Rechtsprechung KW 09 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Verlust aus der Veräußerung von Aktien
Eine Veräußerung i. S. des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (Anschluss an BFH-Urteil vom 12.06.2018 - VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl. II 2019, 221).

Die Veräußerung wertloser Aktien stellt grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO dar, selbst wenn sich der Verkäufer verpflichtet, vom Käufer wertlose Aktien zu kaufen.

BFH v. 29.09.2020, VIII R 9/17

Hinweis:
Gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien.

Im Jahr 2011 erwarb der Kläger 1.000 Aktien der X-Corp. In der Folgezeit verloren die Aktien der X-Corp. aufgrund von Betrugsvorwürfen gegen die Gesellschaft erheblich an Wert, so dass die Aktie von der Börsenaufsicht vom Handel ausgeschlossen wurde. Der Kläger veräußerte alle Aktien der X-Corp. zu einem Preis von 0,01 € pro Stück an Frau Y (Käuferin). Im Gegenzug erwarb er von der Käuferin wertlose Aktien. Der Kläger beantragte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die steuerliche Berücksichtigung des Verlusts aus dem Aktienverkauf. Bei der Einkommensteuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid wurde der Verlust des Klägers aus der Veräußerung der X-Corp. Aktien nicht berücksichtigt.

Der BFH hat entschieden, dass eine Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosen abhängig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bedeutet „Veräußerung“ die entgeltliche Übertragung des - zumindest wirtschaftlichen - Eigentums auf einen Dritten. Unstreitig ging im vorliegenden Fall das Eigentum der Aktien des Klägers auf die Käuferin über, da sie aus dessen Depot aus- und in das Depot der Käuferin eingebucht wurden. Dieser Rechtsträgerwechsel war auch entgeltlich, da die Käuferin an den Kläger einen Kaufpreis von 10 € gezahlt hat. Weitere Tatbestandsmerkmale stellt das Gesetz nicht auf. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ist daher - entgegen der Auffassung des FA - weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Es lag auch kein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO vor. Der Kläger verfolgte das Ziel, sich von den nahezu wertlosen Wertpapieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel war (sinnvoll) nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG sieht die Veräußerung von Aktien ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. Der Kläger hat daher nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Daran ändert sich nichts dadurch, dass ein Verlustgeschäft vorliegt, denn auch Veräußerungsverluste werden vom Anwendungsbereich des § 20 EStG erfasst. Dabei steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er seine Gesellschaftsanteile veräußert.
 

1.2.Sonstiges

Freibetrag bei unterjähriger Begründung einer GmbH & atypisch Still
Nimmt eine GmbH im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter auf, so ist der für Einzelunternehmen und Personengesellschaften geltende Freibetrag von 24.500 € in dem an die GmbH als Geschäftsherrn zu adressierenden, die GmbH & atypisch Still betreffenden Gewerbesteuermessbescheid zu berücksichtigen.

Der GmbH selbst steht der Freibetrag nicht zu; der aufgrund des von ihr vor der Aufnahme des stillen Gesellschafters erzielten Gewinns ermittelte Gewerbeertrag ist daher nicht zu kürzen.

BFH v. 15.07.2020, II R 68/18

Hinweis:
Die Tätigkeit der Klägerin, einer GmbH, gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 S. 1 GewStG) und unterliegt daher der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 S.1 GewStG).

Das Wirtschaftsjahr der Klägerin, einer GmbH, entspricht dem Kalenderjahr. Ab dem 18.12.2015 wurde ein stiller Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von 1.000 € aufgenommen. Die Klägerin beantragte für Vorauszahlungszwecke die Erteilung von Gewerbesteuermessbescheiden für die Kalenderjahre 2015 und 2016. Hierbei wies die Klägerin darauf hin, dass der Gewerbeertrag um den Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG zu kürzen sei. Das FA gewährte den Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG nicht. Einen weiteren Vorauszahlungsbescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag richtete das FA unter anderer Steuernummer an die Klägerin „als Inhaberin des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern“. Der Bescheid erläuterte, dass der Gewinn zeitanteilig ab dem 18.12.2015 berücksichtigt worden sei. Dies führte unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG zu einer Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Vorauszahlungszwecke in Höhe von 0 €. Die Klägerin begehrte demgegenüber die Berücksichtigung des Freibetrages für den gesamten Jahresgewinn, da sie während des gesamten Jahres Schuldnerin der Gewerbesteuer geblieben sei.

Der BFH hat entschieden, dass nur der GmbH & atypisch Still, nicht jedoch der GmbH der Freibetrag zusteht; der aufgrund des vor der Aufnahme des stillen Gesellschafters erzielten Gewinns ermittelte Gewerbeertrag ist daher nicht zu kürzen.

Einer GmbH & atypisch Still ist der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG zu gewähren, obwohl der gesetzgeberische Grund des Freibetrages, die fehlende Abziehbarkeit der an Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Vergütungen, bei ihr nicht zutrifft. Der Gewerbeertrag ist bei unterjähriger Begründung einer Mitunternehmerschaft um den vollen und nicht bloß um einen zeitanteiligen Freibetrag zu kürzen. Von der sachlichen Steuerpflicht der atypisch stillen Gesellschaft ist die persönliche Steuerpflicht zu unterscheiden. Bei der stillen Gesellschaft i. S. d. §§ 230 ff. HGB handelt es sich um eine Personengesellschaft in Form der Innengesellschaft. Eine GmbH & atypisch Still kann als reine Innengesellschaft nicht Beteiligte in einem Verfahren wegen Gewerbesteuer sein. Die für sie ermittelten Besteuerungsmerkmale sind deshalb in einem gegen den Geschäftsherrn - die GmbH - als Steuerschuldner gerichteten Gewerbesteuermessbescheid zu erfassen. Aufgrund des Fehlens eines gemeinschaftlichen Vermögens ist der Inhaber des Handelsgeschäftes, somit die GmbH, nach § 5 Abs. 1 GewStG Steuerschuldner hinsichtlich der Gewerbesteuer der atypisch stillen Gesellschaft. Die GmbH ist auch Adressat des die GmbH & atypisch Still betreffenden Gewerbesteuermessbescheids. Die entgegenstehende Auffassung der Klägerin beruht auf einer Verwechselung der hier auseinander fallenden sachlichen Steuerpflicht und der Steuerschuldnerschaft.
 

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