Rechtsprechung KW 27 - 2020

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs nach dem Tod des Pflichtteilsverpflichteten
Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen.

Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.

BFH v. 05.02.2020, II R 1/16

Hinweis:
Zu den nach § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG i. V. m. § 10 Abs. 3 - Abs. 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen (§§ 2303 ff. BGB).

Der Vater des Pflichtteilsberechtigten verstarb am 09.01.2008. Er wurde von dessen Ehefrau, der Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten, allein beerbt. Der Pflichtteilsberechtigte machte zunächst keine Pflichtteilsansprüche geltend. Das FA setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb von Todes wegen gegenüber der Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten mit Bescheid vom 09.10.2008 auf 0 € fest. Die Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten verstarb am 01.01.2011. Der Pflichtteilsberechtigte war ihr Alleinerbe. Das FA setzte mit Bescheid vom 26.09.2011 die Erbschaftsteuer gegen den Pflichtteilsberechtigten wegen des Erwerbs von Todes wegen nach seiner verstorbenen Stiefmutter auf 61.965 € fest. Am 04.09.2013 beantragte der Pflichtteilsberechtigte, den Erbschaftsteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern und den von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch i. H. v. 97.774 € nachträglich als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen. Er habe, nachdem seine Stiefmutter verstorben und er deren alleiniger Erbe geworden sei, mit einem an sich selbst gerichteten Schreiben vom 14.08.2013 seinen Pflichtteilsanspruch aus der Erbschaft nach seinem Vater geltend gemacht.

Der BFH hat entschieden, dass die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht so weit reicht, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.

Der originär beim Pflichtteilsberechtigten entstandene Pflichtteilsanspruch gilt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird. Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB), erloschen ist, geht die Verbindlichkeit gem. §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt. Die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils stellt dabei – abweichend vom Zivilrecht – erbschaftsteuerrechtlich nur dann eine vom Pflichtteilsverpflichteten als Erblasser herrührende Schuld und somit eine gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nach dessen Tod nunmehr geltend macht. Dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn der Pflichtteilsberechtigte zugleich der Erbe des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten ist.

Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den Tod des Pflichtteilsverpflichteten – zivilrechtlich betrachtet – sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person. Im Erbschaftsteuerrecht hingegen gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten nachzuholen. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der aufgrund Konfusion zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerrechtlich auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war. Der Pflichtteilsberechtigte konnte den zivilrechtlich bereits erloschenen Pflichtteilsanspruch nachträglich nicht mehr gegen sich selbst als Alleinerben seiner Stiefmutter geltend machen. Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen seine Stiefmutter wegen des Todes seines Vaters im Zeitpunkt der Geltendmachung im August 2013 zivilrechtlich bereits verjährt war. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG umfasst nicht die Geltendmachung verjährter und zivilrechtlich durch Konfusion erloschener Pflichtteilsansprüche.

1.2.Einkommensteuer

Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundesreisebahnvermögens als Versorgungsbezüge
Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i. S. d. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens der Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden ist (Anschluss an Senatsurteil v. 06.02.2013, VI R 28/11, BStBl. 2013 II S. 572).

Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens sind Versorgungsbezüge, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Dies gilt auch, wenn die Fahrvergünstigungen aufgrund eines vor Erreichens der Altersgrenze abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrags geleistet werden.

BFH v. 11.03.2020, VI R 26/18

Hinweis:
Werden keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist nach § 9a S. 1 Nr. 1 Bst. a EStG bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich § 9a S. 1 Nr. 1 Bst. b EStG ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € abzuziehen. Nach § 9a S. 1 Nr. 1 Bst. b EStG ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, soweit es sich um Versorgungsbezüge i. S. d. § 19 Abs. 2 EStG handelt, ein Pauschbetrag von 102 € abzuziehen, wenn keine höheren Werbungskosten nachgewiesen werden. Nach seiner Pensionierung erhielt er Versorgungsbezüge vom BEV. Für die Streitjahre bescheinigte das BEV, dass es sich bei dem Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge gehandelt habe. Das FA veranlagte den Kläger entsprechend der Lohnsteuerbescheinigungen. Den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Abs. 1 Nr. 1 Bst. a EStG berücksichtigte das FA nicht.

Der Kläger war als Beamter für die Deutsche Bahn tätig. Im Juni 1994 schloss er mit der Deutsche Bahn AG einen Anstellungsvertrag. Das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) beurlaubte den Kläger unter Wegfall der Besoldung aus seinem Beamtenverhältnis.

Der BFH hat entschieden, dass Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens Versorgungsbezüge sind, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden.

Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen Jahresnetzkarten hatte er aufgrund des mit der DB AG geschlossenen Anstellungsvertrags erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 1 S. 2 des Anstellungsvertrags erhielt der Kläger die Jahresnetzkarten auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes. Die kostenlosen Jahresnetzkarten stellen vorliegend Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG dar, die „in anderen Fällen“ aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze geleistet wurden. Der Kläger erhielt die kostenlosen Netzkarten im Streitfall insbesondere nicht aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, sondern aufgrund seines Anspruchs aus § 9 Abs. 1 S. 2 des privatrechtlichen Anstellungsvertrags mit der DB AG.

Kindergeld für ein volljähriges behindertes Kind; Feststellung eines Gendefektes nach Vollendung des 27. Lebensjahres
Für die Beurteilung des Merkmals „Behinderung“ i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG ist die in § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX enthaltene Legaldefinition in der im jeweiligen Streitzeitraum geltenden Fassung maßgeblich.

Der Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX i.d.F. bis 31.12.2017 setzt eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation voraus, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und kausal zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt.

Alle drei Tatbestandsmerkmale des Behinderungsbegriffes müssen vor Vollendung der in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Hs. 2 EStG geregelten Altersgrenze eingetreten sein und zusätzlich auch während des Zeitraums bestehen, für den der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird.

Eine drohende Behinderung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG.

Liegt bei einem Kind ein Gendefekt vor, der vor Erreichen der Altersgrenze des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Hs. 2 EStG zu keiner mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernden Funktionsstörung und/oder zu keiner darauf beruhenden Teilhabebeeinträchtigung geführt hat, scheidet ein auf die Behinderung gestützter Kindergeldanspruch aus.

BFH v. 27.11.2019, III R 44/17

Hinweis:
Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Hs. 1 EStG besteht für ein Kind des Anspruchsberechtigten, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Kindergeldanspruch, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Hs. 2 EStG, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Der Kläger ist der Vater einer im August 1968 geborenen Tochter, die an einer Muskelerkrankung in Form der Myotonen Dystrophie Curschmann Steinert leidet. Trotz erster Symptome im Alter von ca. 15 Jahren, wurde die Erkrankung zunächst nicht erkannt. Die Diagnose erfolgte erst 1998. In der Folgezeit verstärkte sich die Muskelschwäche und es wurde im Jahr 2005 zunächst ein Grad der Behinderung von 50 und im Jahr 2009 von 100 festgestellt. Die Tochter absolvierte eine Berufsausbildung und befand sich bis 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Ab Oktober 2011 erhielt sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger beantragte 2014, ihm für seine Tochter ab Januar 2010 Kindergeld zu gewähren. Dies lehnte die Familienkasse unter Hinweis darauf ab, dass die Behinderung nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei.

Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage für die Monate statt, in denen die der Tochter zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfes ausreichten.

Der BFH hat entschieden, dass ein Gendefekt nur dann eine relevante Behinderung darstellt, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.

Der Behinderungsbegriff erfordert eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt. Nicht ausreichend ist es nach der Entscheidung des BFH dagegen, wenn vor Erreichen der Altersgrenze eine Behinderung zwar droht, aber noch nicht eingetreten ist. Der BFH hielt daher die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts für nicht ausreichend. Das FG war zwar auf der Grundlage des festgestellten Grades der Behinderung für die streitigen Monate ab 2011 zu Recht vom Vorliegen einer Behinderung ausgegangen. Für die Frage, ob die Behinderung bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres – also bis August 1995 – eingetreten ist, ließ das FG aber zu Unrecht bereits den festgestellten angeborenen Gendefekt ausreichen. Dem Finanzgericht wurde daher für den zweiten Rechtsgang aufgegeben, nähere Feststellungen dazu zu treffen, ob der Gendefekt bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu Funktions- und Teilhabebeeinträchtigungen bei der Tochter des Klägers geführt hatte.

Kindergeld; Anforderungen an die nachvollziehbare Gesamtwürdigung der Umstände bei Abgrenzung zwischen einheitlicher Erstausbildung und Zweitausbildung
Die im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG vorzunehmende Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) ist anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse vorzunehmen.

Diese Gesamtwürdigung ist als eine im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Allerdings ist die Gesamtwürdigung materiell-rechtlich fehlerhaft, wenn die Tatsacheninstanz die maßgeblichen Umstände nicht vollständig oder ihrer Bedeutung entsprechend in ihre Überzeugungsbildung einbezieht.

BFH v. 19.02.2020, II R 28/19

Hinweis:
Nach § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i. S. d. §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 S. 3 EStG).

B absolvierte im Zeitraum August 2013 bis Juni 2016 bei einer Stadtverwaltung erfolgreich eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten (Verwaltungslehrgang I). Anschließend wurde B mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Std. von der Stadtverwaltung übernommen. Der Arbeitgeber meldete B am 03.08.2016 zum nächstmöglichen Termin (ab November 2016) für die Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt (Verwaltungslehrgang II) an.

Ausweislich einer Schulbescheinigung bietet der Lehrgang eine vertiefende Weiterbildung für Fachkräfte der Verwaltung, die als Verwaltungsfachangestellte ausgebildet worden sind, um die Teilnehmer für eine qualifizierte Sachbearbeitung und die Übernahme von Führungsaufgaben zu befähigen. Der Unterricht wird freitags sowie an jedem zweiten Samstag erteilt. Zusätzlich findet in den Herbst- und Osterferien ganztägiger Blockunterricht statt. Dieser Verwaltungslehrgang umfasst insgesamt 1050 Stunden Unterricht und sollte bis voraussichtlich Juni/Juli 2019 dauern.

Der BFH hat entschieden, dass die Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) anhand einer Gesamtwürdigung aller Verhältnisse vorzunehmen ist.

Es kann an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten.

Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z. B. ein Geselle oder ein Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung.

Zum Eingreifen der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG bei sog. Notfallpraxen
Ist bei einem in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der als Behandlungsraum eingerichtet ist und der nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird, aufgrund seiner Einrichtung und tatsächlichen Nutzung eine private (Mit-)Nutzung praktisch auszuschließen, begründet allein der Umstand, dass die Patienten den Behandlungsraum nur über einen dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichen können, keine Abzugsbeschränkung gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG für die hierfür geltend gemachten Betriebsausgaben.

BFH v. 29.01.2020, VIII R 11/17

Hinweis:
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG).

In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3 EStG).

Die Klägerin ist Augenärztin. Sie betrieb zusammen mit zwei weiteren Ärztinnen und einem Arzt eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR. Daneben unterhielt die Klägerin im Keller ihres privaten Wohnhauses einen für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteten Raum. Das Haus der Klägerin verfügte über einen Hauseingang im Erdgeschoss, durch den man in einen Flur gelangte. Von dem Flur führte eine Treppe in den Keller, wo sich neben dem Notbehandlungsraum ein Heizungsraum, ein Hauswirtschaftsraum, ein Waschraum und ein weiterer Raum befanden. Von dem Flur im Erdgeschoss gelangte man zudem in das Schlafzimmer, die Küche, das Wohn- und Esszimmer und zum Gäste-WC. Die Räume im Keller waren nicht über einen gesonderten Kellereingang erreichbar. Das FA ließ die Aufwendungen für den Notbehandlungsraum nicht als Sonderbetriebsausgaben zum Abzug zu, da der Klägerin ärztliche Behandlungsräume in der Praxis zur Verfügung stünden.

Der BFH hat entschieden, dass für den Notbehandlungsraum keine Abzugsbeschränkung gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG greift.

Die Anforderungen an die Annahme einer leichten Zugänglichkeit des Raums für Dritte kann nicht völlig losgelöst von dessen Ausstattung bestimmt werden. Somit führt nicht jede noch so geringe räumliche Verbindung zu privat genutzten Räumen zwangsläufig zur Ablehnung einer leichten Zugänglichkeit für Patienten. Jedenfalls dann, wenn ein Raum als Behandlungsraum eingerichtet ist, er nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird und aufgrund seiner Einrichtung und Nutzung eine private (Mit-)Nutzung fernliegend ist, begründet allein der Umstand, dass die Patienten den Behandlungsraum nur über einen dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichen können, keine Abzugsbeschränkung i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG.

Verwendung von Altersvorsorgevermögen zur Entschuldung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie
Die Einzahlung von gefördertem Altersvorsorgevermögen auf einen nicht zertifizierten Bausparvertrag stellt auch dann eine förderschädliche wohnungswirtschaftliche Verwendung gem. § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG dar, wenn infolge der hierdurch ermöglichten früheren Zuteilung der Bausparsumme erreicht werden soll, ein Darlehen zur Immobilienfinanzierung zinsersparend früher abzulösen.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen) ist befugt, die Unwirksamkeit eines Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags (§ 92b EStG) durch eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen, sofern der Bescheid unter einer – bestandskräftig gewordenen – auflösenden Bedingung erlassen worden war und die Bedingung eingetreten ist.

BFH v. 12.02.2020, X R 28/18

Hinweis:
Nach § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder nach dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder unter bestimmten Voraussetzungen teilweise bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer nach Satz 5 der Vorschrift begünstigten Wohnung oder (nur dies kommt im Streitfall ernsthaft in Betracht) zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden.

Streitig ist, ob der Kläger gefördertes Kapital aus einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag förderschädlich verwendet hat, indem er einen Teil hiervon zur Auffüllung eines noch nicht zuteilungsreifen Bausparvertrages verwendet hat, um damit ein weiteres Immobilien-Darlehen zu tilgen.

Der BFH hat entschieden, dass die Einzahlung von gefördertem Altersvorsorgevermögen auf einen nicht zertifizierten Bausparvertrag eine förderschädliche Verwendung darstellt.

Die „Tilgung“ eines Darlehens i. S. d. § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass durch eine Leistung des Schuldners der Rückzahlungsanspruch des Gläubigers ganz oder zumindest teilweise erlischt; das Darlehen muss „abgelöst“ werden.

Im Streitfall hat der Kläger sein Altersvorsorgekapital zwar in der Absicht der Tilgung des Darlehens II seinem Bausparguthaben zugeführt. Allerdings verringerte diese Einzahlung noch nicht den Rückzahlungsanspruch der Sparkasse aus dem Darlehen II. Die nach § 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. erforderliche Tilgungswirkung konnte erst zum Zeitpunkt der Zuteilung der Bausparsumme eintreten, da erst dann das Darlehen II vereinbarungsgemäß zurückgeführt werden sollte. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen) ist befugt, die Unwirksamkeit eines Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags (§ 92b EStG) durch eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen, sofern der Bescheid unter einer bestandskräftig gewordenen auflösenden Bedingung erlassen worden war und die Bedingung eingetreten ist.

1.3.Sonstiges

Notwendiger Inhalt eines Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG
Zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gehört der Zeitpunkt der Steuerentstehung (Stichtag). Anzugeben ist das genaue Datum. Wird ein unzutreffendes Datum genannt, ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig.

Erwirbt eine neu errichtete Kirchengemeinde durch staatliche Anerkennung den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, kann sie erstmals zu diesem Zeitpunkt einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang verwirklichen.

BFH v. 04.03.2020, II R 35/17

Hinweis:
Nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG werden bei einem nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbaren Rechtsgeschäft die Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungsfinanzamts belegenes Grundstück betroffen ist.

Die Klägerin, eine Kirchengemeinde, wurde durch bischöfliche Urkunde neu errichtet und entstand durch die Zusammenlegung von insgesamt neun Pfarreien und Kirchengemeinden. Zwei dieser Kirchengemeinden waren gemeinsam die einzigen Gesellschafter einer GmbH, zu deren Vermögen Grundbesitz gehörte. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Zusammenlegung der Kirchengemeinden einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang darstelle, weil die Klägerin infolgedessen alle Anteile an der grundbesitzenden GmbH erworben habe.

Der BFH hat entschieden, dass der Zeitpunkt der Steuerentstehung zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG gehört. Wird ein unzutreffendes Datum genannt, ist der Bescheid rechtswidrig.

Der Feststellungsbescheid ist rechtswidrig. Er benennt einen unzutreffenden Steuerstichtag. Nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG werden bei einem nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbaren Rechtsgeschäft die Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungsfinanzamts belegenes Grundstück betroffen ist.

Gesondert festzustellen ist schließlich der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Gesellschaft nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG zu bewerten ist. Dies ist nach § 138 Abs. 1 S. 1 BewG der Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 38 AO, § 14 GrEStG; Steuerstichtag), soweit nicht einer der in § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG geregelten Sonderfälle vorliegt. Nur die Feststellung im Bescheid nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG kann eine einheitliche Beurteilung dieses Zeitpunkts gewährleisten. Anzugeben ist im Feststellungsbescheid das genaue Datum des Steuerstichtags. Wird ein unzutreffendes Datum genannt, ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig. Insoweit ist der Bescheid nicht auslegungsfähig (hier im Fall vorliegend). Da der Feststellungsbescheid bereits wegen der Angabe des unzutreffenden Steuerstichtags rechtswidrig ist und aufzuheben war, ist über die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs nicht mehr zu entscheiden.

Bauabzugsteuer bei Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen
Bauabzugsteuer i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 1 EStG kann auch für die Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen anfallen, da die Begriffe Bauwerk und Bauleistung normspezifisch auszulegen sind. Die der Bauabzugsteuer unterliegenden Bauwerke sind insbesondere nicht auf Gebäude oder unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt, sondern kommen auch bei Scheinbestandteilen, Betriebsvorrichtungen und technischen Anlagen in Betracht.

Ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland steuerpflichtig sind, spielt für die Bauabzugsteuer grundsätzlich keine Rolle.

Die Bauabzugsteuer ist mit Unionsrecht vereinbar, da die dadurch verursachte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt ist.

BFH Urteil v. 07.11.2019, I R 46/17

Die Bauabzugsteuer setzt gem. § 48 Abs. 1 S. 1 EStG voraus, dass jemand (Leistender) an einen Unternehmer i. S. d. § 2 UStG oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Leistungsempfänger) im Inland eine Bauleistung erbringt und keiner der in § 48 Abs. 2 EStG genannten Ausnahmetatbestände (Freistellungsbescheinigung i. S. d. § 48b Abs. 1 S. 1 EStG oder Nichtüberschreiten bestimmter Beträge) vorliegt. Bauleistungen sind nach der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 S. 3 EStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 1 EStG vor, ist der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i. H. v. 15 % für Rechnung des Leistenden vorzunehmen.

Die Klägerin beauftragte mit Vertrag die in Spanien ansässige A S.A., auf einem von der Klägerin gepachteten Grundstück im Inland eine Freiland-Photovoltaikanlage zu errichten. Der Vertrag umfasste die Planung und Lieferung sowie den Aufbau der gesamten Anlage einschließlich der Solarpanele, Stützen, Streben, Schaltanlagen usw. Zu den Verpflichtungen der A S.A. gehörten auch der Bau von Schotterpisten und Gräben, Zementarbeiten, das Einrammen von Pfählen in den Boden, um daran die Module der Photovoltaikanlage zu befestigen, sowie die Einebnung und teilweise Betonierung von Flächen, um die in Betoncontainern gelieferten Trafostationen aufzustellen. Die A S.A. legte keine Freistellungsbescheinigung i. S. d. § 48b EStG vor und hatte eine solche Bescheinigung auch nicht beantragt. Das FA forderte die Klägerin auf, Bauabzugsteuer anzumelden und abzuführen.

Der BFH hat entschieden, dass Bauabzugssteuer auch für die Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen anfallen kann.

Ein Bauwerk i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG ist weder auf Gebäude noch allgemein auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt. Vielmehr können darunter auch Scheinbestandteile i. S. d. § 95 BGB und Betriebsvorrichtungen i. S. d. § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG fallen. Auf Grundlage der normspezifischen Auslegung kommt es auf die zivilrechtliche Auslegung des Begriffs Bauwerk nicht an.

Technische Anlagen können ebenfalls ein Bauwerk i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG darstellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es wie bei Freiland-Photovoltaikanlagen darum geht, ob überhaupt ein Bauwerk vorliegt. In Folge der normspezifischen Auslegung stellen Freiland-Photovoltaikanlagen grundsätzlich eigenständige Bauwerke i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Solarmodule – wie im Streitfall vom FG für den BFH bindend festgestellt – auf in die Erde eingelassenen Pfählen errichtet und mit diesen fest verbunden werden. Dass der BFH den Begriff des Bauwerks im Rahmen der Auslegung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 S. 1 UStG auf unbewegliche, durch Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sachen beschränkt und insbesondere Betriebsvorrichtungen ausnimmt, steht hierzu nicht im Widerspruch. Aus dem Wortlaut des § 48 Abs. 3 EStG folgt, dass es für die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um die Umsatzsteuer nicht darauf ankommt, wer die Umsatzsteuer gem. § 13b UStG schuldet. Die Bauabzugsteuer ist mit Unionsrecht vereinbar, da die dadurch verursachte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt ist.
 
 

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