Rechtsprechung KW 25 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Zur Annahme von Sonderbetriebseinnahmen bei Stipendiengewährung an die Mitunternehmer einer GbR
Das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium ist als Sonderbetriebseinnahme i. S. des. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 S. 2 EStG zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.

Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert das FA nicht daran, Stipendienzahlungen, die es bei der Einkommensteuerveranlagung eines Mitunternehmers (rechtsirrig) als steuerfreie Einnahmen i. S. des § 3 Nr. 44 EStG angesehen hat, später in einem gemäß § 181 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 173 Abs. 1 AO geänderten Feststellungsbescheid als Sonderbetriebseinnahmen des Mitunternehmers zu erfassen.

BFH v. 25.03.2021, VIII R 47/18

Hinweis:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind gem. § 15 As. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.

Die Kläger waren jeweils zur Hälfte an einer GbR beteiligt. Die GbR, die sich mit Softwareentwicklung befasste, ermittelte ihren Gewinn im Streitjahr durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die Kläger hatten Stipendiatenverträge mit einer Universität abschlossen. Danach erhielten die Gesellschafter Mittel aus dem Programm „Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)“ zur Realisierung eines Gründungsvorhabens im Bereich der Softwareentwicklung. Nach dem jeweiligen Stipendiatenvertrag sollte das Stipendium den Gesellschaftern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung ihrer Gründungsidee zu widmen. Es war weder als Vergütung noch als Arbeitsentgelt ausgestaltet, sondern diente vielmehr allein der Sicherung des Lebensunterhalts und einer angemessenen Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit des Existenzgründers während der Phase der Weiterverfolgung und Realisierung der Gründungsidee. In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Streitjahr wurden die an die Kläger erfolgten Stipendienzahlungen nicht angegeben. Dementsprechend waren die Zahlungen in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr nicht berücksichtigt worden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Allerdings erklärten die Kläger die Einkünfte aus den Stipendien in ihren Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr. Das zuständige FA behandelte die Stipendienzahlungen in den Einkommensteuerbescheiden als steuerfreie Einnahme. In einer aus Anlass der Betriebsaufgabe bei der GbR durch das FA durchgeführten Außenprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, die Stipendien seien als Sonderbetriebseinnahmen der Kläger zu erfassen.

Der BFH hat entschieden, dass das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium als Sonderbetriebseinnahmen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 18 Abs. 4 S. 2 EStG zu erfassen ist, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.

Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass die streitigen Stipendienzahlungen keine Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darstellen, weil die Universität als Stipendiengeberin nicht im Sinne der Rechtsprechung des BFH in einen Leistungsaustausch zwischen den Klägern einerseits und der GbR andererseits eingeschaltet war.

Es hat jedoch unter Anwendung eines unzutreffenden rechtlichen Maßstabes angenommen, die Stipendienzahlungen könnten mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch keine (sonstigen) Sonderbetriebseinnahmen i. S. d. § 18 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein. Das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium ist als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. Stipendien dienen regelmäßig dazu, den Geförderten bei der Umsetzung eines bestimmten Forschungs-, Ausbildungs- oder Gründungsvorhabens finanziell zu unterstützen. Sie steigern - auch soweit hiervon der Lebensunterhalt bestritten wird - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Bedient sich der so Geförderte als Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft, um das geförderte Vorhaben voranzutreiben, ist die Stipendienzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Mangels hinreichender Feststellungen des FG kann nicht entschieden werden, ob die Stipendienzahlungen als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren sind. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die tatsächlichen Umstände der Umsetzung des geförderten Gründungsvorhabens durch die Kläger näher aufzuklären haben. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung des Feststellungsbescheides nicht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert das FA nicht daran, Stipendienzahlungen, die es bei der Einkommensteuerveranlagung eines Mitunternehmers (rechtsirrig) als steuerfreie Einnahmen i. S. d. § 3 Nr. 44 EStG angesehen hat, später in einem gem. § 181 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 173 Abs. 1 AO geänderten Feststellungsbescheid als Sonderbetriebseinnahmen des Mitunternehmers zu erfassen.


Berücksichtigung von zeitraumbezogenen Zuzahlungen des Arbeitnehmers für ein ihm auch zur Privatnutzung überlassenes betriebliches Kfz
Zeitraumbezogene (Einmal-)Zahlungen des Arbeitnehmers für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz sind bei der Bemessung des geldwerten Vorteils (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und vorteilsmindernd zu berücksichtigen.

Dies gilt auch bei zeitraumbezogenen Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur Privatnutzung überlassenen betrieblichen Kfz (entgegen R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 S. 2 und 3 LStR und BMF-Schreiben vom 04.04.2018 - IV C 5-S 2334/18/10001, BStBl. I 2018, 592).

BFH v. 16.12.2020, VI R 19/18

Hinweis:
Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 entsprechend (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG).

Der Kläger war Rentner. Im Streitjahr 2015 arbeitete er als geringfügig Beschäftigter bei der GmbH seines Sohnes. Ihm wurde ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt, den er auch privat nutzen durfte. Für die Anschaffung des Kfz im Jahr 2010 leistete der Kläger, wie im Kfz-Überlassungsvertrag vereinbart, eine einmalige Zuzahlung in Höhe von 20.000 €. Die Zahlung erfolgte für einen Nutzungszeitraum von 96 Monaten. Vereinbart war eine anteilige Erstattung der Zuzahlung, sofern das Fahrzeug vorzeitig zurückgegeben, veräußert oder getauscht werden sollte.

Das FA berechnete für die Privatnutzung des Fahrzeugs einen jährlichen geldwerten Vorteil i. H. v. 6.876 € (1 % vom Bruttolistenpreis i. H. v. 57.322 € x 12). Die Zuzahlung des Klägers zu den Anschaffungskosten des PKW berücksichtigte das FA nicht anteilig auf die Dauer der Nutzungsüberlassung des PKW verteilt. Nach R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 S. 3 LStR sei der nach Anrechnung im Zahlungsjahr 2010 verbleibende Zuzahlungsbetrag in den darauffolgenden Kalenderjahren auf den Privatnutzungswert für das Kfz anzurechnen. Der Kläger vertrat dagegen die Auffassung, dass er ausweislich der Kfz-Überlassungsvereinbarung die Zuzahlung in Höhe von 20.000 € für eine Nutzungsdauer von 96 Monaten geleistet habe. Dies entspreche einem monatlichen Zuzahlungsbetrag i. H. v. 208 €.

Folglich habe die GmbH den Bruttoarbeitslohn, bei dem der monatliche geldwerte Vorteil um die Zuzahlung gemindert worden sei, zutreffend berechnet und ordnungsgemäß pauschal lohnversteuert.

Der BFH hat entschieden, dass zeitraumbezogene Zahlungen des Arbeitnehmers für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz bei der Bemessung des geldwerten Vorteils auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und vorteilsmindernd zu berücksichtigen sind.

Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung zu privaten Fahrten eines betrieblichen Kfz ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. (Einmal-)Zahlungen, die der Arbeitnehmer für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz, vereinbarungsgemäß zeitraumbezogen leistet, sind bei der Bemessung des geldwerten Vorteils (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) auf den Zeitraum, für den sie geleistet werden, gleichmäßig zu verteilen und monatlich vorteilsmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 S. 2 u. 3 LStR und dem BMF-Schreiben v. 04.04.2018, BStBl. 2018 I, 592, Rz. 61 - auch bei entsprechenden Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur Privatnutzung überlassenen betrieblichen Kfz. Die gleichmäßige Aufteilung der Einmalzahlung auf den vereinbarten Zeitraum von 96 Monaten stellt eine nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten mögliche Gestaltung dar. Durch sie wird die Zuzahlung gleichmäßig auf die von den Vertragsparteien offenbar zugrunde gelegte voraussichtliche Dauer der Kfz-Überlassung verteilt. Die im Streitfall gewählte Gestaltung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar führt die gleichmäßige Verteilung der Zuzahlung auf 96 Monate vorliegend dazu, dass der Arbeitslohn des Klägers gemäß § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuert werden kann. Den Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO erfüllt dies jedoch nicht. Denn der Gesetzgeber räumt Arbeitgebern die Möglichkeit, bei einer geringfügigen Beschäftigung die Lohnsteuer mit 2 % des Arbeitsentgelts zu pauschalieren, ausdrücklich ein. Die Ausübung eines gesetzlich eingeräumten Wahlrechts stellt keine unangemessene Gestaltung zu Lasten des Steuergläubigers dar.
 

1.2.Sonstiges

Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Miet- oder Pachtaufwendungen, die ohne das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nach § 255 Abs. 2 und 2a HGB Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter wären, die bereits im Jahr der Herstellung aus dem Anlagevermögen ausscheiden, nach § 8 Nr. 1 Bst. d und e GewStG hinzugerechnet werden, obwohl eine Hinzurechnung bei der Herstellung materieller Wirtschaftsgüter unterbleiben würde.

Zur Zuordnung angemieteter Gegenstände zum fiktiven Anlagevermögen eines Filmherstellers.

BFH v. 12.11.2020, III R 38/17

Hinweis:
Nach § 8 Nr. 1 Bst. d u. e GewStG werden zur Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 S. 1  GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen u. a. ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, sowie der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Die Klägerin mietete für die Durchführung von Filmproduktionen zahlreiche Ausstattungsgegenstände wie etwa Kostüme, Requisiten und Kamerasysteme an, ohne dass ein Verschleiß während der in der Regel 30 Tage andauernden Dreharbeiten eintrat. Das FA rechnete dem Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb die Mietaufwendungen nach § 8 Nr. 1 Bst. d GewStG anteilig wieder hinzu. Die Klägerin machte dagegen geltend, dass die angemieteten Ausstattungsgegenstände bei ihr fiktives Umlaufvermögen seien, da diese nicht dauerhaft ihrem Geschäftsbetrieb dienten. Sie wähle die einzelnen Ausstattungsgegenstände jeweils projektbezogen aus, wobei sie den Wünschen des Filmteams und den Vorgaben der Filmförderer folge. Wegen der schöpferischen Einzigartigkeit eines jeden Films sei eine Mehrfachverwendung von Ausstattungsgegenständen für verschiedene Filme ausgeschlossen. Die Gegenstände seien nach der Verwendung für eine Filmproduktion gewissermaßen verbraucht.

Der BFH hat entscheiden, dass es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, dass Miet- oder Pachtaufwendungen, die ohne das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter wären, die bereits im Jahr der Herstellung aus dem Anlagevermögen ausscheiden, nach § 8 Nr. 1 Bst. d. u. e GewStG hinzugerechnet werden, obwohl eine Hinzurechnung bei der Herstellung materieller Wirtschaftsgüter unterbleiben würde.

Miet- oder Pachtaufwendungen können gem. § 255 Abs. 2 HGB als Einzelkosten oder als angemessene Teile der Gemeinkosten die Herstellungskosten erhöhen. Dies gilt indessen nicht für selbst hergestellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Diese sind in der Steuerbilanz nicht nach § 255 Abs. 2a HGB zu bewerten; vielmehr ist ein Aktivposten in der Steuerbilanz nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden (§ 5 Abs. 2 EStG). Für Umlaufvermögen gilt § 5 Abs. 2 EStG dagegen nicht; insoweit bestehen mithin keine diesbezüglichen Unterschiede zwischen der Aktivierung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter. Miet- oder Pachtaufwendungen, die als Teil der Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in der Bilanz aktiviert werden, mindern den Gewinn nicht. Sie werden daher nicht hinzugerechnet, weil es an der für § 8 Nr. 1 Bst. d u. e GewStG erforderlichen Gewinnabsetzung fehlt. Wird unter sonst gleichen Umständen ein immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens hergestellt, so mindern die dafür getätigten Miet- oder Pachtaufwendungen wegen des Aktivierungsverbotes in § 5 Abs. 2 EStG den Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG). Sie werden jedoch hinzugerechnet, allerdings gem. § 8 Nr. 1 Bst. d GewStG nur zu einem Zwanzigstel (Miete beweglicher Wirtschaftsgüter) oder gem. § 8 Nr. 1 Bst. e GewStG zu einem Achtel (Miete unbeweglicher Wirtschaftsgüter), soweit die Summe der Hinzurechnungen 100.000 € übersteigt.
 

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