Rechtsprechung KW 43-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Rechnung i. S. des § 14c UStG; Verweis auf Jahreskonditionsvereinbarung; Ausweis eines negativen Steuerbetrages
Bei der Prüfung, ob ein als "Belastung" bezeichnetes Dokument (nur) über Leistungen oder (auch) über Entgeltminderungen abrechnet, ist der Inhalt einer dem FA vorliegenden Konditionsvereinbarung jedenfalls dann ergänzend heranzuziehen, wenn in dem Dokument auf die Vereinbarung verwiesen wird.
Ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, wird nicht i. S. des § 14c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet.
BFH v. 26.06.2019, XI R 5/18
Hinweis:
Hat ein Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 S. 1 UStG). Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14c Abs. 2 S. 1 UStG).
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma X. X hatte mit der Firma Y, eine Organgesellschaft der Z-GmbH, eine Konditionsvereinbarung geschlossen. X hatte mit einem Zentralregulierer einen Dienstbesorgungsvertrag geschlossen. Rechnungen wurden von X erstellt und an den Zentralregulierer weitergeleitet. Dieser leitete anschließend die Rechnungen an Y weiter. W erstellte an Y mit „Belastung“ bezeichnete Dokumente. Y zog die in den „Belastungen“ genannten Beträge als Vorsteuer ab. Das FA hat im Rahmen einer Außenprüfung ermittelt, dass nur ca. 50 % der in den „Belastungen“ berechneten Beträge tatsächlich Werbekostenzuschüsse beträfen. Hinsichtlich der restlichen Summen habe es sich um Entgeltsminderungen gehandelt. Die gesondert ausgewiesene USt hierfür werde nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet.
Der BFH hat entschieden, dass ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, nicht nach § 14c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 UStG geschuldet wird.
Ist der ausgewiesene Betrag (negativ und damit) zu niedrig, ist er kein "Mehrbetrag" i. S. d. § 14c Abs. 1 UStG. Ein negativer Betrag ist auch kein "ausgewiesener Betrag" i. S. d. § 14c Abs. 2 S. 1 u. 2 UStG oder eine "Mehrwertsteuer" i. S. d. Art. 203 MwStSystRL, der bzw. die vom Rechnungsaussteller "geschuldet" werden kann. Wenn Rechnungsaussteller negative Beträge gem. § 14c Abs. 2 S. 1 u. 2 UStG, Art. 203 MwStSystRL schulden würden, entstünden (bei isolierter Betrachtung dieses Vorgangs) negative Umsatzsteuerbeträge, die in der Rechtsprechung des BFH für möglich gehalten werden. Eine Festsetzung von negativer Umsatzsteuer zugunsten des Rechnungsausstellers widerspräche indes dem Zweck von § 14c Abs. 2 UStG, Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken.

1.2.Körperschaftsteuer

Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten von der öffentlichen Hand beherrschter Kapitalgesellschaften als staatliche Beihilfe
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine unter diese Vorschrift fallende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn nach den Regelungen eines Mitgliedstaats (Dauer-)Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Betätigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, zwar im Grundsatz als vGA anzusehen sind und dementsprechend den Gewinn einer Kapitalgesellschaft nicht mindern dürfen, jedoch bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, diese Rechtsfolgen für Dauerverlustgeschäfte nicht zu ziehen sind, wenn sie die betreffenden Geschäfte aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten?
BFH v. 13.03.2019, I R 18/19
Nach § 8 Abs. 7 Nr. 1 KStG sind die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. d. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bei Betrieben gewerblicher Art i. S. d. § 4 KStG nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Da die Anteile der Klägerin zu 100 % von einer Stadt gehalten werden, handelt es sich um eine sog. kommunale Eigengesellschaft. Aus dem Betrieb einer Schwimmhalle erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 (dauerhaft) Verluste. Diese Verluste wurden vom Finanzamt nicht steuermindernd anerkannt.
Der BFH bittet den EuGH um Klärung, ob die Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften gegen die Beihilferegelung des Unionsrechts verstößt.
Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt (BFH-Urteil vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961). Dementsprechend sieht der BFH auch in der Hinnahme der Dauerverluste durch die Eigengesellschaft im Streitfall eine vGA an die Stadt, mit der Folge, dass das Einkommen der Gesellschaft entsprechend zu erhöhen ist. Dieser Rechtsfolge steht jedoch die durch das Jahressteuergesetz 2009 auch mit Wirkung für die Vergangenheit geschaffene Regelung des § 8 Abs. 7 S.1 Nr. 2 KStG entgegen, wonach die Rechtsfolgen einer vGA bei kommunalen Eigengesellschaften nicht zu ziehen sind, wenn sie ein sog. Dauerverlustgeschäft, wie z.B. beim Betrieb von Schwimmbädern aus gesundheitspolitischen Gründen, unterhalten. Fraglich ist aber, ob die  Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG eine staatliche Beihilfe i. S. v. Art. 107 Abs. 1 i. V. m. Art. 108 Abs. 3 AEUV ist. Genehmigungspflichtig sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige. Der BFH ist der Auffassung, dass § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG den kommunalen Eigengesellschaften einen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten. In seinem Vorlagebeschluss geht der BFH von einem grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, überantwortet aber dem EuGH die verbindliche Klärung der im Streitfall bestehenden Auslegungsfrage. Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.
Im Übrigen ist in Bezug auf die Besteuerungszeiträume ab 2009 - anders als im Streitfall - auch die sog. Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG zu beachten. Diese ändert aber nichts am Entfallen der vGA, mit dem der BFH sein Vorabentscheidungsersuchen maßgeblich begründet hat. Ein vom EuGH auf dieser Grundlage bejahter Beihilfetatbestand könnte sich daher auch auf die heute bestehende Rechtslage auswirken.

1.3.Sonstiges

Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen
Wird ein Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.
Ist nach § 17 Abs. 2, 3 GrEStG eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, ist der Erwerbsvorgang gegenüber dem dafür zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
BFH v. 22.05.2019, II R 24/16
Hinweis:
Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war.
Der Kläger erwarb 71 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH von insgesamt vier Anteilseignern. Einen Anteil in Höhe von 9 % erwarb der Kläger von K. Der Kläger selbst war zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs bereits zu 29 % an der GmbH beteiligt. Der beurkundende Notar übersandte jeweils eine Abschrift des beurkundeten Vertrages einem im Bundesland X gelegenen Finanzamt (FA-A) – Grunderwerbsteuerstelle – für die in dessen Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH und einem im Bundesland Y gelegenen Finanzamt (FA-B) – Grunderwerbsteuerstelle – für die in dessen Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH. Das FA-A wandte sich mit Schreiben an das FA und bat um eine gesonderte Feststellung nach § 17 GrEStG für den Grundbesitz. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Erkenntnis, dass durch den Erwerb der Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt und es für die Erstellung des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG zuständig sei. Das FA stellte für den Erwerb der Grundstücke aufgrund der Anteilsvereinigung die Besteuerungsgrundlagen gem. § 17 GrEStG gesondert fest. Gegen den Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, es habe ein Rückerwerb der 9 %-Anteile an der Gesellschaft durch K stattgefunden.
Der BFH hat entschieden, dass die Rückgängigmachung einer Anteilsvereinigung in einer Hand voraussetzt, dass der Erwerbsvorgang gegenüber dem dafür zuständigen FA angezeigt worden ist.
Der Erwerb der Anteile der anderen Gesellschafter erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG liegen dem Grunde nach vor. Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang wurde im Streitfall rückgängig gemacht. Entgegen der Auffassung des FG steht der Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG).
Wird ein Erwerbsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus. Die Anzeigepflichten sind innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen (§ 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3 GrEStG). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl den Steuerschuldner nach § 18 GrEStG als auch den Notar nach § 19 GrEStG trifft, reicht es für § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt. Weder der Kläger noch der Notar haben dem für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt die Anteilsvereinigung rechtzeitig angezeigt. Nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG war das FA für die gesonderte Feststellung zuständig, denn in dessen für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer maßgeblichem Zuständigkeitsbereich lag im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung die Geschäftsleitung der Gesellschaft. Die Anzeige gegenüber den Finanzämtern, in deren Bezirk die Grundstücke belegen sind, reichte zur Erfüllung der Anzeigepflicht nicht aus, denn diese waren nicht für die gesonderte Feststellung zuständig. §§ 18 und 19 GrEStG verlangen ausdrücklich eine Anzeige gegenüber dem zuständigen Finanzamt.
 
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