Rechtsprechung KW 9-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit
Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i. S. d. § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.
Bei der Förderung der Volksbildung i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.
Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.
Bei der Prüfung der Ausschließlichkeit der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckverfolgung und der tatsächlichen Geschäftsführung nach §§ 56, 63 AO kann zwischen der Körperschaft als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerks“ zu unterscheiden sein. Dabei sind alle Umstände einschließlich des Internetauftritts der Körperschaft zu berücksichtigen.
Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nicht frei widerrufbar. Auf einen Verzicht des beigetretenen BMF kommt es nicht an.
BFH v. 10.01.2019, V R 60/17
Hinweis:
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG u. § 3 Nr. 6 GewStG sind von der Körperschaftssteuer bzw. der Gewerbesteuer solche Körperschaften befreit, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke erfüllen. Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit insbesondere auf materiellem, geistigem und sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, einen der in § 52 Abs. 2 AO aufgezählten Zwecke zu fördern.
Der Kläger verfolgte nach seiner Satzung folgende Ziele: „Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Der Verein fördert die Völkerverständigung und den Frieden.“ Der Kläger ist nach seiner Satzung zudem „in Trägerschaft des Netzwerks“ A tätig. Er befasste sich in den Streitjahren öffentlichkeitswirksam mit zahlreichen Themen. Im Bereich von Steuerpolitik und öffentlichen Finanzen wandte sich der Kläger gegen diverse Gesetzesvorschläge. Das FA versagte dem Kläger die Gemeinnützigkeit.
Der BFH hat entschieden, dass die Verfolgung politischer Zwecke durch Einflussnahme auf die politische Willensbildung der Annahme eines gemeinnützigen Zwecks i. S. d. § 52 AO entgegenstehen kann.
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hatte nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der attac-Bewegung zuzurechnen sind. Dies ist in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen. Dabei hat das FG auch die Selbstdarstellung des attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen. Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass keine Spendenbescheinigungen (Bestätigungen über nach § 10b Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abziehbare Zuwendungen) ausgestellt werden dürfen. Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung des Klägers in Folgejahren von Bedeutung sein.
 

1.2.Umsatzsteuer

Vorsteuerabzug und Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten
§ 25 Abs. 4 S. 1 UStG steht dem Vorsteuerabzug bei unentgeltlich erbrachten Reiseleistungen nicht entgegen.
Das Vorsteuerabzugsverbot aufgrund der Verletzung einkommensteuerrechtlicher Aufzeichnungspflichten bei Geschenken gem. § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG in seiner bis 18.12.2006 geltenden Fassung war wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG unionsrechtswidrig (Fortführung des BFH-Urteils v. 12.08.2004, V R 49/02, BStBl. 2004 II S. 1090).
BFH v. 13.12.2018, V R 52/17
Hinweis:
§ 25 UStG gilt für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt (§ 25 Abs. 1 S. 1 UStG). Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen (§ 25 Abs. 1 S. 2 UStG). Die sonstige Leistung bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet (§ 25 Abs. 3 S. 1 UStG). Abweichend von § 15 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten sowie die nach § 13b UStG geschuldeten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen (§ 25 Abs. 4 S. 1 UStG).
Die Klägerin veranstaltete in den Streitjahren Busfahrten mit dem Ziel des Warenabsatzes („Kaffeefahrten“). Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das FA in Bezug auf die Busfahrten fest, dass es sich um Reiseleistungen nach § 25 UStG gehandelt habe, die Klägerin dabei aber „zur Ermittlung der Marge den vereinnahmten Fahrtgeldern die (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden) Reisevorleistungen (Buskosten) und die Kosten der Zugaben gegenübergestellt“ habe.
Der BFH hat entschieden, dass § 25 Abs. 4 S. 1 UStG dem Vorsteuerabzug bei unentgeltlich erbrachten Reiseleistungen nicht entgegensteht.
§ 25 UStG nur auf „gegen Entgelt“ i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbrachte Reiseleistungen anzuwenden. Die Sonderregelung ist somit nur auf danach steuerbare Reiseleistungen anzuwenden. Auch die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Reisen, die nicht gegen Entgelt und auch nicht als unentgeltliche Wertabgabe an Betriebsangehörige weitergegeben werden, sondern z. B. als Kundengeschenk im Unternehmen verwendet werden, keine Reiseleistungen nach § 25 UStG sind (A 25.3 Abs. 5 Nr. 2 UStAE). Rechtsfehlerhaft hat das FG zudem die Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Verletzung der einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten bei Geschenken angenommen.
 

1.3.Einkommensteuer

PKW-Überlassung bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis unter Ehegatten
Die Überlassung eines Dienstwagens zur unbeschränkten und selbstbeteiligungsfreien Privatnutzung des Arbeitnehmers ist im Rahmen eines geringfügigen – zwischen Ehegatten geschlossenen – Beschäftigungsverhältnisses (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) fremdunüblich.
Ein Arbeitgeber wird bei lebensnaher und die unternehmerische Gewinnerwartung einzubeziehender Betrachtungsweise typischerweise nur dann bereit sein, einem Arbeitnehmer ein Firmenfahrzeug zur Privatnutzung zur Verfügung zu stellen, wenn nach einer überschlägigen, allerdings vorsichtigen Kalkulation der sich für ihn hieraus ergebende tatsächliche Kostenaufwand zuzüglich des vertraglich vereinbarten Barlohns als wertangemessene Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft anzusehen ist.
Je geringer der Gesamtvergütungsanspruch des Arbeitnehmers ist, desto eher erreicht der Arbeitgeber die Risikoschwelle, nach der sich wegen einer nicht abschätzbaren intensiven Privatnutzung die Fahrzeugüberlassung als nicht mehr wirtschaftlich erweist.
BFH v. 10.10.2018, X R 44-45/17
Hinweis:
Ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkünfteerzielung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) oder durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen gem. § 12 Nr. 1 u. 2 EStG veranlasst sind, ist anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Hierbei ist nach wie vor Voraussetzung, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen.
Im Streitfall beschäftigte der gewerblich tätige Kläger seine Ehefrau als Büro- und Kurierkraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von neun Stunden mit einem Monatslohn von 400 €. Im Rahmen des Arbeitsvertrages überließ er ihr einen PKW zur uneingeschränkten Privatnutzung. Den darin liegenden geldwerten Vorteil, der nach der sog. 1 %-Methode ermittelt wurde, rechnete der Kläger auf den monatlichen Lohnanspruch von 400 € an und zog seinerseits den vereinbarten Arbeitslohn als Betriebsausgabe bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb ab. Das FA erkannte das Arbeitsverhältnis steuerlich jedoch nicht an, da die Entlohnung in Gestalt einer PKW-Überlassung im Rahmen eines „Minijobs“ einem Fremdvergleich nicht standhalte.
Der BFH hat entschieden, dass die Überlassung eines Dienstwagens zur unbeschränkten und selbstbeteiligungsfreien Privatnutzung des Arbeitnehmer-Ehegatten im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses fremdunüblich ist.
Arbeitsverträge zwischen nahen Angehörigen müssen für die steuerrechtliche Beurteilung sowohl hinsichtlich der wesentlichen Vereinbarungen als auch der Durchführung denjenigen Maßstäben entsprechen, die fremde Dritte vereinbaren würden. Nach diesen Grundsätzen hielt der BFH jedenfalls eine uneingeschränkte und zudem selbstbeteiligungsfreie Nutzungsüberlassung eines Firmenwagens für Privatfahrten an einen familienfremden „Minijobber“ für ausgeschlossen. Denn ein Arbeitgeber werde im Regelfall nur dann bereit sein, einem Arbeitnehmer die private Nutzung eines Dienstfahrzeugs zu gestatten, wenn die hierfür kalkulierten Kosten (u. a. Kraftstoff für Privatfahrten) zuzüglich des Barlohns in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der erwarteten Arbeitsleistung stünden. Bei einer lediglich geringfügig entlohnten Arbeitsleistung steige das Risiko des Arbeitgebers, dass sich die Überlassung eines Firmenfahrzeugs für ihn wegen einer nicht abschätzbaren Intensivnutzung durch den Arbeitnehmer nicht mehr wirtschaftlich lohne. Unerheblich war insoweit für den BFH, dass die Ehefrau für ihre dienstlichen Aufgaben im Betrieb auf die Nutzung eines PKW angewiesen war.

Besuch einer Missionsschule als Berufsausbildung
Das Tatbestandsmerkmal „für einen Beruf ausgebildet wird“ i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss. In Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, kommt diesem konkreten Bezug entscheidende Bedeutung zu.
Der Besuch einer nicht allgemeinbildenden Schule, der nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern vorrangig der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl sowie der Persönlichkeitsbildung und Charakterbildung im Sinne des Leitbilds der Schule dient, stellt keine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG dar.
BFH v. 13.12.2018, III R 25/18
Hinweis:
Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG – unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen – Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
Die Klägerin beantragte für ihren Sohn Kindergeld. J besuchte für insgesamt zehn Monate die X-Missionsschule, eine kirchliche Internatsschule in A. Die Schule ist eine Einrichtung der Freikirche und hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG für den Bezug von Kindergeld für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet habe, seien nicht erfüllt. J habe sich insbesondere nicht in einer Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG befunden. Die Ausbildung an der X-Missionsschule sei keine Ausbildung i. S. dieser Vorschrift.
Der BFH hat entschieden, dass es sich bei dem Besuch einer Missionsschule nicht um eine Berufsausbildung handelt.
In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Entscheidend ist der hinreichende inhaltliche Zusammenhang zu einem von dem Kind angestrebten Beruf. Auf dieser Grundlage grenzen sich die zu beurteilenden Maßnahmen von den kindergeldrechtlich nicht förderungsfähigen Tätigkeiten zur Erlangung allgemeiner Erfahrungswerte ab. Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Schulbesuch keinen Abschluss vermittelt, der für eine spätere Tätigkeit innerhalb der Freikirche qualifiziert.
 

1.4.Sonstiges

Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags bei Fehlen gewerblicher Einkünfte ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist.
BFH v. 14.11.2018, II R 64/15
Hinweis:
Der Solidaritätszuschlag beträgt nach § 4 S 1 SolZG 5,5 % der Bemessungsgrundlage. Er bemisst sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG vorbehaltlich der Absätze 2 bis 5, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, nach Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Das FA setzte für das Streitjahr Einkommensteuer sowie einen Solidaritätszuschlag fest. In das zu versteuernde Einkommen waren Einkünfte aus nichtselbständiger und aus selbständiger Arbeit eingegangen. Einkünfte aus Gewerbebetrieb waren nicht darunter. Die Kläger machten geltend, dass die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG zu einer Begünstigung von Gewerbetreibenden und einer entsprechenden, nicht gerechtfertigten Benachteiligung aller anderen Steuerpflichtigen beim Solidaritätszuschlag führe, da die so geminderte Einkommensteuer ihrerseits Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags sei. Sie begehrten daher zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags eine Schatten-Anrechnung nach § 35 EStG. Dabei gingen sie davon aus, ihre Einkünfte wären solche aus Gewerbebetrieb gewesen, ermittelten auf dieser Grundlage einen fiktiven Anrechnungsbetrag und daraus folgend eine Minderung des Solidaritätszuschlags auf der Basis des 3,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags.
Der BFH hat entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags bei Fehler gewerblicher Einkünfte ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist.
Die Höhe des festgesetzten Solidaritätszuschlags entspricht im Streitfall dem Wortlaut der maßgebenden Gesetze. Die Erhebung eines Solidaritätszuschlags ist dem Grunde nach auch im Streitjahr verfassungsgemäß. Beim Solidaritätszuschlag sind Steuerpflichtige, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, begünstigt. Bei der Gesamtbelastung, bestehend aus Einkommensteuer, ggf. Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag, hängt die Mehr- oder Minderbelastung von dem jeweiligen Gewerbesteuerhebesatz ab. Beträgt dieser weniger als 400,9 %, ist der gewerbesteuerpflichtige Steuerpflichtige begünstigt. Bei Hebesätzen über diesem Grenzwert verhält es sich umgekehrt. Ursächlich für diese Belastungsunterschiede ist auf der einen Seite die Gewerbesteuerbelastung als solche, auf der anderen Seite der Ausgleichsmechanismus des § 35 EStG. Die reine Einkommensteuerbelastung ist bei Steuerpflichtigen, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, aufgrund der Steuerermäßigung nach § 35 EStG stets niedriger als bei denjenigen, die andere tariflich zu versteuernde Einkünfte derselben Höhe erzielen. Die durch das Zusammenspiel von § 3 SolZG und § 35 EStG in der Hebesatzzone unter 400,9 % bewirkte Begünstigung der gewerbesteuerpflichtigen Steuerpflichtigen beim Solidaritätszuschlag ist mit dem GG vereinbar. Im Hinblick darauf, dass die Belastungsungleichheit nicht einseitig ist, sondern sich bei dem Grenzwert-Hebesatz von 400,9 % umkehrt, ist das Regelwerk mit dem Gebot der Folgerichtigkeit noch zu vereinbaren.
 

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