Rechtsprechung KW 50 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Zum Widerruf des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung
Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wirkt auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume, bis er vom Steuerpflichtigen widerrufen wird. Das Überschreiten der Umsatzgrenze ist weder ein Widerruf des Verzichts noch erledigt es die Verzichtserklärung in sonstiger Weise.

BFH v. 23.09.2020, XI R 34/19

Hinweis:
Nach § 19 Abs. 2 S. 1 UStG kann der Unternehmer dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 u. 4 UStG) erklären, dass er auf die Anwendung der Besteuerungsregelung des § 19 Abs. 1 UStG (sog. Kleinunternehmerregelung) verzichtet. Dieser Verzicht bindet nach Eintritt der „Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung“ den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 S. 2 UStG). Er kann sie mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen (§ 19 Abs. 2 S. 3 UStG). Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären (§ 19 Abs. 2 S. 4 UStG).

Der Kläger verzichtete im Gründungsjahr 2006 gem. § 19 Abs. 2 S. 1 UStG auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. In den Folgejahren bis einschließlich des Jahres 2016 gab er Umsatzsteuerjahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften berechnete. Mit seiner beim FA eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2017) wendete der Kläger erstmalig die Kleinunternehmerbesteuerung an. In den Rechnungen des Streitjahres wies er unter Hinweis auf § 19 UStG keine Umsatzsteuer aus. Das FA teilte dem Kläger mit, dass der Wechsel von der Regel- zur Kleinunternehmerbesteuerung für das Streitjahr nicht möglich sei, da der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre „von der Option nach § 19 Abs. 1 S. 2 UStG“ Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit gebunden sei.

Der BFH hat entschieden, dass der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume wirkt, bis er vom Steuerpflichtigen widerrufen wird.

Über die Form der Verzichtserklärung nach § 19 Abs. 2 UStG sowie ihres Widerrufs enthält das UStG keine Bestimmungen. Mit der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer nach den allgemeinen Grundsätzen berechnet, verzichtet er konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG. In gleicher Weise kann der Steuerpflichtige auch durch Abgabe der Umsatzsteuererklärung konkludent den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen. Es gelten beim Widerruf die gleichen Regeln wie für die Erklärung des Verzichts. Insbesondere ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „mindestens“ in § 19 Abs. 2 S. 2 UStG sowie aus § 19 Abs. 2 S. 3 UStG, dass der Verzicht i. S. d. § 19 Abs. 2 UStG nicht nach Ablauf von fünf Jahren unwirksam wird, sondern bis zu einem Widerruf fortwirkt. Der Kläger hat im Gründungsjahr 2006 durch Verzicht auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG die fünfjährige Bindungsfrist des § 19 Abs. 2 S. 2 UStG in Gang gesetzt, die mit Ablauf des Jahres 2010 endete. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Der Verzicht wirkte jedoch gleichwohl fort, so dass im Jahr 2011 kein erneuter Verzicht notwendig war.

Mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 hat der Kläger allerdings wirksam entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG diesen Verzicht aus dem Gründungsjahr widerrufen.
 

1.2.Einkommensteuer

Keine Berücksichtigung von Aufwendungen in Zusammenhang mit einem „Biberschaden“ als außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 EStG
Wildtierschäden als solche sind keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i. S. d. § 33 EStG vergleichbar.

Mit einem Wildtierschaden in Zusammenhang stehende Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren erlauben deshalb keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen.

BFH v. 01.10.2020, VI R 42/18

Hinweis:
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 S. 1 EStG).

Die Kläger bewohnen ein Einfamilienhaus, dessen Garten an ein natürliches Gewässer angrenzt, in dem sich in den letzten Jahren – sehr zur Freude der Naturschützer – der in Deutschland fast ausgestorbene Biber wieder angesiedelt hat. Diese Freude konnten die Kläger nur bedingt teilen, da die Biber auf ihrem Grundstück erhebliche Schäden anrichteten. So senkte sich durch die Anlage des Biberbaus nicht nur ein Teil der Rasenfläche ab, betroffen war auch die Terrasse, die auf ca. 8 m Länge zu einem Drittel absackte. Dem standen die Kläger relativ machtlos gegenüber, da die Biber unter strengem Naturschutz stehen und daher weder bejagt noch vergrämt werden dürfen. Im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde ließen die Kläger schließlich eine „Bibersperre“ errichten. Deren Kosten und die Kosten für die Beseitigung der Biberschäden an Terrasse und Garten von insgesamt rund 4.000 € machten die Kläger als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der BFH hat entschieden, dass Aufwendungen für die Beseitigung von durch einen Biber verursachten und zum Schutz vor weiteren Schäden nicht als außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 EStG abzugsfähig sind.

Wildtierschäden bzw. Schutzmaßnahmen zur Vermeidung solcher seien keineswegs unüblich und nicht mit anderen ungewöhnlichen Schadensereignissen i. S. d. § 33 EStG (wie z. B. Brand oder Hochwasser) vergleichbar. Mit einem entstandenen oder drohenden Wildtierschaden in Zusammenhang stehende Aufwendungen erlaubten deshalb auch dann keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen, wenn mit den Maßnahmen konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs (wie etwa dem eigenen Einfamilienhaus) ausgehende Gesundheitsgefahren beseitigt bzw. vermieden würden. Es sei nicht Aufgabe des Steuerrechts, für einen Ausgleich von durch Wildtiere verursachter Schäden bzw. für die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Präventionsmaßnahmen über eine entsprechende Abzugsmöglichkeit nach § 33 EStG Sorge zu tragen. Es obliege vielmehr dem Naturschutzrecht etwa durch Errichtung entsprechender Fonds- für einen Schadensausgleich bzw. Präventionsschutz zu sorgen.


Lohnzufluss bei Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm
Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 S. 9 bzw. S. 11 EStG ist auch anwendbar, wenn der Arbeitgeber die betrieblich veranlassten Sachzuwendungen an seine Arbeitnehmer pauschal gem. § 37b EStG versteuert.

Sachbezüge aufgrund der Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm sind laufender Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber sein vertragliches Versprechen, den teilnehmenden Arbeitnehmern die Nutzung bestimmter Fitnesseinrichtungen zu ermöglichen, fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit erfüllt.

Üblicher Endpreis i. S. d. § 8 Abs. 2 S. 1 EStG ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren oder Dienstleistungen tatsächlich gezahlt wird. Wird eine Ware oder Dienstleistung an Endverbraucher in der Regel nicht vertrieben, kann der Sachbezug grundsätzlich auch anhand der Kosten bemessen werden, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert des Sachbezugs nicht entspricht.

BFH v. 07.07.2020, VI R 14/18

Hinweis:
Nach § 37b Abs. 1 S. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer (für Nicht-Arbeitnehmer) einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden (§ 37b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) und für Geschenke i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG (§ 37b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG), die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben.

Der Arbeitgeber ermöglichte seinen Arbeitnehmern im Rahmen eines Firmenfitnessprogramms, in verschiedenen Fitnessstudios zu trainieren. Hierzu erwarb er jeweils einjährige Trainingslizenzen, für die monatlich jeweils 42,25 € zzgl. Umsatzsteuer zu zahlen waren. Die teilnehmenden Arbeitnehmer leisteten einen Eigenanteil von 16 € bzw. 20 €. Der Arbeitgeber ließ die Sachbezüge bei der Lohnbesteuerung außer Ansatz, da diese ausgehend von einem monatlichen Zufluss unter die 44 €-Freigrenze für Sachbezüge fielen. Das Finanzamt vertrat demgegenüber die Auffassung, den Arbeitnehmern sei die Möglichkeit, für ein Jahr an dem Firmenfitnessprogramm teilzunehmen, „quasi in einer Summe“ zugeflossen, weshalb die 44 €-Freigrenze überschritten sei. Es unterwarf die Aufwendungen für die Jahreslizenzen abzüglich der Eigenanteile der Arbeitnehmer dem Pauschsteuersatz von 30%. Dem schlossen sich jedoch weder das Finanzgericht noch der BFH an.

Der BFH hat entschieden, dass die 44 €-Freigrenze für Sachbezüge auch gilt, wenn Arbeitnehmer auf Kosten ihres Arbeitgebers an einem Firmenfitnessprogramm teilnehmen können.

Nach Ansicht des BFH ist der geldwerte Vorteil den teilnehmenden Arbeitnehmern als laufender Arbeitslohn monatlich zugeflossen. Der Arbeitgeber habe sein vertragliches Versprechen, den Arbeitnehmern die Nutzung der Fitnessstudios zu ermöglichen, unabhängig von seiner eigenen Vertragsbindung monatlich fortlaufend durch Einräumung der tatsächlichen Trainingsmöglichkeit erfüllt. Unter Berücksichtigung der von den Arbeitnehmern geleisteten Eigenanteile sei daher die 44 €-Freigrenze eingehalten worden, so dass der geldwerte Vorteil aus der Teilnahme an dem Firmenfitnessprogramm nicht zu versteuern sei.

Keine Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Übertragung des Mitunternehmeranteils und zeitgleicher Veräußerung funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens an Dritte
Eine noch nicht vollbeendete Personengesellschaft ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO selbst dann für einen ausgeschiedenen Gesellschafter klagebefugt, wenn der Rechtsstreit Feststellungen betrifft, die allein den ausgeschiedenen Gesellschafter persönlich angehen.

§ 6 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 EStG greift nicht ein, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.

BFH v. 10.09.2020, IV R 14/18

Hinweis:
Nach § 16 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen ist. Wird hingegen der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gem. § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Mitunternehmers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Der Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 S. 3 EStG an diese Werte gebunden.

Die Klägerin – eine GbR – ist Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der A-GmbH (Betriebs-GmbH). Miteigentümer des an die Betriebs-GmbH vermieteten Grundstücks waren C zu 75% und D zu 25%; Gesellschafter der Betriebs-GmbH waren C zu 75,2% und D zu 24,8%. C übertrug im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ihren Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück auf ihren Sohn. Mit gleichem Vertrag trat C einen Teilanteil an der Betriebs-GmbH (30%) an den Sohn ab. Die restlichen Anteile an der GmbH veräußerte C mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag an fremde Dritte. Das FA erfasste im Gewinnfestellungsbescheid einen Veräußerungsgewinn. Dieser setzte sich zusammen aus der Veräußerung der GmbH-Anteile sowie aus der Übertragung der Anteile und des Miteigentumsanteils an den Sohn.

Der BFH hat entschieden, dass § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG nicht eingreift, wenn zeitgleich mit der Veräußerung von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.

Der (gesamte) Mitunternehmeranteil des Gesellschafters im Sinne vorgenannter Vorschriften umfasst sowohl den Anteil am Gesamthandsvermögen (Gesellschaftsanteil) als auch das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen. Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 EStG setzt voraus, dass neben dem Gesellschaftsanteil sämtliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens (I und II) übertragen werden, die funktional wesentlich sind. Zum Buchwert findet eine Anteilsübertragung demnach grundsätzlich nur dann statt, wenn neben dem Gesellschaftsanteil auch das gesamte funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden auf den Rechtsnachfolger übertragen wird. Maßgebend dafür, ob ein (gesamter) Mitunternehmeranteil (entgeltlich oder unentgeltlich) übertragen wird, ist das Betriebsvermögen, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert.

Die parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 u. Abs. 5 EStG bei zeitgleichen Übertragungsakten liegt insbesondere darin begründet, dass diese Privilegierungen nach dem Wortlaut des Gesetzes gleichberechtigt nebeneinander stehen. Ein Rangverhältnis ist weder ausdrücklich geregelt noch lässt es sich im Wege der Auslegung bestimmen. Werden hingegen zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils stille Reserven in funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt, kommt eine parallele Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 u. § 16 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht in Betracht.

Für die Frage, ob mehrere Übertragungen in zeitlicher Reihenfolge erfolgt sind oder nicht, ist auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der BFH hat an das FG zurückverwiesen, um den Zeitpunkt des Übergangs zu bestimmen. Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG ist es unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) ganzen Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Das Wirtschaftsgut scheidet auch dann vorab aus dem zu übertragenden Mitunternehmeranteil aus, wenn es eine „juristische Sekunde“ vor dessen Übertragung hieraus entfernt wird.
 

1.3.Internationales Steuerrecht

Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Abschreibung auf unbesicherte Darlehens- und Zinsforderung im Konzern
Art. 9 Abs. 1 OECD-MA (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei 2011) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehens- und Zinsforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.02.2019, I R 73/16, BStBl. 2019 II S. 394).

Einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG steht bei Geschäftsbeziehungen mit Tochtergesellschaften aus Drittstaaten das Unionsrecht nicht entgegen (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.02.2019, I R 51/17, BFHE 264, 292 und der Folgeurteile v. 19.06.2019, I R 5/17, BFH/NV 2020 S. 183 und v. 14.08.2019, I R 14/18, juris).

§ 68 S. 1 FGO ist anwendbar, wenn das Finanzamt in dem Gewinnfeststellungsbescheid einer Mitunternehmerschaft, den es während des gegen den ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheid gerichteten Klageverfahrens erlässt, für die streitige Korrektur einer gewinnmindernden Teilwertabschreibung nicht mehr auf § 1 Abs. 1 AStG, sondern auf § 8b Abs. 3 S. 4 i. V. m. Abs. 6 S. 1 KStG abstellt, und gleichzeitig den Nettoausweis der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einen Bruttoausweis mit gesonderter Feststellung der unter § 8b KStG fallenden Einkünfte ändert.

BFH v. 19.02.2020, I R 19/17

Hinweis:
Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gem. § 1 Abs. 5 AStG jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

Die Klägerin ist eine inländische KG. Im Jahr 2010 gewährte sie einer in der Türkei ansässigen Tochtergesellschaft (T Ltd.) ein unbesichertes Darlehen mit zweijähriger Laufzeit, welches mit 6 % verzinst wurde. Das Darlehen diente insbesondere der Begleichung von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber der Klägerin. 2011 folgte die Liquidation der T Ltd., weshalb die Klägerin eine Teilwertabschreibung auf ihre Darlehensforderung vornahm. Im Rahmen der Betriebsprüfung rechnete das Finanzamt die Teilwertabschreibung gem. § 1 AStG außerbilanziell wieder hinzu. Der BFH hat entschieden, dass die Teilwertabschreibung gem. § 1 AStG hinzuzurechnen ist.

Der Senat kann hierfür offen lassen, ob und inwieweit bereits kein steuerlich anzuerkennendes Darlehen, sondern eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlage in das Vermögen der T Ltd. Vorlag. Auch die vom FG behandelte Frage, ob und inwieweit die Zahlungen, welche die Klägerin nachträglich erhalten hat, als wertaufhellende Tatsachen bereits die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung ausschließen, braucht nicht entschieden zu werden. Entsprechendes gilt für die ebenfalls vom FG behandelte – und verneinte – Frage, ob die Korrektur nach § 8b Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 8b Abs. 6 S. 1 KStG unter Berücksichtigung des Wortlauts „im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung“ auch die Korrektur der auf die Zinsforderung vorgenommenen Teilwertabschreibung erfasst. Die in dem Gewinnfeststellungsbescheid vorgenommene Korrektur war als weitergehende Berichtigung i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 3 AStG jedenfalls gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AStG in vollem Umfang gerechtfertigt.


Kein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners
Einem in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen US-amerikanischen Staatsangehörigen steht das Veranlagungswahlrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Bst. b i. V. m. S. 7 EStG auch dann nicht zu, wenn er in einem EU- oder EWR-Staat (hier: Niederlande) wohnt. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 ergibt sich insoweit kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem beschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen.

Im Rahmen der Prüfung der „gleichen Verhältnisse“ i. S. d. Art. 24 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 sind nicht nur die tatsächlichen Umstände, sondern auch die rechtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die für die jeweilige Besteuerung maßgeblich sind. Im Fall des § 50 Abs. 2 S. 7 EStG sind dies die auf Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit) beruhende Verpflichtung Deutschlands zur Schaffung des Veranlagungswahlrechts und die Begrenzung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten.

Eine abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes („Treaty override“) kann nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist. Eine Rangfolge zwischen Normen des innerstaatlichen Steuerrechts und des Abkommensrechts kann daher nicht allein an der zeitlichen Reihenfolge ihres jeweiligen Inkrafttretens festgemacht werden.

BFH v. 03.09.2020, I R 80/16

Hinweis:
Gem. § 50 Abs. 2 S. 1 EStG gilt die Einkommensteuer u.a. für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs greift zwar nach § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Bst. b EStG u. a. dann nicht, wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird. § 50 Abs. 2 S. 7 EStG bestimmt aber wiederum, dass das vorgenannte Veranlagungswahlrecht nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Staates gilt, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Der Kläger ist US-Staatsangehöriger mit Wohnsitz in den Niederlanden. Er erzielt als Opernsänger im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Lohnsteuerabzug durch seinen Arbeitgeber erfolgte pauschal mit einem Steuersatz von 25%. Werbungskosten und Sonderausgaben blieben unberücksichtigt. Der Kläger beantragte daher die Durchführung einer Veranlagung. Dies lehnte das beklagte Finanzamt ab, da der Kläger kein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR sei.

Der BFH hat mit obiger Begründung entschieden, dass kein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners besteht.
 
 

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