Rechtsprechung KW 39 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Sonstiges

Gewinnrealisierung bei Abspaltung eines Teilbetriebs von einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei einer Personengesellschaft gehalten werden
Befinden sich bei einer Abspaltung i. S. d. § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger im notwendigen Sonderbetriebsvermögen II des Gesellschafters einer Personengesellschaft und werden diesem infolge der Abspaltung Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger zugeteilt, bleiben diese Anteile bis zu ihrer Entnahme gleichfalls notwendiges Sonderbetriebsvermögen II dieses Gesellschafters.

Zu einem Sondergewinn des Gesellschafters kann sowohl der „Anteilstausch“ selbst als auch eine Entnahme der von dem übernehmenden Rechtsträger zugeteilten Anteile aus dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II führen.

BFH v. 28.05.2020, IV R 17/17

Hinweis:
Gem. § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG kann ein Rechtsträger (übertragender Rechtsträger) von seinem Vermögen einen Teil abspalten zur Aufnahme durch Übertragung dieses Teils auf einen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften dieses Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (Abspaltung).

Im Streitfall wurde ein Teilbetrieb einer AG auf eine GmbH abgespalten. Die Anteile an der AG gehörten zu Sonderbetriebsvermögen der der beiden Kommanditisten der Klägerin. Streitig ist, ob die Abspaltung zu einer gewinnwirksamen Entnahme gem. § 4 Abs. 1 S. 2 EStG aus dem Sonderbetriebsvermögen führt.

Der BFH hat entscheiden, dass bei einer Abspaltung die Anteile am übertragenden Rechtsträger bis zu ihrer Entnahme notwendiges Sonderbetriebsvermögen II des Gesellschafters bleiben.

Das FG hat keine Feststellungen zum Vorliegen einer Betriebsaufspaltung getroffen. Dass die Klägerin – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – (auch) im Streitjahr gewerbliche Einkünfte erzielt hat, könnte sich auch aus einer gewerblichen Prägung i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ergeben. Dass zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Anteile an der AG vor und nach der streitbefangenen Abspaltung als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II der beiden Gesellschafter der Klägerin anzusehen sind, spricht allerdings dafür, dass zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der AG als Betriebsgesellschaft eine Betriebsaufspaltung bestanden hat, weil die Klägerin der AG bei auch personeller Verflechtung beider Unternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen verpachtet hat (sachliche Verflechtung). Das FG wird unter Beachtung des Verböserungsverbots zu prüfen haben, inwieweit es zu einer Gewinnrealisierung bereits durch einen „Tausch“ der Anteile an der AG als übertragendem Rechtsträger gegen Anteile an der GmbH als übernehmendem Rechtsträger gekommen ist bzw. für den Fall, dass keine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin als Besitz- und der GmbH als Betriebsgesellschaft vorgelegen hat, zu welchem Wert zugeteilten GmbH-Anteile (Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 100 €) aus deren Sonderbetriebsvermögen II bei der Klägerin entnommen worden sind.
 

1.2.Einkommensteuer

Werbungskostenabzug bei Zuwendungen der Bundeswehr durch die Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsunterkunft
Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten (Bestätigung der Rechtsprechung).

Zuwendungen der Bundeswehr durch die kostenlose Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsunterkunft sind bei einem Zeitsoldaten neben den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten abziehbar, wenn er die Gemeinschaftsunterkunft ausschließlich für dienstliche Zwecke und nicht zum Wohnen am Beschäftigungsort nutzt.

BFH v. 28.04.2020, VI R 5/18

Hinweis:
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind.

Der Kläger war Zeitsoldat bei der Bundeswehr am Standort X. Die Bundeswehr stellte dem Kläger unentgeltlich eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung. Für die Gestellung der Unterkunft setzte die Bundeswehr einen geldwerten Vorteil nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung i. H. v. monatlich 51 € (612 € für das Streitjahr) an. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. H. v. 1.796,70 € (113 Fahrten à 53 km x 0,30 €/km) geltend. Daneben beantragte er die Anerkennung von Unterkunftskosten am Beschäftigungsort in Höhe des von der Bundeswehr in Ansatz gebrachten Sachbezugs von 612 €. Das FA versagte aber den Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten auch im Einspruchsverfahren.

Der BFH hat entschieden, dass in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten. Das ist bei Zuwendungen durch die kostenlose Zurverfügungstellung der Gemeinschaftsunterkünfte der Fall, wenn die Gemeinschaftsunterkunft ausschließlich für dienstliche Zwecke und nicht zum Wohnen am Beschäftigungsort genutzt wird.

Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten. Beim Kläger wurde ein geldwerter Vorteil als Sachbezug angesetzt und in Höhe der amtlichen Sachbezugswerte der Besteuerung unterworfen. Dem Kläger steht in derselben Höhe ein entsprechender Werbungskostenabzug zu. Denn er hätte die Aufwendungen für die Gemeinschaftsunterkunft, wenn er sie selbst getragen hätte, gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG als Werbungskosten abziehen können. Die Aufwendungen wären beruflich veranlasst gewesen. Dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG ständen im vorliegenden Fall die Vorschriften der doppelten Haushaltsführung nicht entgegen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das damit in Zusammenhang stehende Wahlrecht des Steuerpflichtigen, entweder die Aufwendungen für die (täglichen) Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte oder die Kosten für die Zweitwohnung nebst einer wöchentlichen Familienheimfahrt als Werbungskosten geltend zu machen.

Abgrenzung zwischen nicht fristgerecht und lediglich fehlerhaft übermittelten Rentenbezugsmitteilungen / Softwarehersteller als Erfüllungsgehilfe
Die fristgerechte, aber inhaltlich fehlerhafte Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen an die ZfA rechtfertigt nicht die Festsetzung eines Verspätungsgeldes gemäß § 22a Abs. 5 EStG, sofern die Mitteilungen für die Finanzverwaltung zum Zwecke der Besteuerung der Alterseinkünfte verarbeitungsfähig sind (Anschluss an Senatsurteil v. 20.02.2019, X R 28/17, BStBl. 2019 II S. 430 Rz. 72 ff.).

Ein Unternehmer, der eine auf die Verhältnisse des Mitteilungspflichtigen zugeschnittene Software konkret für die Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen herstellt, ist – anders als beim Vertrieb von Standardsoftware – insoweit dessen Erfüllungsgehilfe (Anschluss an Senatsurteil vom 20.02.2019, X R 29/16, BStBl. 2019 II S. 425 Rz. 37 ff.).

BFH v. 06.05.2020, X R 8/19

Hinweis:
Wird eine Rentenbezugsmitteilung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 22a Abs. 1 S. 1 EStG a. F. vom Mitteilungspflichtigen übermittelt, bestimmt Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift (a. F.), dass für jeden angefangenen Monat, in dem die Mitteilung noch aussteht, ein Betrag in Höhe von 10 € für jede ausstehende Rentenbezugsmitteilung an die ZfA als Verspätungsgeld zu entrichten ist.

Klägerin ist ein berufsständisches Versorgungswerk. Zur Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen gem. § 22a Abs. 1 EStG bediente sie sich als Geschäftsbesorgerin der X. X setzte hierfür eine von einer externen Dienstleisterin (A GmbH) entwickelte Software ein. Die Rentenbezugsmitteilungen für das Streitjahr übermittelte X irrtümlich nicht unter der für die Klägerin vergebenen, sondern unter ihrer eigenen Kundennummer. Grund hierfür war ein von der A GmbH fehlerhaft aufgespieltes Update, wobei X der A GmbH hierzu eine veraltete Programmversion zur Verfügung gestellt hatte. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Prüfung, bei der die dementsprechend fehlerhafte Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen offenbar wurde, setzte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) gegenüber der Klägerin ein Verspätungsgeld gem. § 22a Abs. 5 EStG fest.

Der BFH hat entschieden, dass die fristgerechte, aber inhaltlich fehlerhafte Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen an die ZfA nicht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechtfertigt.

Der BFH hat bereits entschieden, dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der Vorschrift ein Verspätungsgeld nur dann erhoben werden kann, wenn die Rentenbezugsmitteilung verspätet oder gar nicht übermittelt wird. Dagegen wird eine lediglich fehlerhafte Meldung tatbestandlich nicht erwähnt und kann infolgedessen nicht mit einem Verspätungsgeld belegt werden. Allerdings kann nicht jede Übermittlung einer fehlerhaften Rentenbezugsmitteilung als fristwahrend angesehen werden. Eine Rentenbezugsmitteilung kann dann nicht als übermittelt gelten, wenn sie derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf ihre Nichtübermittlung hinausliefe. Nach diesen Grundsätzen sind die von X für die Klägerin übersandten Rentenbezugsmitteilungen zwar als fehlerhaft anzusehen. Diese Mitteilungen sind der Klägerin auch zuzurechnen. Allerdings kann nicht auf sicherer Tatsachengrundlage entschieden werden, ob die vorliegenden Fehler ein solches Ausmaß aufweisen, dass die unrichtigen Mitteilungen einer Nichtübermittlung gleichzusetzen wären. Bislang ist nicht hinreichend geklärt, ob bzw. – wenn ja – aus welchem plausiblen Grund die ZfA tatsächlich außerstande war oder gewesen sein soll, die insoweit fehlerbehafteten Datensätze an die jeweiligen Landesfinanzverwaltungen weiterzuleiten. Sollten die Feststellungen des zweiten Rechtsgangs die Entscheidung tragen, dass die zunächst übersandten Rentenbezugsmitteilungen nicht nur als fehlerhaft, sondern in Anbetracht des Fehlerausmaßes als gar nicht übermittelt anzusehen wären, hätte das FG zu prüfen, ob das von X beauftragte Softwareunternehmen (A GmbH) bzw. X selbst die Fehlerhaftigkeit des Datenversands zu vertreten hatten. Deren Vertretenmüssen wäre der Klägerin nach § 22a Abs. 5 S. 4 EStG a. F. zuzurechnen.
 

2.Verwaltungsanweisungen

2.1.Sonstiges

Gleich lautende Erlasse zum Steuergegenstand der GewSt
Das BMF hat die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu den Folgen des BFH-Urteils vom 06.06.2019, IV R 30/16 auf die Gewerbesteuer veröffentlicht.

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 01.10.2020

Hinweis:
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit u.a. einer KG, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ausübt (Alt. 1) oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bezieht (Alt. 2).

Mit Urteil v. 06.06.2019, IV R 30/16 hat der BFH zu den gewerbesteuerlichen Folgen der Umqualifizierung von Einkünften in gewerbliche Einkünfte aufgrund von gewerblichen Beteiligungseinkünften entschieden.
  • § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG ist in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß.
  • § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.
Gewerbesteuerliche Fragen, über die durch Urteil entscheiden gewesen wäre, waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Nach dem Ergebnis einer Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder sind die im Urteil zum Ausdruck kommenden gewerbesteuerlichen Grundsätze folglich nicht allgemein anzuwenden.
 
 

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