Rechtsprechung KW 03-2020

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Vorsteuerabzug aus Rechtsanwaltskosten zur Prüfung von Haftungsansprüchen in der Insolvenz
Im Rahmen der Abwicklung des insolventen Unternehmens anfallende Kosten zur Prüfung der Frage, ob ein Anspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB besteht, gehören grundsätzlich zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit.
Das Recht auf Vorsteuerabzug steht der Insolvenzmasse (nur) dann zu, wenn der Insolvenzverwalter die Masse wirksam verpflichtet hat.
BFH v. 18.09.2019, XI R 19/17
Hinweis:
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 UStG).
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Insolvenzverfahren ließ der vormalige Insolvenzverwalter (A) durch von ihm beauftragte Rechtsanwälte prüfen, ob Zahlungen an die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin --gegebenenfalls teilweise - urückzufordern seien, soweit hierdurch nicht nur Gewinne, sondern auch bereits geleistete Einlagen ausgeschüttet wurden, was zu negativen Einlagekonten geführt hätte (Anspruch nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB). Die hieraus resultierende persönliche Haftung der Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin machte A nach § 171 Abs. 2 HGB i. V. m. § 93 der InsO gerichtlich gegen die Kommanditisten geltend. In den Rechnungen der Rechtsanwälte an A wurde dafür Umsatzsteuer ausgewiesen, die A in den Umsatzsteuervoranmeldungen als Vorsteuern geltend machte. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung war das FA der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltskosten zu versagen sei, da diese durch das Verhalten der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Kommanditisten ausgelöst worden seien, den persönlichen Interessen der Gesellschafter und nicht der Kapitalbeschaffung für eine weitere unternehmerische Tätigkeit dienten und damit ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einzelnen steuerpflichtigen Leistungen der Insolvenzschuldnerin fehle. 
Der BFH hat entschieden, dass anfallende Kosten zur Prüfung der Frage, ob ein Anspruch nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB besteht, grundsätzlich zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit gehören.
Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann, muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Im Insolvenzverfahren eines Unternehmers, der seinen Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat, kommt es für den Vorsteuerabzug insofern auf seine frühere wirtschaftliche Gesamttätigkeit an. Vorliegend gehören die streitgegenständlichen Ausgaben für die Beauftragung der Rechtsanwälte im Rahmen der Abwicklung des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit. Denn sie dienen ausschließlich der Befriedigung von im unternehmerischen Bereich entstandenen Forderungen. Insbesondere wurden die von A beauftragten Rechtsanwälte nicht im Interesse der Gesellschafter, z.B. zur Herstellung eines "Innenausgleichs" zwischen den Kommanditisten, tätig.
 

1.2.Einkommensteuer

Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags, soweit er nicht auf gewerbliche Einkünfte entfällt, ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist.
BFH v. 14.11.2018, II R 63/15
Hinweis:
Nach § 35 Abs. 1 S. 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (Nr. 1) sowie u.a. bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (Nr. 2) um das 3,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum für das Unternehmen festgesetzten (Nr. 1) bzw. festgesetzten anteiligen (Nr. 2) Gewerbesteuer-Messbetrags. Nach der Formel in § 35 Abs. 1 S. 2 EStG begrenzt der Ermäßigungshöchstbetrag die Entlastung durch anteilige Zurechnung der Einkommensteuer auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des betreffenden Steuerpflichtigen. Gem. § 35 Abs. 1 S. 5 EStG ist der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt
Die Kläger erzielten im Jahre 2011 Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit und in geringem Umfange aus Gewerbebetrieb, für die Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag festgesetzt wurden. Sie begehrten, aus Gründen der Gleichbehandlung den Solidaritätszuschlag für ihre gesamten Einkünfte so zu berechnen, als handele es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In diesem Falle wäre nämlich Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet worden und der Solidaritätszuschlag wäre im Ergebnis geringer ausgefallen.
Der BFH hat entschieden, dass der Solidaritätszuschlag im Jahre 2011 verfassungsgemäß war.
Der BFH hat die Erhebung des Solidaritätszuschlages im Jahre 2011 für verfassungsgemäß erachtet. Er hat auch die geringere Belastung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb beim Solidaritätszuschlag mit Blick auf deren typische Gesamtbelastung durch Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer nicht beanstandet. Die Entscheidung misst dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Erhebung der Ergänzungsabgabe sowie seiner Typisierungsbefugnis für deren Ausgestaltung maßgebende Bedeutung zu.
 
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