Rechtsprechung KW 31 - 2021

 

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Ausübung des Wahlrechts nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG durch ausländische Personengesellschaft - Sperrwirkung bei Buchführungs- und Bilanzierungspflicht nach ausländischem Recht
Die als Mitunternehmerschaft anzusehende ausländische Personengesellschaft wird für Zwecke der Ermittlung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte als „fiktive“ Normadressatin des § 4 Abs. 3 S. 1 EStG behandelt; ein danach ggf. bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht ist von ihr selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben.

In diesem Fall ist das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG ausgeschlossen, wenn nach ausländischen gesetzlichen Vorschriften eine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht besteht.

Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt nicht voraus, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.

BFH v. 20.04.2021, IV R 3/20

Hinweis
Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen (§ 140 AO). Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs. 3 S. 1 EStG).

Im Streitfall waren die Kläger an der luxemburgischen C  S.à.r.l. & Cie („C“) beteiligt. Die C war nach luxemburgischem Aufsichtsrecht verpflichtet, jährlich eine Bilanz zu erstellen. Sie ist dieser Verpflichtung in den Streitjahren nachgekommen. Daneben erstellte die C für die Besteuerung der Gesellschafter im Inland Einnahmen-Überschussrechnungen. Strittig war, ob eine Bilanzierungspflicht nach ausländischem Recht bzw. die demgemäß tatsächlich erstellte ausländische Bilanz Sperrwirkung hinsichtlich des Gewinnermittlungswahlrechts nach § 4 Abs. 3 EStG entfaltet, mit der Folge, dass die Einkünfte aus dem von der inzwischen gelöschten Personengesellschaft luxemburgischen Rechts betriebenen Goldhandel nicht durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt werden dürfen.

Der BFH hat entschieden, dass das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG ausgeschlossen ist, wenn nach ausländischen gesetzlichen Vorschriften eine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht besteht.

Das Gewinnermittlungswahlrecht steht nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG nur solchen Steuerpflichtigen (Gewinnermittlungssubjekten) zu, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen. Das Bestehen einer gesetzlichen Buchführungs- und Abschlusspflicht sperrt daher die Möglichkeit der Einnahmen-Überschuss­rechnung. Derartige Pflichten können sich aus außersteuerrechtlichen (vgl. § 140 AO) und steuerrechtlichen Vorschriften (§ 141 AO) ergeben. Die wichtigsten außersteuerrechtlichen Buchführungs- und Abschlusspflichten normieren die §§ 238 ff. des HGB. Nach Auffassung des BFH sind aber in der im Streitfall vorliegenden Fallkonstellation auch ausländische gesetzliche Vorschriften, die eine Buchführungs- und Abschlusspflicht begründen, im Grundsatz geeignet, das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. S. 1 EStG auszuschließen. Denn auch solche Vorschriften sind „gesetzliche Vorschriften“ im Sinne dieser Norm.


Voraussetzungen des Verbots des Abzugs von sog. Bestechungsgeldern nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG i. V. m. § 299 Abs. 2 und Abs. 3 StGB
Soweit die Zuwendung von Vorteilen sowie die damit zusammenhängenden Aufwendungen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG den Gewinn nicht mindern dürfen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, muss auch der subjektive Tatbestand des Strafgesetzes erfüllt sein.

BFH v. 15.04.2021, IV R 25/18

Hinweis
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG dürfen die folgenden Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern: die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Die Klägerin stellte ihren Abnehmern höhere Preise als die tatsächlich vereinbarten in Rechnung (sog. Überfakturierungen), wobei die Abnehmer die höheren Beträge auch tatsächlich beglichen. In Höhe der Mehrbeträge leistete die GmbH Provisionszahlungen an die wirtschaftlich nicht mehr aktive Firma G als angebliche Handelsvertreterin. Die Provisionen bezogen sich dabei auf Vermittlungsleistungen, die tatsächlich nicht erbracht wurden. Die Gelder sollen von dort aus an die betreffenden ausländischen Abnehmer weitergeleitet worden sein. Die BP stützte eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs auf § 160 Abs. 1 S. 1 AO, hielt aber auch ein Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG i. V. m. § 299 Abs. 2 und Abs. 3 StGB für möglich, weil es sich bei den Zahlungen ins Ausland um sog. „Bestechungsgelder“ gehandelt habe. FA und FG stützten ein Abzugsverbot auf die einkommensteuerliche Vorschrift, wobei das FG der Auffassung war, dass die abstrakte Strafbarkeit nach § 299 Abs. 2 und Abs. 3 StGB unabhängig vom Verschulden des Zuwendenden genüge. Es sei allein auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands abzustellen, um den Gesetzeszweck der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durchzusetzen.

Der BFH hat entschieden, dass für das Abzugsverbot gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG i. V. m. § 299 Abs. 2 u. 3 StGB auch der subjektive Tatbestand des Strafgesetzes erfüllt sein muss.

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 mit dem Ziel neu gefasst, das darin schon zuvor formulierte Abzugsverbot zur wirksameren Bekämpfung von Korruption unabhängig von der Ahndung einer Bestechungshandlung auszugestalten. Es genügt seither (auch in den Streitjahren) eine rechtswidrige Tat i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Weil nach § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich fahrlässiges Handeln mit Strafe bedroht, muss allerdings - anders als das FG meint - auch der subjektive Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt sein.
 

1.2.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims
Sollte als Grundstück des Familienheimerwerbs die wirtschaftliche Einheit im Sinne des BewG zu verstehen sein und erlässt das Belegenheitsfinanzamt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, ist diese Feststellung bindend und kann im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden.

BFH v. 23.02.2021, II R 29/19

Hinweis
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 - 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt, steuerfrei.

Die Erblasserin hatte bis zu ihrem Tod in einer Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus gewohnt. Die Klägerin nutzte die Eigentumswohnung nach dem Tod der Erblasserin zu eigenen Wohnzwecken. Das Haus stand auf Grundstück 1, das sich im hälftigen Miteigentum der Erblasserin befunden hatte. Neben diesem Grundstück lag - unmittelbar angrenzend - ein weiteres, jedoch unbebautes Grundstück (Grundstück 2), dessen Alleineigentümerin die Erblasserin gewesen war und das im Wege der Erbfolge ebenfalls auf die Klägerin überging. In der Erbschaftsteuererklärung deklarierte die Klägerin u. a. den Erwerb der Grundstücke 1 und 2 mit einer verdichteten Wertangabe. Sie machte die Steuerbefreiung für den Familienheimerwerb von Todes wegen durch Kinder in vollem Umfang dieses (erklärten) Grundstückswerts geltend. Das für die Bewertung des Grundbesitzes zuständige Belegenheitsfinanzamt stellte die Werte des Grundstücks 1 und Grundstücks 2 als jeweils eigene wirtschaftliche Einheit fest. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gewährte das FA nur für das Grundstück 1. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, bei den Grundstücken 1 und 2 handele es sich um eine wirtschaftliche Einheit, für die insgesamt der Freibetrag zu gewähren sei.

Der BFH hat entscheiden, dass die Feststellung des Belegenheitsfinanzamts über die wirtschaftliche Einheit i. S. d. BewG bindenden ist und im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden kann.

Nach § 12 Abs. 3 ErbStG i. V. m. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 157 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BewG sind für Zwecke der Erbschaftsteuer für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen (§ 179 AO). Die Feststellungen treffen die zuständigen Belegenheitsfinanzämter (§ 152 Nr. 1 BewG). Diese sind zwar nicht zur Entscheidung darüber befugt, ob eine Steuerbefreiung, z. B. nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, zu gewähren ist. Ihnen obliegt neben der Wertfeststellung aber auch die verbindliche Feststellung über die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BewG). Diese Entscheidung kann daher gemäß § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO nur durch Anfechtung des Wertfeststellungsbescheids angegriffen werden.

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