Rechtsprechung KW 07 - 2021

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Immobilienwertnachweis durch Gutachten
Die ImmoWertV gestattet die Ermittlung des Bedarfswerts eines Erbbaugrundstücks nach der finanzmathematischen Methode.

BFH v. 14.10.2020, II R 7/18

Hinweis:
Nach § 157 Abs. 3 S. 1 BewG sind u. a. für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 176 - 198 BewG zu ermitteln. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, sind gem. § 192 S. 1 BewG die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht nach § 193 BewG und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks nach § 194 BewG gesondert zu ermitteln.

Die Klägerin erbte u. a. 28 Grundstücke, die mit Erbbaurechten belastet sind (Erbbaugrundstücke). Davon sind 27 mit Reihenhäusern und eines mit einem Werkstattgebäude bebaut. Das FA stellte die jeweiligen Grundstückswerte auf den Besteuerungszeitpunkt gesondert fest. Die Summe der Werte betrug 300.000 €. Das FA folgte dabei der sog. finanzmathematischen Methode nach § 194 Abs. 2 - 4 BewG. Es nahm u. a. einen Liegenschaftszinssatz von 3 % für die Reihenhäuser und 6,5 % für das Geschäftsgrundstück sowie einen geschätzten Erbbauzins von 2,20 €/m² an. Gebäudeanteile berücksichtigte es nicht, da kein entschädigungsloser Übergang vereinbart sei. Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin ein Gutachten eines von der zuständigen Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken vor. Der Sachverständige wendete die finanzmathematische Methode an und ermittelte Grundstückswerte von insgesamt 210.000 €. Er nahm für die Reihenhäuser einen Liegenschaftszinssatz von 4 % an und setzte die tatsächlich vereinbarten Erbbauzinsen an.

Der BFH hat entscheiden, dass die ImmoWertV die Ermittlung des Bedarfswerts eines Erbbaugrundstücks nach der finanzmathematischen Methode gestattet.

Materiell-rechtlich gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 S. 2 BewG grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. Wie deren Eingangsformel zeigt, handelt es sich dabei um die ImmoWertV. Die ImmoWertV regelt die Wertermittlung von Erbbaugrundstücken nicht ausdrücklich. Ihrer Systematik nach lässt sie die Wertermittlung über eine finanzmathematische Methode zu.
 

1.2.Einkommensteuer

Arbeitslohn bei Übernahme der Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber
Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Versicherungsbeitrag einer angestellten Rechtsanwältin, die im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung haftet, liegt Arbeitslohn regelmäßig nur in Höhe des übernommenen Prämienanteils vor, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt und den die Rechtsanwältin zur Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO benötigt.

Die Übernahme der Umlage für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn.

BFH v. 01.10.2020, VI R 11/18

Hinweis:
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG).

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät (GbR). Sie hatte für ihre „Tätigkeit als Rechtsanwalt“ eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (Versicherungssumme: 1 Mio. €/Schadensfall) abgeschlossen. Als Zusatzklausel war der Wegfall der Deckelung des Jahreshöchstbetrags vereinbart. Der Versicherungsschein enthielt zudem eine Liste mit Namen der versicherten Rechtsanwälte, nach der neben den Gesellschaftern der Klägerin auch die angestellten Rechtsanwälte versichert waren. Ob bzw. wie viele der angestellten Rechtsanwälte im Streitzeitraum daneben eine eigene Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatten, ist nicht bekannt. Das FA vertrat die Auffassung, die Beiträge für die im Namen und auf Rechnung der Klägerin abgeschlossene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung stellten für die angestellten Rechtsanwälte Arbeitslohn dar, weil diese nach § 51 BRAO selbst zum Abschluss der Versicherung verpflichtet seien und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin ausscheide.

Der BFH hat entschieden, dass die Einbeziehung eines angestellten Rechtsanwalts in die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung einer Sozietät in Höhe des Prämienanteils, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestbemessungsgrundlage entfällt, zu Arbeitslohn führt, wenn der angestellte Rechtsanwalt erst durch den Einbezug in die Sozietätsversicherung seine Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO genügt.

Die Einbeziehung des angestellten und zivilrechtlich nicht haftenden „Briefkopfanwalts“ in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz einer Sozietät ist allein dem Umstand geschuldet, dass für die Sozien im haftungsrechtlichen Sinn durch Anwendung der Durchschnittsleistung (hier in § 12 Abs. 2 AVB) im Versicherungsfall keine Unterdeckung entsteht. Insoweit besteht in Bezug auf die Einbeziehung eines zivilrechtlich nicht haftenden „Briefkopfanwalts“ in den Versicherungsschutz ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Sozietät an der versicherungsrechtlich benötigten Höherversicherung und der hierdurch abgedeckten Versicherungssumme. Im zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst aufzuklären haben, ob gegebenenfalls einer der angestellten Rechtsanwälte trotz der den Anforderungen von § 51 BRAO genügenden Sozietätsversicherung gleichwohl über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung verfügte. In diesem Fall hat das FG den Nachforderungsbescheid in Höhe des auf den betreffenden Rechtsanwalt entfallenden Prämienanteils zu mindern. Soweit dies nicht der Fall ist, hat das FG für die übrigen angestellten Rechtsanwälte den Prämienanteil zu ermitteln, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt.
 

1.3.Bilanzsteuerrecht

Quotale Auflösung von Wertkorrekturposten in Ergänzungsbilanz bei Veräußerung eines Teil-Mitunternehmeranteils; Erfassung des Gewinns als Veräußerungsgewinn
Veräußert der Mitunternehmer einer Personengesellschaft einen Teil seines Mitunternehmeranteils, sind die in einer für ihn gebildeten Ergänzungsbilanz enthaltenen Korrekturposten quotal zum veräußerten Teilanteil erfolgswirksam aufzulösen (Anschluss an BFH-Beschluss vom 06.08.2019 - VIII R 12/16, BFHE 265, 521, BStBl II 2020, 378).

Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teil-Mitunternehmeranteils ist als Veräußerungsgewinn festzustellen.

Die Höhe des laufenden Gewinns und die eines etwaigen Veräußerungsgewinns bilden in einem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid verschiedene Streitgegenstände und können grundsätzlich isoliert angefochten werden. Anderes gilt nur, wenn die Höhe des laufenden Gewinns und des Veräußerungsgewinns untrennbar miteinander verbunden sind. Das ist nicht der Fall, wenn das Klagebegehren darauf gerichtet ist, dass ein Gewinn im Streitjahr überhaupt nicht zu erfassen ist.

BFH v. 03.09.2020, IV R 29/19

Hinweis:
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG).

Streitig ist, ob eine durchgeführte Veräußerung eines Teil-Mitunternehmeranteils zur anteiligen Auflösung von Wertkorrekturposten in einer für den Beigeladenen geführten Ergänzungsbilanz führt.

Der BFH hat entschieden, dass bei Veräußerung eines Teil-Mitunternehmeranteils die Wertkorrekturposten in der Ergänzungsbilanz quotal aufzulösen sind.

Veräußert ein Mitunternehmer seinen Mitunternehmeranteil, ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG auch das Mehr- oder Minderkapital aus einer Ergänzungsbilanz des Veräußerers zu berücksichtigen. Denn dieses bildet zusammen mit dem Kapitalanteil in der Gesamthandsbilanz den Buchwert des Mitunternehmeranteils. Das gilt nicht nur im Fall der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils, sondern entsprechend, wenn der Mitunternehmer nur einen Teil seines Anteils veräußert. Bei den Ansätzen in einer Ergänzungsbilanz handelt es sich um Korrekturposten zu den dem jeweiligen Gesellschafter anteilig zuzurechnenden Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens. Dementsprechend ist die Auflösung und Beibehaltung der Korrekturposten von der Beibehaltung des Umfangs der ideellen Beteiligung des Veräußerers an den Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens abhängig. Im Fall der Teilanteilsveräußerung sind die in einer Ergänzungsbilanz gebildeten Korrekturposten daher quotal zum veräußerten Teilanteil aufzulösen.
 

1.4.Sonstiges

Keine Hinzurechnung von Schuldzinsen aus Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an Finanzdienstleistungsinstitut
Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich staatlich nach dem KWG beaufsichtigte Finanzdienstleistungen erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, sind nach § 19 Abs. 4 GewStDV von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG ausgenommen.

BFH v. 16.07.2020, IV R 30/18

Hinweis:
Nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus Entgelten für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden waren und soweit der Betrag 100.000 € übersteigt. Nach § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StEUVUmsG) v. 08.04.2010 (BGBl. 2010 I S. 386) unterbleibt jedoch eine Hinzurechnung von Schuldentgelten bei Finanzdienstleistungsinstituten i. S. d. § 1 Abs. 1a KWG, soweit die Entgelte unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG entfallen.

Die M KG führte in den Jahren 2009 - 2013 ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 10 des Kreditwesengesetzes (KWG) durch. Sie hatte eine aus mehreren Grundstücken bestehende Immobilie an einen Vertragspartner verleast. In den Jahren 2009 - 2013 bestand eine stille Beteiligung der L GmbH & Co. KG (L KG) an der M KG. Die L KG hatte ihre Einlage zum Teil fremdfinanziert. Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin ging der Prüfer davon aus, dass eine Hinzurechnung der von der L KG zur Finanzierung ihrer Einlage bei der M KG gezahlten Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG zu erfolgen habe. Der Ausnahmetatbestand nach § 19 GewStDV liege nicht vor, da die Entgelte nicht unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG entfielen.

Der BFH hat entschieden, dass eine Hinzurechnung der Schuldzinsen aus dem Erwerb der mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut nicht vorzunehmen ist.

Hätte im Streitfall eine typisch stille Beteiligung der L KG an der M KG vorgelegen, so hätte dies gewerbesteuerlich entlastende wie auch belastende Wirkungen. Da die belastenden Wirkungen die entlastenden Wirkungen jedoch überstiegen, wäre die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden. Handelte es sich bei der Beteiligung der L KG an der M KG um eine atypisch stille Beteiligung, wäre das Darlehen zur Finanzierung dieser Beteiligung passives Sonderbetriebsvermögen II der L KG bei der atypisch stillen Gesellschaft. Die Zinsen wären wie auch von der Klägerin und dem FA gehandhabt als Sonderbetriebsausgaben der L KG zu behandeln und würden den Gewerbeertrag des Betriebs der atypisch stillen Gesellschaft mindern. Die Zinsen wären dem Gewerbeertrag nicht nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG hinzuzurechnen. Denn sie erfüllen die Voraussetzungen der Privilegierung durch § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV. Der Wortlaut des § 19 Abs. 4 GewStDV erfasst auch Schuldentgelte aus dem Sonderbetriebsvermögen, die der Finanzierung eines Darlehens dienen, mit dem eine Einlage bei einem als atypisch stille Gesellschaft organisierten Finanzdienstleistungsinstitut finanziert wird, das wie für den Streitfall von dem FG festgestellt ausschließlich Finanzdienstleistungen i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG erbringt.
 
 
 

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