Rechtsprechung KW 40-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Anwendung von § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG im Feststellungsverfahren – „Netto-/Bruttofeststellung“ - Endgültige Einnahmelosigkeit einer Kapitalbeteiligung
Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. a AO sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden, so dass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich "netto" festzustellen sind. Zulässig ist aber auch, die § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden laufenden Einkünfte oder Veräußerungsgewinne zusätzlich „brutto“ festzustellen, soweit aus den weiteren Feststellungen für einen verständigen Empfänger erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte ein weiterer Rechenschritt erforderlich ist.
Endgültig einnahmelos ist eine Kapitalbeteiligung erst dann, wenn feststeht, dass Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen aus der nämlichen Beteiligung niemals als Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i. S. d. § 3 Nr. 40 EStG einer bestandskräftigen Veranlagung des Steuerpflichtigen oder einer bestandskräftigen gesonderten und ggf. einheitlichen Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben.
BFH v. 25.07.2019, IV R 47/16
Hinweis:
Nach § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. a AO werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Zu diesen selbständig anfechtbaren Feststellungen gehört auch die Feststellung, ob und in welcher Höhe in den Veräußerungsgewinnen (i. S. d. § 16 EStG) solche enthalten sind, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallen.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 2002 gegründete GmbH & Co. KG. Zwischen der Klägerin (Besitzunternehmen) und der X-GmbH (Betriebsunternehmen) bestand eine Betriebsaufspaltung. Im Rahmen einer bei der Klägerin und der X-GmbH durchgeführten Außenprüfung nahm der Prüfer eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der X-GmbH an B an. Das FA erließ daraufhin einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid), in dem für B Sonderbetriebseinnahmen sowie in den laufenden Einkünften enthaltene „unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 7 UmwStG … (100 %)“ fallende Einkünfte in gleicher Höhe festgestellt wurden. Aus der Überführung der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Anteile des B an der X-GmbH in das Privatvermögen erklärte die Klägerin in der Feststellungserklärung 2009 einen Verlust aus Gewerbebetrieb. Der Feststellungsbescheid 2009 wies erklärungsgemäß Veräußerungsverluste sowie darin enthaltene Veräußerungsverluste aus den Gesellschafter-Beteiligungen an der Komplementär-GmbH und der X-GmbH, „die unter die §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallen (100 %)“ aus. Die Klägerin legte gegen den Feststellungsbescheid 2009 Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass keiner der aus den genannten Kapitalbeteiligungen realisierten Veräußerungsverluste unter das Teileinkünfteverfahren falle.
Der BFH hat entschieden, dass bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist, so dass die Einkünfte „netto“ festzustellen sind.
Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die Steuerfreistellungen nach § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG im Ausgangspunkt zwingend im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen. Nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. a AO sind auf Ebene der Mitunternehmerschaft die „steuerpflichtigen Einkünfte“ festzustellen.
§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG stellen Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung an einer in- oder ausländischen Körperschaft sowie Gewinne aus der Veräußerung solcher Anteile (nachfolgend auch betriebliche Beteiligungseinkünfte), die im Gesamtgewinn (Gesamthands- oder Sonderbetriebsgewinn) der Mitunternehmerschaft enthalten sind, beim Mitunternehmer wieder (anteilig) von der Steuer frei. Diese Steuerfreistellungen sind unmittelbar bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Mitunternehmerschaft zu beachten. Dem in § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Bst. a AO enthaltenen normativen Befehl, die „steuerpflichtigen“ Einkünfte festzustellen, wird aber auch dann entsprochen, wenn nicht der Nettobetrag, sondern zusätzlich die in den festgestellten Einkünften bzw. Einkunftsbestandteilen enthaltenen, unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallenden Einkünfte „brutto“ als „andere Besteuerungsgrundlage“ bindend festgestellt werden. § 3c Abs. 2 EStG greift zwar nicht ein, wenn die Beteiligung des B an der X-GmbH eine endgültig „einnahmelose“ Kapitalbeteiligung gewesen wäre. Diese Kapitalbeteiligung war aber schon deshalb nicht endgültig einnahmelos, weil Einnahmen des B aus dieser Beteiligung als Einnahmen i. S. d. § 3 Nr. 40 EStG der bestandskräftigen gesonderten und einheitlichen Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben.

Teilabzugsverbot für Finanzierungskosten der Beteiligung an einer späteren Organgesellschaft bei vororganschaftlicher Gewinnausschüttung
Hängen Schuldzinsen mit dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zusammen, mit der in einem späteren Veranlagungszeitraum ein Organschaftsverhältnis begründet wird, unterliegen die Schuldzinsen insoweit anteilig dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG, als die Kapitalgesellschaft während des Bestehens der Organschaft Gewinne aus vororganschaftlicher Zeit ausschüttet. Der dem Teilabzugsverbot unterliegende Teil der Schuldzinsen ergibt sich aus dem Verhältnis der Gewinnausschüttung zu dem in demselben Jahr zugerechneten Organeinkommen.
BFH v. 25.07.2019, IV R 61/16
Hinweis:
Nach § 3c Abs. 2 S. 1 Hs. 1 EStG dürfen Betriebsausgaben, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abgezogen werden.
Die Kläger waren Gesellschafter der X-KG (KG). Die Gesellschafter der KG hielten Aktien der Y-AG (AG) und behandelten ihre Aktien seit Gründung der KG als Sonderbetriebsvermögen bei dieser. Die Kläger hatten den Erwerb der Aktien mit Darlehen finanziert, die ebenfalls als Sonderbetriebsvermögen behandelt wurden. Zwischen der KG als Organträgerin und der AG als Organgesellschaft wurde ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Die AG beschloss eine offene Gewinnausschüttung. Die Ausschüttung wurde als Sonderbetriebseinnahme der Gesellschafter bei der KG behandelt. Das FA berücksichtigte bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG für das Streitjahr die Sonderbetriebseinnahmen aus der Ausschüttung der AG nach § 3 Nr. 40 EStG a. F. nur zur Hälfte. Die Zinsen für die Darlehen zur Finanzierung der Beteiligungen wurden in voller Höhe als Sonderbetriebsausgaben erfasst. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Finanzierungskosten der Beteiligungen an der AG seien insoweit nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte abziehbar, als sie wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung der AG stünden. Soweit ein Zusammenhang mit der Organschaft bestehe, komme eine Kürzung nicht in Betracht, weil § 3 Nr. 40 EStG auf das Organeinkommen nicht anzuwenden sei.
Der BFH hat entschieden, dass das Teilabzugsverbot gem. § 3c Abs. 2 EStG insoweit zur Anwendung kommt, als dass die Kapitalgesellschaft während des Bestehens der Organschaft Gewinne aus vororganschaftlicher Zeit ausschüttet.
Besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit mehreren, zum Teil voll steuerpflichtigen und zum Teil nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten Einnahmen, und wurde der angefallene Aufwand nicht vorrangig durch eine der beiden Einnahmearten ausgelöst, ist er anteilig und im Rahmen einer wertenden Betrachtung entsprechend dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt des Gesamtvorgangs aufzuteilen. Die Zurechnung des Einkommens betrifft Wirtschaftsjahre der Organgesellschaft, für die die Verpflichtung zur Gewinnabführung besteht und die Voraussetzungen der Organschaft vorliegen. Die Ausschüttung aus Gewinnrücklagen, die in vororganschaftlichen Wirtschaftsjahren gebildet worden sind, führt demgegenüber noch zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, selbst wenn sie in einem Wirtschaftsjahr stattfindet, für das die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 KStG erfüllt sind. Dementsprechend sind die Einnahmen aus derartigen Ausschüttungen nach § 3 Nr. 40 S. 1 Bst. d S. 1 EStG anteilig steuerbefreit. Treffen die Einkünfte aus vororganschaftlicher Ausschüttung und einer Zurechnung des Einkommens des laufenden Wirtschaftsjahrs in der Weise zusammen, dass sie dem Anteilseigner in demselben Veranlagungszeitraum zuzurechnen sind, besteht für die Finanzierungskosten der Beteiligung ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit beiden Einnahmen.

Ermittlung des Gewinns gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b EStG eines Betriebs gewerblicher Art bei Beteiligung der Trägerkörperschaft an einer Mitunternehmerschaft
Werden einzelne dauerdefizitäre Tätigkeitsfelder einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, an der eine Trägerkörperschaft als Mitunternehmerin beteiligt ist, sowohl im Rahmen der Einkünfteermittlung der Mitunternehmerschaft als auch für Zwecke der Körperschaftsteuer als eigenständige Betriebe gewerblicher Art (Regiebetriebe) behandelt, kann zur Ermittlung des Gewinns i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b EStG nicht ohne weiteres an den entnommenen Gewinnanteil angeknüpft werden, wenn dieser auf den Erträgen aus sämtlichen Tätigkeitsfeldern beruht. Die ertragsteuerliche Einkünfteermittlung bei der Mitunternehmerschaft und die Einkommensermittlung für die verschiedenen Betriebe gewerblicher Art ist für die Ermittlung der kapitalertragsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.
BFH v. 26.06.2019, VIII R 43/15
Hinweis:
Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b S. 1 EStG sind u. a. die nicht den Rücklagen zugeführten Gewinne eines BgA i. S. d. § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen als steuerpflichtige Kapitalerträge zu behandeln. Für diese Kapitalerträge ist gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG i. V. m. § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG ein Betrag in Höhe von 10 % als Kapitalertragsteuer zu entrichten, der für die Klägerin als Trägerkörperschaft gem. § 2 Nr. 2 KStG i. V. m. § 31 Abs. 1 Nr. 2 KStG abgeltende Wirkung hat.
Die Klägerin, eine kommunale Gebietskörperschaft, war als alleinige Kommanditistin an der Stadtwerke I-GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Die Tätigkeit der KG bestand aus den Sparten Strom- und Wasserversorgung, Fernwärme, einem Fährbetrieb, Freibad, Hallenbad und Eisstadion. Die KG erstellte für die Streitzeiträume 2003 bis 2005 handelsrechtliche Jahresabschlüsse mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Lageberichten, in die die Erträge und Aufwendungen aus sämtlichen Tätigkeiten eingingen. Bei Feststellung der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse der KG wurden aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen Teile des Gewinns (sog. Mindestgewinne) den Rücklagen der KG zugeführt, der verbleibende Betrag wurde von der Klägerin entnommen. Ertragsteuerlich war der dauerdefizitäre Betrieb des Eisstadions ein eigenständiger BgA. Die übrigen Tätigkeitsfelder der KG bildeten einen weiteren BgA (BgA Beteiligung). Die Verluste aus dem Betrieb des dauerdefizitären Eisstadions wurden in der körperschaftsteuerlichen Einkommensermittlung des BgA Beteiligung nicht erfasst, sondern eigenständig im BgA Eisstadion veranlagt. Eine Zusammenfassung dieser beiden BgA für Zwecke der Körperschaftsteuer war unzulässig, weil die Voraussetzungen für einen zulässigen Querverbund nicht vorlagen.
Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG wurden die Erträge und Aufwendungen, die auf den Betrieb des Eisstadions entfielen, ebenfalls von den Erträgen und Aufwendungen aus den übrigen Sparten separiert.
Der BFH hat entschieden, dass dem aus der KG entnommenen Gewinnanteil die Erträge zuzurechnen sind, die auf Ebene der KG mit Verlusten aus einer dauerdefizitären Sparte verrechnet wurden.
Die Höhe des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinns des BgA Beteiligung entspreche zwar grundsätzlich dem von der Klägerin aus der KG entnommenen Gewinnanteil. Der entnommene Gewinnanteil sei im Streitfall zur Ermittlung des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinnanteils des BgA Beteiligung aber um diejenigen Erträge zu erhöhen, die bei der Gewinnermittlung auf Ebene der KG die Verluste aus dem Betrieb des Eisstadion ausgeglichen hätten. Wären auf Ebene der KG die Erträge aus den übrigen Sparten der KG nicht mit dem Verlust aus dem Betrieb des Eisstadions verrechnet worden, wären die zur Verlustdeckung verwendeten Beträge von der Klägerin zusätzlich aus der KG entnommen worden und in den kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinn eingegangen. Allein aufgrund der Zusammenfassung sämtlicher Tätigkeiten auf Ebene der KG dürfe zu Lasten der kapitalertragsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage kein Querverbund angenommen werden, der für Zwecke der Körperschaftsteuer unzulässig sei. Nicht beanstandet hat der BFH, dass in die kapitalertragsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage des BgA Beteiligung nur der um die auf Ebene der KG thesaurierten Mindestgewinne verminderte Gewinnanteil einging, da es sich insoweit um eine zulässige Rücklagenbildung handele.
 
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