Rechtsprechung KW 01-2019

1.Rechtsprechung

1.1.Umsatzsteuer

Zur Steuerbefreiung von notärztlichen Bereitschaftsdiensten
Leistungen eines Arztes im Rahmen eines Notdienstes, die dazu dienen, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können, sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin.
BFH v. 02.08.2018, V R 37/17
 
Hinweis:
Nach § 4 Nr. 14 Bst. a UStG sind "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden" steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Bst. c MwStSystRL, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei sind.
Der Kläger ist Arzt. Er führte im Streitjahr sowie im Vorjahr umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus. Dazu gehörte u. a. der Bereitschaftsdienst bei Sport- und ähnlichen Veranstaltungen. Hierfür wurde in den Rechnungen keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Das FA unterwarf im Umsatzsteuerjahresbescheid des Streitjahres hingegen u. a. die vom Kläger für den Veranstalter L (L) erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer.
Der BFH hat entschieden, dass die Umsätze aus den notärztlichen Bereitschaftsdiensten umsatzsteuerbefreit sind.
Der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ist "nicht besonders eng auszulegen". Er umfasst die Diagnose, die Behandlung und, soweit möglich, die Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Heilbehandlungen müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Daraus folgt, dass ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die in Art. 132 Abs. 1 Bst. c MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung zugutekommt. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei den vom Kläger für den L ausgeführten Diensten um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Jedenfalls der ärztliche Notfalldienst für den L in der vom Kläger versehenen Form diente unmittelbar dem Schutz und der Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit. Ähnlich wie Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, zielten die Leistungen des Klägers darauf ab, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können. Das ist eine unmittelbar ärztliche Tätigkeit, die auch nur von einem Arzt geleistet werden kann. Die Einbeziehung dieser Tätigkeit in die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Bst. a UStG steht mit den Zielen im Einklang, die mit dieser Befreiung verfolgt werden.
 

1.2.Sonstiges

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
Der Erwerber verwertet seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag, wenn er durch seine Unterschrift unter den Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf. Der Anteilserwerb selbst muss nicht steuerbar sein.
BFH v. 19.09.2018, II R 10/16
 
Hinweis:
Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag v. 29.08.2013 von der A-GmbH das Eigentum an einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Die Klägerin sollte vorbehaltlich der Zustimmung der Grundstückseigentümerin anstelle der A-GmbH in den bestehenden Mietvertrag eintreten. Für den Fall, dass die Grundstückseigentümerin die Zustimmung zur Übertragung des mit der A-GmbH geschlossenen Mietvertrags auf die Klägerin nicht erteilen und die Laufzeit des Mietvertrags nicht verlängern würde, vereinbarten die Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht. Das FA setzte für den Erwerb des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden Grunderwerbsteuer fest. In der Folgezeit lehnte die Grundstückseigentümerin die Verlängerung der Laufzeit des Mietvertrags zu unveränderten Konditionen ab. Mit notariell beurkundeter Vereinbarung haben die A-GmbH und die Klägerin schließlich den Kaufvertrag aufgehoben. In derselben Urkunde veräußerten die Gesellschafter der A-GmbH 94 % der Geschäftsanteile an die Holding-BV, die Muttergesellschaft der Klägerin und 6 % an die Y-BV. Die Klägerin beantrage beim FA die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids. Das FA lehnte die Aufhebung ab.
Der BFH hat entschieden, dass der Erwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag verwertet, wenn er bei Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf.
"Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demzufolge nicht aus seinen Bindungen entlassen war. Dieselben Grundsätze wie bei der Weiterveräußerung gelten, wenn die Verkäuferin eine Gesellschaft ist, der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird und in derselben Urkunde die Anteile an der Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen bzw. mehrere von diesem bestimmte Dritte übertragen werden. Entscheidend ist, ob der Erwerber sich oder einem oder mehreren Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die grundbesitzende Gesellschaft verschafft. Der Anteilserwerb selbst muss nicht steuerbar sein.

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