Rechtsprechung KW 32 - 2021

 

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer
Ist ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet, ist für die Besteuerung der nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert maßgeblich.

Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes Grundstück ist. Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder - bei mehreren - den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen.

Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.

BFH v. 06.05.2021, II R 34/18

Hinweis
Nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Die Entscheidung über die Bedeutung für die Besteuerung trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder die Feststellung nach S. 1 Nr. 2 bis 4 zuständige Finanzamt (§ 151 Abs. 1 S. 2 BewG). Nach § 154 Abs. 1 S. 1 BewG sind am Feststellungsverfahren beteiligt diejenigen, denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist (Nr. 1), diejenigen, die das Finanzamt zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (Nr. 2), und diejenigen, die eine Steuer als Schuldner oder Gesamtschuldner schulden und für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist (Nr. 3).

Der 2012 verstorbene Erblasser setzte den Bruder des Klägers zu seinem Alleinerben ein und bestimmte diesen zugleich zum Testamentsvollstrecker. Für den Kläger und dessen beide Schwestern setzte der Erblasser Vermächtnisse aus. U. a. sollte ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen. Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer ist streitig, ob ein Feststellungsbescheid, dessen Inhaltsadressat nur einer von mehreren Vermächtnisnehmern ist, mangels inhaltlicher Bestimmtheit nichtig i. S. von § 125 Abs. 1 AO ist. Weiterhin, ob gegenüber einem Vermächtnisnehmer ein eigenständiger Feststellungsbescheid zu erlassen ist.

Der BFH hat entschieden, dass Vermächtnisnehmer wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt sind, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes Grundstück ist.

Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück ist. Dies folgt aus § 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BewG, denn die Vermächtnisnehmer schulden nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Erbschaftsteuer, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist. Die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG ist für die Besteuerung des Vermächtnisnehmers von Bedeutung, denn der festgestellte Grundbesitzwert ist bei der Besteuerung dessen Erwerbs durch Vermächtnis zugrunde zu legen. Der Umstand, dass der Vermächtnisanfall einen anderen Erwerbsvorgang bildet, ist unerheblich. Vermächtnisnehmer sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG). Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder - bei mehreren - den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen.

Die Beteiligung der Vermächtnisnehmer nach § 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BewG spricht gerade gegen eine solche gesonderte Feststellung allein gegenüber den Vermächtnisnehmern. Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.
 

1.2.Einkommensteuer

Grundstücksentnahme bei Bestellung von Erbbaurechten
Die Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten führt zur Entnahme der Grundstücke, falls die endgültige Nutzungsänderung mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft.

Ist die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überschritten, kommt es für das Vorliegen einer Entnahme regelmäßig nicht auf einen Vergleich der Erträge aus der Vermögensverwaltung und der Land- und Forstwirtschaft oder auf die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien an.

BFH v. 31.03.2021, VI R 30/18

Hinweis
Nach der Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige im Fall der Verpachtung seines Betriebs ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Wirtschaftsgüter seines Betriebs unter Auflösung der stillen Reserven in sein Privatvermögen überführen oder (ob und wie lange er) das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen und daraus betriebliche Einkünfte erzielen will.

Streitig ist, ob die Bestellung von Erbbaurechten und die Bebauung mit Wohnhäusern zur zwangsweisen Entnahme landwirtschaftlichen Betriebsvermögens führt.

Der BFH hat entschieden, dass die Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten zu einer Entnahme des Grundstücks führt, falls die endgültige Nutzungsänderung mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft.

Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens verlieren diese Eigenschaft nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Durch eine bloße Nutzungsänderung ohne Entnahmeerklärung verlieren ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke nach ständiger Rechtsprechung des BFH ihre Eigenschaft als landwirtschaftliches Betriebsvermögen nur, wenn eine eindeutige Entnahmehandlung vorliegt. Bei entgeltlich zur Nutzung überlassenen Grundstücken, die zum notwendigen Betriebsvermögen eines Verpachtungsbetriebs gehören, ist das Vorliegen von Betriebsvermögen auch dann nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich ist. Solche Grundstücke bleiben bis zu einer Entnahme (geduldetes – gewillkürtes -) Betriebsvermögen, sofern nicht die Nutzungsänderung einen Umfang annimmt, durch den sich der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs derart verändert, dass die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt. Als unschädlich hat der BFH hiernach insbesondere die Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten und die anschließende Bebauung durch die Erbbauberechtigten mit privaten Wohnhäusern angesehen, wenn die endgültige Nutzungsänderung einen Umfang von nicht mehr als 10 % der landwirtschaftlichen Flächen betraf, auch wenn die Erträge aus der Vermögensverwaltung die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte überwogen. Der Umstand, dass die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % im Streitfall nur geringfügig überschritten ist, führt aus Gründen der Rechtsklarheit und aus Vereinfachungsgründen zu keinem anderen Ergebnis.


Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz bei finanziellem Aufwand von ca. 40 €
§ 5b Abs. 1 EStG ist verfassungsgemäß.

Eine „unbillige Härte“ i. S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S. des § 150 Abs. 8 S. 2 Hs. 1 AO vor.

Ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ist auch für einen „Kleinstbetrieb“ nicht (wirtschaftlich) unzumutbar.

BFH v. 21.04.2021, XI R 29/20

Hinweis
Wird der Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermittelt, so ist nach § 5b Abs. 1 S. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1, § 31 Abs. 1 S. 1 KStG der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Nach § 5b Abs. 2 EStG kann auf Antrag die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; § 150 Abs. 8 AO gilt entsprechend.

Streitig ist, ob es einer UG persönlich und wirtschaftlich zumutbar ist, die Steuerbilanz in elektronischer Form abzugeben, wenn ihr Geschäftsführer über keinerlei steuerliche Kenntnisse verfügt und die UG Verluste erzielt bzw. lediglich niedrige Gewinne erwirtschaftet.
Der BFH hat entschieden, dass eine unbillige Härte i. S. d. § 5b Abs. 2 EStG nicht bereits deshalb vorliegt, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind.

Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin persönlich i. S. d. § 150 Abs. 8 S. 2 Alt. 2 AO unzumutbar wäre, die E-Bilanz einzureichen, liegen nach den Feststellungen des FG nicht vor.

Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist ebenfalls nicht gegeben. Zwar ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein „nicht unerheblicher finanzieller Aufwand“ i. S. d. § 150 Abs. 8 AO, § 5b Abs. 2 EStG vorliegt. Jedoch liegt eine „unbillige Härte“ i. S. d. § 5b Abs. 2 EStG nicht schon dann vor, wenn die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i. S. d. § 150 Abs. 8 S. 2 Hs. 1 AO vor. Ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ist auch für einen „Kleinstbetrieb“ nicht (wirtschaftlich) unzumutbar.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Sonstiges

Gesellschafterwechsel in doppelt- und mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen
Das BMF hat die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zum Gesellschafterwechsel in doppelt- und mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen und deren Auswirkungen auf Fehlbeträge nach § 10a GewStG veröffentlicht.

Gleich lautende Erlasse v. 11.08.2021

Gem. § 10a S. 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind.

Mit Urteil v. 24.04.2014, IV R 34/10, BStBl. 2017 II S. 233 hat der BFH zur Nutzung des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags bei Beteiligung eines Kommanditisten als atypisch stillem Gesellschafter der KG entschieden.
  • Bringt eine Personengesellschaft ihren Gewerbebetrieb in eine andere Personengesellschaft ein, können vortragsfähige Gewerbeverluste bei fortbestehender Unternehmens­identität mit dem Teil des Gewerbeertrags der Untergesellschaft verrechnet werden, der auf die Obergesellschaft entfällt. Mit dem auf andere Gesellschafter der Untergesellschaft entfallenden Teil des Gewerbeertrags können Verluste aus der Zeit vor der Einbringung auch dann nicht verrechnet werden, wenn ein Gesellschafter der Obergesellschaft zugleich Gesellschafter der Untergesellschaft ist.
  • Beteiligt sich ein Kommanditist später auch als atypisch stiller Gesellschafter an der KG, ist dies ertragsteuerlich als Einbringung des Betriebs der KG in die atypisch stille Gesellschaft mit der Folge zu werten, dass eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft entsteht.
Nach dem Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze des Urteils zur mittelbaren Gesellschafterstellung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. An der bisherigen Verwaltungsauffassung, nach der es zur Frage des Vorliegens der Unternehmeridentität stets und ausschließlich auf eine unmittelbare Gesellschafterstellung ankommt, wird uneingeschränkt festgehalten.

Neueste Einträge