Rechtsprechung KW 47 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Steuerbegünstigte Schenkung eines Kommanditanteils
Der Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 ist erfüllt, wenn ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerrechtlichen Sinn vom Schenker auf den Beschenkten übergegangen ist.

Ob vor der Übertragung wesentliches Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt wurde, ist für die Gewährung der Steuerbegünstigung unbeachtlich, solange es sich bei dem übertragenen Anteil um einen Mitunternehmeranteil handelt.

Für den rückwirkenden Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vor 2009 ist bei einer teilweisen Veräußerung regelmäßig davon auszugehen, dass der Erwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Teil-Kommanditanteile veräußert.

BFH v. 17.06.2020, II R 33/17

Hinweis:
Nach § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 bleiben Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften i. S. d. Abs. 4 vorbehaltlich des Satzes 2 insgesamt bis zu einem Wert von 225.000 € außer Ansatz beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden, wenn der Schenker dem Finanzamt unwiderruflich erklärt, dass der Freibetrag für diese Schenkung in Anspruch genommen wird. Der nach Anwendung des Abs. 1 verbleibende Wert des Vermögens i. S. d. Abs. 4 ist mit 65 % anzusetzen (§ 13a Abs. 2 ErbStG vor 2009). Nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 gelten der Freibetrag und der verminderte Wertansatz für inländisches Betriebsvermögen u. a. beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 3 EStG.

Die Tante des Beschenkten war alleinige Kommanditistin einer GmbH & Co. KG (KG) sowie Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Die KG betrieb ein Autohaus. Die Tante überließ ihr gehörende Grundstücke der KG zur Nutzung. Die Tante übertrug dem Beschenkten ihre Anteile an der KG in mehreren Schritten. Die der KG zur Nutzung überlassenen Grundstücke brachte sie aufgrund notariell beurkundeten Vertrags vom selben Tag in eine zuvor von ihr neu gegründete Grundstücks-GmbH & Co. KG ein. In der Folge veräußerte der Beschenkte einen Teil der erhaltenen KG-Anteile an einen Dritten. Das FA vertrat die Auffassung, für den erworbenen Kommanditanteil könnte bereits von Anfang an die Steuerbegünstigung nicht gewährt werden, weil die Voraussetzungen des § 13a ErbStG aufgrund der Zurückbehaltung von nicht mitübertragenem notwendigen Sonderbetriebsvermögen nicht erfüllt seien.

Der BFH hat entschieden, dass es für die Steuerbefreiung gem. § 13a ErbStG unschädlich ist, wenn der Schenker für der Übertragung wesentliches Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt hat. Für den Wegfall der Steuervergünstigung ist bei einer teilweisen Veräußerung davon auszugehen, dass der Erwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Teil-Kommanditanteile veräußert.

Die ertragsteuerlichen Grundsätze (§ 6 Abs. 3 EStG) gelten für die Frage, ob der Tatbestand des § 13a ErbStG erfüllt und Betriebsvermögen in Form eines Mitunternehmeranteils vom Schenker auf den Bedachten übergegangen ist. Maßgeblich ist allein, ob es sich zum Zeitpunkt des Erwerbs um einen Mitunternehmeranteil im ertragsteuerrechtlichen Sinn handelt. Ist dies zu bejahen, ist eine funktionierende Wirtschaftseinheit von dem Schenker auf den Bedachten übergegangen. Dies rechtfertigt die Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG.

Ob zuvor Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt wurde, ist für die Gewährung der erbschaftsteuerlichen Steuerbegünstigung unbeachtlich, solange es sich bei dem übertragenen Anteil um einen Mitunternehmeranteil handelt. Für den rückwirkenden Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vor 2009 ist bei einer teilweisen Veräußerung regelmäßig davon auszugehen, dass der Erwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Teil-Kommanditanteile veräußert.
 

1.2.Einkommensteuer

Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude: FG darf die vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht durch die mittels der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen
Das FG darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen.

Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht.

Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.

BFH v. 21.07.2020, IX R 26/19

Hinweis:
Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG).

Die Klägerin hat im Jahr 2017 eine (vermietete) Eigentumswohnung in einer Großstadt zum Kaufpreis von 110.000 € erworben. Nach dem Kaufvertrag sollten davon 20.000 € auf das Grundstück entfallen. Dementsprechend ging die Klägerin für Abschreibungszwecke von einem Gebäudeanteil von rund 82 % aus. Hingegen ermittelte das Finanzamt einen Gebäudeanteil von rund 31 %. Dabei legte es die vom BMF im Internet bereitgestellte „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ zugrunde. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab und sah in der Arbeitshilfe ein geeignetes Wertermittlungsverfahren, um die Marktangemessenheit einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, zugleich aber auch eine geeignete Schätzungshilfe.

Der BFH hat entschieden, dass die Finanzgerichte eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Verhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die nach Maßgabe der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen dürfen.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Die Arbeitshilfe des BMF gewährleiste die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude nicht. Denn die Auswahl der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren würde auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt. Auch bleibe der vor allem in großstädtischen Ballungsräumen relevante Orts- oder Regionalisierungsfaktor bei der Ermittlung des Gebäudewerts unberücksichtigt. Deshalb sei das FG im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung in der Regel gehalten, das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen.
 

1.3.Sonstiges

Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft
Grundbesitzende Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein.

Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend.

Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

BFH v. 27.05.2020, II R 45/17

Hinweis:
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer – soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden.

Die Klägerin, eine GmbH, war mit 100 % an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH war als Kommanditistin zu 95 % am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden KG beteiligt. Weitere Kommanditistin der KG mit einem Anteil von 5 % am Gesellschaftsvermögen war die G-GmbH. Die G-GmbH verkaufte ihre 5%ige Kommanditbeteiligung an der KG an die B‑GmbH. Nach den Verkäufen waren somit an der KG die A-GmbH als Komplementärin und die B-GmbH zu 100% als Kommanditistin beteiligt. Das FA setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Das FA ging davon aus, dass der Erwerb der Kommanditbeteiligung an der KG seitens der B-GmbH und der Erwerb aller Anteile an der D-GmbH seitens der Klägerin durch den Kaufvertrag den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt habe.

Der BFH hat entschieden, dass für eine Anteilsvereinigung der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung maßgebend ist. Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Wird die Beteiligung an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten, ist für die Beurteilung, ob mittelbar mindestens 95 % der Anteile i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden, in Hinblick auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung des erwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend. Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 95 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Dieselben Grundsätze gelten, wenn die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und es sich bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt. Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.
 
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Internationales Steuerrecht

Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen bei steuerfreiem Arbeitslohn aus der Schweiz
Das BMF hat zur Anwendung von § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG Stellung genommen.

BMF v. 19.11.2020

Hinweis:
Gem. § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 EStG kommt ein Sonderausgabenabzug für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG nur in Betracht, wenn diese nicht in „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Mit Urteil v. 05.11.2019, X R 23/17 hat der BFH zum Sonderausgabenabzugsverbot für Altersvorsorgeaufwendungen bei steuerfreiem Arbeitslohn aus der Schweiz entschieden.
  • Das Sonderausgabenabzugsverbot für Altersvorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in der Schweiz erzielten und im Inland steuerlich freigestellten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 EStG), verstößt gegen die durch das Freizügigkeitsabkommen (FZA) gewährleisteten Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung (Anschluss an das EuGH-Urteil Bechtel vom 22.06.2017 - C-20/16, EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271).
  • Die durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) rückwirkend eingefügte Ausnahme vom Abzugsverbot in § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 EStG ist zwar nicht vom Wortlaut, wohl aber im Wege unionsrechtskonformer Auslegung auch für Fälle einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in der Schweiz anzuwenden. Dies gebietet der Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, der sich auch auf den Inhalt des FZA erstreckt.
Im Vorgriff auf eine gesetzliche Anpassung des Sonderausgabenabzugsverbotes von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG gilt das Folgende:

Entgegen § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 EStG sind Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit
  • sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen,
  • diese Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Inland steuerfrei sind und
  • der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.
Die vorstehenden Regelungen sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
 

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