Rechtsprechung KW 15 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Vorabgewinn als umsatzsteuerbares Sonderentgelt; Regelsteuersatz für die Überlassung von Vieheinheiten
Die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine Personengesellschaft unter gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung eines Vorabgewinns erfolgt gegen Entgelt, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung rechnen kann.

Die Umsätze aus der Überlassung von Vieheinheiten unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, sondern dem Regelsteuersatz.

BFH v. 12.11.2020, V R 22/19

Hinweis:
Streitig ist, ob gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorabgewinnanteile für die Überlassung von sog. Vieheinheiten in den Jahren 2011 bis 2013 (Streitjahre) umsatzsteuerbar sind und der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen.

Der BFH hat entschieden, dass die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine Personengesellschaft unter gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung eines Vorabgewinns gegen Entgelt erfolgt, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung rechnen kann.

Der unmittelbare Zusammenhang und damit ein steuerbarer Leistungsaustausch liegen nicht vor, wenn die Gesellschafter für ihre Gesellschaft Leistungen erbringen, die als Gesellschafterbeitrag nur im Rahmen der allgemeinen Gewinnverteilung vergütet werden. Diese allgemeine Gewinnbeteiligung ist weder Entgelt für das Halten der Beteiligung noch Entgelt für Tätigkeiten des Gesellschafters (EuGH, Urteil v. 27.01.2000 - C 23/98 „Heerma“). Dies gilt auch bei einer Leistungserbringung gegen Vorabgewinn. Nach BFH-Rechtsprechung kann ein (pachtähnlicher) Leistungsaustausch gegen Sonderentgelt vorliegen, wenn die Gesellschafter einer GbR ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegen einen von vornherein feststehenden und jährlich gleichbleibenden „Vorabgewinn“ zur Nutzung überlassen. Maßgebend hierfür war, dass sich der Vorabgewinn von vornherein nach den Leistungen richtete, die die Gesellschafter an die Gesellschaft erbrachten. Der Unterschied zu einer Gewinnverteilungsabrede lag in dem für die Nutzungsüberlassung angestrebten (besonderen), von vornherein feststehenden Entgelt. Das FG hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass die steuerbaren Umsätze des Klägers nicht der Durchschnittssatzbesteuerung, sondern dem Regelsteuersatz unterliegen. Die hier streitige Überlassung von Vieheinheiten betrifft keine in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenstände i. S. d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 der MwStSystRL. Es liegen auch keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen vor.
 

1.2.Einkommensteuer

§ 35a EStG in Bezug auf zumutbare Belastung und Haushaltsersparnis
Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG ist auch für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen zu gewähren, die dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wegen der zumutbaren Belastung aber nicht als solche berücksichtigt worden sind.

In der Haushaltsersparnis, die bei der Ermittlung der abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung zu berücksichtigen ist, sind keine Aufwendungen enthalten, die eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG rechtfertigen.

BFH v. 16.12.2020, VI R 46/18

Hinweis:
Für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4.000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen (§ 35a Abs. 2 S. 1 EStG).

Die 1929 geborene Klägerin bewohnt ein Apartment in einer Seniorenresidenz. Aus dem Wohnvertrag entstanden ihr im Streitjahr für die ca. 63 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung Aufwendungen von 33.883,50 € für Miete mit Nebenkosten. Die Klägerin war im Streitjahr nicht im Pflegebereich des Altersheims untergebracht, auch bezog sie keine Pflegeleistungen. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin die Aufwendungen für die Seniorenresidenz unter Ansatz einer Haushaltsersparnis (8.472 €) in Höhe von noch 25.411,50 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA erkannte die Aufwendungen nicht an. Die Klägerin sei nicht krankheits-, sondern altersbedingt in der Seniorenresidenz untergebracht. Aufwendungen für eine altersbedingte Unterbringung in einem Alters- oder Pflegeheim seien jedoch als typische Kosten der Lebensführung nicht zwangsläufig und daher nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Das FA ermäßigte jedoch die Einkommensteuer der Klägerin um die von der Seniorenresidenz bescheinigten haushaltsnahen Dienstleistungen (6.799 € x 20 %) in Höhe von 1.360 € nach § 35a Abs. 2 EStG. Streitig ist die Frage, ob im Fall einer krankheitsbedingten Heimunterbringung in Bezug auf die Haushaltsersparnis eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren ist.

Der BFH hat entschieden, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG auch für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen zu gewähren, die dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wegen der zumutbaren Belastung aber nicht als solche berücksichtigt worden sind. In der Haushaltsersparnis, die bei der Ermittlung der abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung zu berücksichtigen ist, sind keine Aufwendungen enthalten, die eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG rechtfertigen.

Aufwendungen, die durch den Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, sind nicht i. S. v. § 35a Abs. 5 EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden. Für diese Aufwendungen ist eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG mithin zulässig. Werden im Rahmen des § 33 EStG Aufwendungen geltend gemacht, die dem Grunde nach sowohl bei § 33 EStG als auch bei § 35a EStG berücksichtigt werden können, geht die Finanzverwaltung typisierend davon aus, dass die zumutbare Belastung vorrangig auf die nach § 35a EStG begünstigten Aufwendungen entfällt (BMF, Schreiben v. 09.11.2016, BStBl. 2016 I, 1213, Rz. 32). Eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG setzt voraus, dass in dem Betrag (hier in der Haushaltsersparnis) überhaupt Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen enthalten sind. Dies kann in Bezug auf die Haushaltsersparnis nicht typisierend unterstellt werden. Die Haushaltsersparnis entspricht der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten. Sie wird realitätsgerecht entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen geschätzt, wobei Maßgröße insoweit die üblichen Kosten eines Einpersonenhaushalts sind. Mit der Haushaltsersparnis werden Fixkosten wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungsaufwand und Verpflegungskosten typisiert. Insoweit ist davon auszugehen, dass in dem typisierten Betrag von im Streitjahr 8.472 € Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht in einer belastbaren Größenordnung enthalten sind.


Berücksichtigung von im Rahmen eines Ehegattenarbeitsverhältnisses geleisteten Beiträgen für eine rückgedeckte Unterstützungskasse als Betriebsausgabe - Entgeltumwandlung
Werden im Rahmen eines Ehegattenarbeitsverhältnisses Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers teilweise zum Zweck betrieblicher Altersvorsorge in Beiträge für eine rückgedeckte Unterstützungskasse umgewandelt, ist die Entgeltumwandlung grundsätzlich am Maßstab des Fremdvergleichs zu messen.

Für die Fremdvergleichsprüfung bei Entgeltumwandlungen ist insbesondere das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen regelmäßig anzunehmender Angemessenheit und nur ausnahmsweise gegebener Unangemessenheit der Umgestaltung der Entlohnung des Arbeitsverhältnisses zu beachten.
Eine insoweit unangemessene Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses kommt bei sprunghaften Gehaltsanhebungen im Vorfeld der Entgeltumwandlung, bei einer „Nur-Pension“ oder bei mit Risiko- und Kostensteigerungen für das Unternehmen verbundenen Zusagen in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 07.03.2018 - I R 89/15, BFHE 261, 110, BStBl. II 2019, 70, Rz 26).

Im Fall echter nicht unangemessener Barlohnumwandlungen sind Beiträge für eine rückgedeckte Unterstützungskasse betrieblich veranlasst und ohne Prüfung einer sog. Überversorgung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 10.06.2008 - VIII R 68/06, BFHE 222, 332, BStBl. II 2008, 973, unter II.3., Rz 22 f.).

BFH v. 28.10.2020, X R 32/18

Hinweis:
Nach § 4d Abs. 1 S. 1 EStG dürfen Zuwendungen an eine Unterstützungskasse von dem Unternehmen, das die Zuwendungen leistet (Trägerunternehmen), als Betriebsausgabe abgezogen werden, soweit die Leistungen der Kasse, wenn sie vom Trägerunternehmen unmittelbar erbracht würden, bei diesem betrieblich veranlasst wären und sie die in dieser Vorschrift bestimmten Beträge nicht übersteigen.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob die monatlichen Zahlungen des Arbeitgeber-Ehegatten an eine Unterstützungskasse in Form einer Entgeltumwandlung für die Altersversorgung auch dann als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, wenn der Arbeitnehmer-Ehegatte während des Berufslebens auf die Auszahlung von nahezu 50 % seines Bruttogehalts verzichtet und dabei einen Ausfall von bis zu 800.000 € riskieren würde.

Der BFH hat entschieden, dass im Fall echter nicht unangemessener Barlohnumwandlungen Beiträge für eine rückgedeckte Unterstützungskasse betrieblich veranlasst und ohne Prüfung einer sog. Überversorgung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sind.

Das FA hat die geleisteten Zuwendungen an die Unterstützungskasse im Hinblick auf § 4d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Bst. c EStG steuerlich nur teilweise (110 €/Monat) als abzugsfähig angesehen, da es diese nach Maßgabe des Fremdvergleichs der Höhe nach für unangemessen und daher nur in diesem Umfang für betrieblich veranlasst hielt.

Handelt es sich bei der aus dem Versicherungsvertrag bezugsberechtigten Person um den Ehegatten des Arbeitgebers, hat der BFH im Falle einer Direktversicherung bereits entschieden, dass als Abzugsvoraussetzung zum einen zu fordern ist, dass das Arbeitsverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen ist, und zum anderen - in negativer Abgrenzung -, dass die Aufwendungen für die Alterssicherung nicht auf privaten Erwägungen beruhen. Ob dies der Fall ist, ergibt eine Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse des zuwendenden Arbeitgebers.

Danach begründen Zukunftssicherungsleistungen im Rahmen eines berücksichtigungsfähigen Arbeitsverhältnisses Betriebsausgaben, wenn die zugrundeliegende Verpflichtung ernstlich gewollt und eindeutig vereinbart ist; ferner ist erforderlich, dass ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Steuerpflichtige eine solche Versorgung bei vergleichbaren Tätigkeits- und Leistungsmerkmalen auch einem familienfremden Arbeitnehmer gewährt haben würde. Steht fest, dass das betreffende Arbeitsverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen ist und dass ein bereits bestehender Lohnanspruch aus diesem Arbeitsverhältnis (teilweise) in eine Direktversicherung umgewandelt wird, folgt die betriebliche Veranlassung der Prämienzahlungen bereits aus dem Umstand, dass die Aufwendungen des Arbeitgebers für dieselbe (und weiterhin nur seinem Betrieb dienende) Gegenleistung --die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers-- im Ganzen unverändert bleibt. Machen Ehegatten im Rahmen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses von den gesetzlichen Möglichkeiten einer teilweisen Umwandlung des steuerrechtlich angemessenen Arbeitslohns in Beiträge zu einer Direktversicherung Gebrauch, so kann darin regelmäßig keine ungewöhnliche oder unangemessene Umgestaltung dieses Arbeitsverhältnisses gesehen werden, die es gebieten könnte, den Abzug des in der Form von Versicherungsprämien geleisteten Arbeitslohns als Betriebsausgabe zu versagen.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Verfahrensrecht

Anwendungsfragen zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist und der zinsfreien Karenzzeit
Das BMF hat zu den verlängerten Erklärungsfristen in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit aufgrund der Corona-Pandemie Stellung genommen.

BMF v. 15.04.2021

Sofern Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG mit der Erstellung der in § 149 Abs. 3 AO genannten Erklärungen beauftragt sind (beratene Fälle), sind diese Steuer- und Feststellungserklärungen - vorbehaltlich des § 149 Abs. 4 AO - regulär spätestens bis zum letzten Tag des Monats Februar, in den Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO (Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr) regulär bis zum 31. Juli des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abzugeben.

Nach Artikel 97 § 36 Abs. 1 EGAO tritt in den genannten Fällen – allerdings nur für den Veranlagungszeitraum 2019 - an die Stelle des letzten Tages des Monats Februar 2021 der 31.08.2021 und in den Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO an die Stelle des 31.07.2021 der 31.12.2021. Die Erklärungsfrist wurde damit in beratenen Fällen einmalig um sechs Monate (bzw. fünf Monate bei beratenen Land- und Forstwirten mit abweichendem Wirtschaftsjahr) verlängert. Die gesetzliche Fristverlängerung ist von Amts wegen zu beachten, ein Antrag des Steuerpflichtigen oder des mit der Erstellung der Erklärung Beauftragten im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG ist dazu nicht erforderlich. Diese gesetzlichen Fristverlängerungen gelten nicht in den Fällen, in denen Steuer-/Feststellungserklärungen für den Veranlagungszeitraum 2019 mit einer Anordnung nach § 149 Abs. 4 AO „vorab angefordert“ wurden. Wird die Steuer-/Feststellungserklärung vor Ablauf der nach Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO (und ggf. darüber hinaus nach § 109 Abs. 2 AO) verlängerten Erklärungsfrist abgegeben, tritt keine Erklärungssäumnis im Sinne des § 152 Abs. 1 und 2 AO ein. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags scheidet daher von vorne herein aus. Nach Art. 97 § 36 Abs. 2 EGAO beginnt der „allgemeine“ Zinslauf der Vollverzinsung abweichend von § 233a Abs. 2 S. 1 AO - nur für den Besteuerungszeitraum 2019 - erst am 01.10.2021. In den Fällen des § 233a Abs. 2 S. 2 AO beginnt der „besondere“ Zinslauf - ebenfalls nur für den Besteuerungszeitraum 2019 - erst am 01.05.2022. Die gesetzliche Verlängerung der Karenzzeit gilt gleichermaßen für Nachzahlungs- wie für Erstattungszinsen. Sie ist nicht auf beratene Fälle beschränkt.
 

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