Rechtsprechung KW 30-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Erbschaft-/Schenkungsteuer

Steuerbefreiung für ein Familienheim im Fall der Renovierung
Unverzüglich i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, d. h. innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten.
Nach Ablauf von sechs Monaten muss der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie eine Renovierung der Wohnung, sind ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten.
BFH v. 28.05.2019, II R 37/16
Hinweis:
Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 - 5 BewG durch Kinder i. S. der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Der Kläger und sein Bruder beerbten zusammen ihren am 05.01.2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20.02.2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem der Kläger das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 02.09.2015. Renovierungsangebote holte der Kläger ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes zu berücksichtigen. Diese Steuerfreiheit setzt voraus, dass der Erblasser in einem im Inland belegenen Grundstück bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder dass er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Die Wohnung muss beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmt sein, wobei die Wohnfläche 200 qm nicht übersteigen darf. Das FG sah den Erwerb als steuerpflichtig an.
Der BFH hat entschieden, dass Kinder die von ihren Eltern bewohnte Immobilie steuerfrei erben, wenn sie die Selbstnutzung als Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall aufnehmen. Ein erst späterer Einzug führt nur in besonderes gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb als Familienheim.
Der BFH bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit. Der Kläger habe das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, habe der Kläger Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Der Kläger habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten habe. Schließlich wies der BFH darauf hin, dass der Kläger noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall in das geerbte Haus eingezogen war.

Begünstigung des Betriebsvermögens bei mittelbarer Schenkung
Bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG sind Vorerwerbe dem letzten Erwerb ohne Bindung an eine dafür bereits ergangene Steuerfestsetzung mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Eine bei der Besteuerung des Vorerwerbs zu Unrecht abgezogene sachliche Steuerbefreiung ist nicht zu berücksichtigen.
Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers begünstigtes Vermögen ist. Die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs ist nicht begünstigt.
BFH v. 08.05.2019, II R 18/16
Hinweis:
Der Freibetrag und der verminderte Wertansatz des § 13a Abs. 1 u. 2 ErbStG gelten für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Der Kläger ersteigerte von einem Dritten ein Grundstück, auf dem ein Reiterhof betrieben wurde. Für diesen Zweck erhielt er u. a. von seiner Mutter einen Geldbetrag. Später übertrug die Mutter dem Kläger ein anderes Grundstück nebst Hof- und Gebäudefläche. Die vorherige Geldzuwendung zum Erwerb des Reiterhofs werteten sowohl der Kläger als auch das FA als mittelbare Betriebsschenkung. Das FA setzte die Schenkungsteuer für diesen Erwerb mit 0 € fest, da der Erwerb des Reiterhofs nach § 13a ErbStG begünstigt sei. In der Folge erließ das FA einen geänderten Steuerbescheid und setzte Schenkungsteuer für den Letzterwerb fest. Für die Vorschenkung wurde dabei der Freibetrag nach § 13a Abs. 1 ErbStG nicht mehr gewährt.
Der BFH hat entschieden, dass die Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG für eine mittelbare Betriebsschenkung nicht in Betracht kommt und dass bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG eine bei der Besteuerung des Vorerwerbs zu Unrecht abgezogene Steuerbefreiung nicht zu gewähren ist.
Aus § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG ergibt sich nicht, dass die verschiedenen Erwerbsvorgänge „wie ein Erwerb zu behandeln“ sind. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Ausgehend davon musste das FA nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG den Vorerwerb in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den letzten Erwerb hinzurechnen. Bei der Besteuerung des Letzterwerbs und der hierzu erfolgten Hinzurechnung des Vorerwerbs im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG hat das FA den Freibetrag für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG zutreffend nicht berücksichtigt. Zweck der Vorschrift ist es, mittels Begünstigung des Erwerbs bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten. Diese sollen davor geschützt werden, dass der Erwerber zur Begleichung seiner persönlichen Erbschaft- oder Schenkungsteuerschuld auf die Vermögenswerte des Betriebs zurückgreifen muss. Die Vorschrift dient dagegen nicht allgemein dazu, die Gründung oder den Erwerb eines Betriebs durch den Erwerber mit finanziellen Mitteln des Zuwendenden zu begünstigen.

1.2.Einkommensteuer

Hinzurechnung eines Kirchensteuer-Erstattungsüberhangs
Der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b S. 3 EStG erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG).
Die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b S. 3 EStG findet auch statt, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat.
BFH v. 12.03.2019, IX R 34/17
Hinweis:
Nach § 10 Abs. 4b S. 3 EStG ist ein Erstattungsüberhang bei der gezahlten Kirchensteuer (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG) dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
Im Streitfall wurde den Klägern für das Streitjahr 2012 in den Vorjahren gezahlte Kirchensteuer erstattet, da sich aufgrund einer für diese Jahre durchgeführten Außenprüfung das zu versteuernde Einkommen gemindert hatte. Die Kläger gingen davon aus, dass der sich hieraus ergebende Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer i. H. v. 166.744 € mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen sei. FA und FG lehnten dies ab.
Der BFH hat entschieden, dass der Hinzurechnungsbetrag nach § 10b Abs. 4 S. 3 EStG nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht und somit ein Erstattungsüberhang nicht mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden kann.
Einkommensteuerrechtlich ist die gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Sonderausgaben mindern nicht bereits den Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern erst das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG). Die Erstattung von in Vorjahren gezahlter Kirchensteuer wird vorrangig mit Kirchensteuerzahlungen desselben Jahres verrechnet. Entsteht dabei ein Kirchensteuer-Erstattungsüberhang, führt dies nach einer seit 2012 geltenden Neuregelung zu einem „Hinzurechnungsbetrag“ (§ 10 Abs. 4b EStG). Bislang ungeklärt war, ob der Hinzurechnungsbetrag - vergleichbar mit einer Einkunftsart - den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht und folglich dann durch einen Verlustvortrag, der nach der einschlägigen gesetzlichen Regelung (§ 10d Abs. 2 EStG) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen ist, ausgeglichen werden kann.

Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden
Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehört zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie entweder dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten.
Eine Förderung in der ersten Alternative erfordert, dass der Steuerpflichtige seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Wohle seines Einzelgewerbebetriebs einsetzt. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Einzelgewerbebetrieb eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht, die sich für den Einzelgewerbebetrieb als erheblich vorteilhaft erweist und dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen einer derartigen Geschäftsbeziehung wird die Kapitalbeteiligung erst recht zum Zwecke der Förderung des Einzelgewerbebetriebs eingesetzt, wenn diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden.
BFH v. 12.06.2019, X R 38/17
Hinweis:
Notwendiges Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs sind diejenigen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind.
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger war zu 45 % und die Klägerin zu 55 % an der H-GmbH beteiligt. Die H-GmbH betrieb an mehreren Standorten Einzelhandels-Fachmärkte. In der Folge gründete der Kläger ein Einzelunternehmen. Unternehmensgegenstand war der Handel. Mit dem Einzelunternehmen wurde der Online-Shop der H-GmbH fortgeführt. Das Einzelunternehmen bezog seine Waren nahezu ausschließlich über die H-GmbH. Der Kläger ordnete die Beteiligung seinem Privatvermögen zu. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Beteiligung zum Betriebsvermögen gehört. Später übertrug der Kläger die Beteiligung unentgeltlich auf seine Ehefrau und seinen Sohn. Das FA ging von einem Entnahmegewinn aus.
Der BFH hat entschieden, dass die unentgeltliche Übertragung der Anteile des Klägers an der H-GmbH auf seine Ehefrau und seinen Sohn zu ihrer Entnahme aus dem Betriebsvermögen des Klägers geführt hat. Notwendiges Betriebsvermögen kommt nicht nur in Betracht, wenn über die Kapitalgesellschaft der Produktabsatz des Steuerpflichtigen gewährleistet werden soll. Notwendiges Betriebsvermögen ergibt sich ebenso, wenn die Beteiligung dazu bestimmt ist, die branchengleiche gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen „entscheidend zu fördern“.
Die Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen und die hierbei zu treffende Feststellung, ob der Steuerpflichtige die Beteiligung in den Dienst seines Einzelgewerbebetriebs stellt, setzt weder eine rechtliche noch faktische Beherrschung der Kapitalgesellschaft voraus. Darüber hinaus trägt auch die Feststellung des FG, die H-GmbH habe dem EU den Online-Shop „...“ zur Nutzung im eigenen Geschäftsbetrieb überlassen, die Annahme, dass die Beteiligung des Klägers an der H-GmbH notwendiges Betriebsvermögen seines Einzelgewerbebetriebs war. Das EU wurde hierdurch und ebenso durch die - wenn auch entgeltliche - Überlassung des hiermit betrauten Personals in die Lage versetzt, ohne weitere Vorlaufzeiten seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen. Eine solche Unterstützung in der Start- und Anlaufphase wäre zwischen Unternehmen, die gesellschaftsrechtlich nicht miteinander verbunden sind, nicht denkbar.
 
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