BFH entschied nun, dass eine voraussichtlich dauernde Wertänderung, die zur Teilwertzuschreibung einer Fremdwährungsverbindlichkeit berechtigt, angenommen werden kann, wenn sich die Währungsdaten zwischen dem Euro-Währungsraum und der Fremdwährung - hier dem Schweizer Franken - so fundamental ändern, wie dies zum Bilanzstichtag 31.12.2010 wegen der europäischen Staatsschuldenkrise der Fall war.
 

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