Rechtsprechung KW 16 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Abzug des beim Tod des Steuerpflichtigen noch nicht berücksichtigten Teils der Erhaltungsaufwendungen i. S. von § 82b EStDV
Hat der Steuerpflichtige größere Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und verstirbt er innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen (entgegen R 21.1 Abs. 6 S. 2 und 3 EStR 2012).

BFH v. 10.11.2020, IX R 31/19

Hinweis:
Grundsätzlich sind Werbungskosten nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG in dem Veranlagungszeitraum abzuziehen, in dem sie geleistet worden sind. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Bst. r Dbst. aa EStG i. V. m. § 82b Abs. 1 S. 1 EStDV kann der Steuerpflichtige größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 EStG auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Wird das Gebäude während des Verteilungszeitraums veräußert, ist der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung als Werbungskosten abzusetzen (§ 82b Abs. 2 S. 1 EStDV). Das Gleiche gilt, wenn ein Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird (§ 82b Abs. 2 S. 2 EStDV).

Im Jahr 2012 hatte der verstorbene Ehemann Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 14.865,99 €, im Jahr 2014 in Höhe von 36.430,89 € und im Jahr 2015 in Höhe von 11.603,93 € verausgabt. Für diese Erhaltungsaufwendungen hatte der Verstorbene jeweils eine Verteilung auf fünf Jahre nach § 82b EStDV gewählt. Der im Streitjahr noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen belief sich zum Zeitpunkt des Todes auf 29.852,88 €. Das ZFH ging mit dem Erbfall am 12.01.2016 auf die Erbengemeinschaft L über, an der die Klägerin beteiligt war. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft für das Streitjahr wurden keine Abzugsbeträge nach § 82b EStDV berücksichtigt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin für ihren verstorbenen Ehemann Einkünfte aus dem ZFH für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 12.01.2016 in Höhe von ./. 32.829 €. Als Werbungskosten gab sie den zum Zeitpunkt des Todes noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen an. Das FA berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid für 2016 Erhaltungsaufwendungen lediglich in Höhe von 981,92 €, was dem auf den Monat Januar entfallenden Anteil der an sich für 2016 angefallenen Jahresbeträge entsprach. Die Restbeträge seien bei der Erbengemeinschaft L im Rahmen derer gesonderter und einheitlicher Feststellungen zu berücksichtigen. Die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV sei bei dieser fortzuführen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie machte geltend, dass im Streitjahr der noch nicht nach § 82b EStDV berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen abzuziehen sei. Die Beteiligten streiten darüber, ob noch nicht berücksichtigte Erhaltungsaufwendungen i. S. d. § 82b EStDV im Todesjahr 2016 (Streitjahr) in einer Summe beim Erblasser abziehbar sind oder die Verteilung nach § 82b EStDV beim Erben fortgeführt wird.

Der BFH hat entschieden, dass der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen ist.

In der als Personensteuer ausgestalteten Einkommensteuer ist nur der Steuerpflichtige, der die Aufwendungen getragen hat, nach § 2 Abs. 1 EStG Zurechnungssubjekt der von ihm erzielten Einkünfte. Der bislang nicht berücksichtigte Teil der Aufwendungen kann daher nur im Veranlagungszeitraum des Versterbens berücksichtigt werden. Ansonsten kann die beim Steuerpflichtigen mit dem Abfluss der Aufwendungen erfolgte Minderung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht im Rahmen der ihn betreffenden Steuerveranlagungen abgebildet werden. Verstirbt der Steuerpflichtige innerhalb des Verteilungszeitraums nach § 82b EStDV, ist daher der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungszeitraum seines Versterbens als Werbungskosten abzusetzen. Die steuerliche Situation ist im Todesfall vergleichbar mit den übrigen ausdrücklich in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen. Nach § 82b Abs. 2 S. 1 EStDV ist der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung des Gebäudes als Werbungskosten abzusetzen. Gleiches gilt, wenn ein Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Einkunftserzielung genutzt wird (§ 82 Abs. 2 S. 2 EStDV). Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht erkannt, dass der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen vom verstorbenen Ehemann der Klägerin im Veranlagungsjahr 2016 als Werbungskosten abzusetzen ist. Für den vom FA geltend gemachten Übergang des nicht berücksichtigten Teils der vom verstorbenen Ehemann getragenen Erhaltungsaufwendungen auf die Erbengemeinschaft besteht keine gesetzliche Grundlage.
 

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