Rechtsprechung KW 24 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Zur Steuerbefreiung eng mit der Sozialfürsorge verbundener Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienstes
Abrechnungen von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst (gemeinnütziger Verein) für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat, können „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ i. S. des Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL sein, wenn der Sozialversicherungsträger diese Bündelung verlangt.

Die Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ i. S. des Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL auch bezüglich solcher Abrechnungsleistungen kann darin liegen, dass der Sozialversicherungsträger ein solches Abrechnungsverfahren von den Leistungserbringern verlangt und entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen.

BFH v. 24.02.2021, XI R 32/20

Hinweis:
Nach Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.

Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege und wickelt die Abrechnung der Rettungsdienstleistungen selbständig mit den Kostenträgern ab. Im Jahr 2012 verlangten die Sozialleistungsträger, dass aus Kostengründen in jedem Landkreis nur noch eine Abrechnungsstelle vorgehalten wird, so dass der Kläger nunmehr (vertraglich fixiert) neben der Abrechnung der eigenen Einsätze auch die Abrechnungen der Einsätze für vier andere Leistungserbringer in den Bereichen Rettungsdienst und Krankentransport gegenüber den Kostenträgern durchführt. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass der Betrieb einer Abrechnungsstelle für andere Leistungserbringer eine gesondert zu beurteilende selbständige wirtschaftliche Tätigkeit darstelle, die die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gem. § 14 AO erfülle, nicht jedoch diejenigen eines Zweckbetriebs gem. § 66 AO oder § 65 AO. Mithin komme eine Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG oder Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL nicht in Betracht.

Der BFH hat entschieden, dass die Abrechnung von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL sein können, wenn der Sozialversicherungsträger diese Bündelung verlangt.

Offen bleiben kann, ob die Abrechnungsleistungen nach § 4 Nr. 17 Bst. b UStG oder nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei sind. Jedenfalls sind sie nach Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL steuerbefreit. Nach dem Urteil des EuGH hängt die Mehrwertsteuerbefreiung von Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Bst. g MwStSystRL nicht davon ab, an wen diese erbracht werden, sofern sie einen für die Durchführung der Maßnahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt darstellen und ihre Belastung mit der Mehrwertsteuer daher zwangsläufig dazu führen würde, die Kosten der genannten Umsätze zu erhöhen (EuGH, Urteil v. 08.10.2020, C 657/19 „Finanzamt D“, Rz 36). Soweit sich demgegenüber aus dem BFH-Urteil v. 01.12.2010, XI R 46/08 etwas anderes ergibt, hält der Senat hieran nicht mehr fest. Für die hier streitigen Leistungen des Klägers gibt es im Land Mecklenburg-Vorpommern spezielle gesetzliche Regelungen zur sozialen Sicherheit.

Die Übernahme der Kosten durch die Sozialleistungsträger beruht auf speziellen vertraglichen Grundlagen. Nur auf Geheiß der Sozialleistungsträger hatte es der Kläger übernommen, Leistungen auch für dritte Leistungserbringer abzurechnen, um damit die volle Erstattungsfähigkeit der Kosten zu gewährleisten. Zu Wettbewerbsverzerrungen kommt es hier nicht, da nach den Vorgaben der Sozialleistungsträger nur eine Abrechnungsstelle die Leistungen zu erbringen hatte. Andere Wirtschaftsteilnehmer konnten daher nicht die Abrechnungsleistungen tätigen.
 

1.2.Einkommensteuer

Bonuszahlungen einer privaten Krankenkasse als Beitragserstattung
Bonuszahlungen einer privaten Krankenkasse mindern als Beitragserstattung die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG abzugsfähigen Sonderausgaben, wenn diese unabhängig davon gezahlt werden, ob dem Versicherungsnehmer finanzieller Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 01.06.2016 - X R 17/15, BFHE 254, 111, BStBl. II 2016, 989, Rz 24, 27, 33, sowie vom 06.05.2020 - X R 16/18, BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 22 ff.).

Der mit den Bonuszahlungen einhergehende teilweise Verlust eines Erstattungsanspruchs für Gesundheitsaufwendungen berührt nicht die für § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG maßgebliche Beitragsebene.

BFH v. 16.12.2020, X R 31/19

Hinweis:
Beiträge zu Krankenversicherungen sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a S. 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und auf die Leistungen ein Anspruch besteht. Für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sind dies nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift die Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die - mit Ausnahme der auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile - in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vergleichbar sind.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie sind privat kranken- und pflegeversichert. Die beiden minderjährigen Kinder sind über den Kläger versichert. Von ihrer Krankenversicherung bezogen die Klägerin für sich und der Kläger für die beiden Kinder in den Streitjahren Boni von jährlich 1.080 € (3 x 360 €). Nach den Vertragsbedingungen war der Bonus für jede versicherte Person garantiert. Die Krankenversicherung verrechnete die Boni vertragsgemäß mit den zur Erstattung angemeldeten Gesundheitsaufwendungen, und zwar in den Jahren 2014 und 2016 jeweils in voller Höhe (1.080 €) und im Jahr 2015 in Höhe von 922 €. Die Versicherung meldete die Boni gegenüber der Finanzverwaltung für jedes Streitjahr in Höhe von 984 € als Beitragserstattung (360 € x 3 x 91,36 % Anteil Basiskrankenversicherungsschutz). Hiervon ging auch das Finanzamt aus und minderte für die Streitjahre dementsprechend den Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG.

Der BFH hat entscheiden, dass Bonuszahlungen einer privaten Krankenkasse als Beitragserstattung die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Bst. a EStG abzugsfähigen Sonderausgaben mindern, wenn diese unabhängig davon gezahlt werden, ob dem Versicherungsnehmer finanzieller Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht.

Die von der privaten Krankenversicherung gezahlten Boni sind als den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattungen zu werten. Eine Prämienzahlung, die eine gesetzliche Krankenkasse ihrem Mitglied im Rahmen eines Wahltarifs gem. § 53 Abs. 1 SGB V gewährt, stellt keine Versicherungsleistung, sondern eine Beitragserstattung dar, weil diese im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes steht.

Durch die Prämie ändert sich die Gegenleistung, die vom Mitglied zu erbringen ist, um den vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Die Prämie wird gezahlt, da die Krankenversicherung vom Mitglied entweder nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen worden ist, als dies der Fall gewesen wäre, wenn es keine Prämie gegeben hätte; hierdurch wird im Ergebnis der Beitrag des Mitglieds und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert. Demgegenüber hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass die Bonuszahlung einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 65a SGB V nicht als Beitragserstattung zu qualifizieren ist, sofern hierdurch konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird. Derartige Boni stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, sondern sind als Erstattung der vom Versicherten getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen und damit als eine nicht die Höhe des Sonderausgabenabzugs beeinflussende Leistung der Krankenkasse anzusehen. Diese Boni mindern daher - unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung - nicht die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, sondern lediglich den zusätzlichen Gesundheitsaufwand des Steuerpflichtigen. Vorliegend stellen die streitgegenständlichen Boni keine von den Versicherungsbeiträgen der Kläger unabhängige Leistungen der Krankenversicherung dar. Sie minderten vielmehr laufend die Gegenleistung, die die Klägerin für sich und der Kläger für die beiden Kinder zu erbringen hatten, um den vertraglich vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Krankenversicherung die als Bonus bezeichneten monatlichen Zahlungen von 30 € je versicherter Person nach den im Streitfall geltenden Versicherungsbedingungen unabhängig davon erbrachte, ob den Klägern erstattungsfähiger Gesundheitsaufwand entstanden war oder nicht. Die Bonuszahlungen als solche waren somit garantiert.


Ausfall einer privaten Darlehensforderung
Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 24.10.2017 - VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl. II 2020, 831).

Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.

BFH v. 27.10.2020, IX R 5/20

Hinweis:
Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dabei gilt als Veräußerung i. S. d. Satzes 1 auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 EStG). Gem. § 20 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 EStG ist Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten.

Die klagenden Eheleute gewährten einer GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Ehemann war, im Januar 2012 ein Darlehen. Im März 2012 riet die Hausbank der GmbH zu einer Umschuldung. Im Dezember 2012 gewährte die Hausbank den Klägern einen Kredit, welcher als Gesellschafterdarlehen dienen sollte. Im Juni 2013 gewährten die Kläger der GmbH ein weiteres Darlehen. Die GmbH wurde zum 31.12.2014 aufgelöst. Die beiden Darlehen wurden nicht vollständig an die Kläger zurückgezahlt.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 machten die Kläger für den Kläger einen Auflösungsverlust i. S. d. § 17 EStG geltend. Sie vertraten die Ansicht, dass bei der Verlustberechnung die beiden nicht zurückgezahlten Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung des Klägers zu berücksichtigen seien. Die Darlehen seien erforderlich gewesen, um den Kapitalbedarf der unterkapitalisierten GmbH mit Fremdmitteln abzudecken. Das beklagte FA folgte dieser Berechnung nicht. Es vertrat die Auffassung, dass die beiden Darlehen vor der Krise gewährt worden seien und dass der Kläger bei Kriseneintritt die Rückforderung unterlassen habe. Dadurch seien seine Forderungen wertlos geworden und hätten mithin keine Auswirkung auf die Höhe seines Auflösungsverlusts.

Der BFH hat entschieden, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 S. 2, Abs. 4 EStG führt. Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.

Nach dem BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl. 2020 II, 831 führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG. Das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht ist im Grundsatz auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG - für jede einzelne Kapitalanlage getrennt - zu prüfen. Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich für alle Einkunftsarten, allerdings unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderheiten hinsichtlich der Einkünfteermittlung. Soweit die Vorinstanz - abweichend von den genannten Grundsätzen - für die Bestimmung des Verlustentstehungszeitpunkts an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verlustrealisierung nach § 17 Abs. 4 EStG anknüpfen möchte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Gegen eine Übernahme dieser Grundsätze sprechen bereits systematische Erwägungen. Während im Fall des § 17 Abs. 4 EStG eine stichtagsbezogene Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfolgt, ist für Zwecke des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG allein der Ausfall einer einzelnen privaten Kapitalanlage zu beurteilen.
 

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