Rechtsprechung KW 48-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften – Nachträgliche Anschaffungskosten nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts – Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme
Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.
Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.
BFH v. 20.07.2018, IX R 5/15
Hinweis:
Nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG ist gem. Abs. 2 S. 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten sind gem. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 S. 2 HGB).
Im Streitfall hatte ein GmbH-Gesellschafter eine Bürgschaft für Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft übernommen. Mit Blick auf die drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, die bevorstehende Vollstreckung in ein als Sicherheit dienendes privates Grundstück sowie die drohende Liquidation der Gesellschaft leistete er ebenso wie weitere Familiengesellschafter eine Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH. Ein Teil der Einzahlung stammte aus der mit der Gläubigerbank abgestimmten Veräußerung des besicherten Grundstücks. Die GmbH verwendete das Geld planmäßig dazu, ihre Bankverbindlichkeiten zu tilgen. Durch Erfüllung der Hauptschuld wurden auch die Bürgen von der Haftung frei. Der Kläger und seine Mitgesellschafter veräußerten im Anschluss daran ihre Geschäftsanteile für 0 €. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 machte der Gesellschafter einen Verlust aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils i. S. d. § 17 EStG geltend, der sich aus der übernommenen GmbH-Stammeinlage und der Kapitalzuführung ergab. Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber lediglich den Verlust der eingezahlten Stammeinlage.
Der BFH hat entschieden, dass Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung führen.
Nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung sind nach dieser Rechtsprechung nur solche Aufwendungen des Gesellschafters, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 255 HGB) zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Hierzu zählen u. a. auch freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Kapitalgesellschaft erbrachte Einzahlungen in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, wie sie der klagende Gesellschafter im Streitfall geleistet hatte. Der von ihm insoweit getragene Aufwand war daher bei der Berechnung seines Verlusts aus der Veräußerung der GmbH-Anteile als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Der steuerrechtlichen Anerkennung stand auch nicht entgegen, dass die der Kapitalrücklage zugeführten Mittel von der GmbH gerade dazu verwendet wurden, jene betrieblichen Verbindlichkeiten abzulösen, für die der Gesellschafter gegenüber der Gläubigerbank Sicherheiten gewährt hatte. Unerheblich war auch, mit welchem Wert ein Rückgriffanspruch des Gesellschafters gegen die GmbH zu bewerten gewesen wäre (oder ob er mit einem solchen Anspruch ausgefallen wäre), wenn die Gläubigerbank in die von ihm gegebenen Sicherheiten vollstreckt oder ihn im Rahmen seiner Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen hätte. Schließlich vermochte der BFH in der vom Gesellschafter gewählten Vorgehensweise auch keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. d. § 42 Abs. 1 S. 1 AO zu erkennen, da die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital nicht den Wertungen des Gesellschaftsrechts widerspricht.

1.2.Sonstiges

Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin
Die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften kann zu einem steuerfreien Auflösungsgewinn i. S. d. § 8b Abs. 2 S. 3 KStG führen, von dem 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben gelten.
Die Verschmelzung einer Mutterkapitalgesellschaft, deren Anteilseignerin im Ausland ansässig ist, auf ihre Tochtergesellschaft (Abwärtsverschmelzung) kann nur dann ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden, wenn die Besteuerung der stillen Reserven der Muttergesellschaft sichergestellt ist.
Da bei einer Abwärtsverschmelzung die zum Vermögen der Muttergesellschaft gehörende Beteiligung an der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft auf deren Anteilseigner übergeht, kommt es für den Buchwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft darauf an, ob beim Anteilseigner die stillen Reserven des auf ihn übergegangenen Wirtschaftsguts „Beteiligung“ weiterhin dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen.
Das Diskriminierungsverbot aus Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 steht dem Ansatz nicht abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5 % des Auflösungsgewinns nicht entgegen, wenn die Anteilseignerin der übertragenden Muttergesellschaft eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft ist.
Gleiches gilt im Hinblick auf die Fusionsrichtlinie und die unionsrechtlichen Grundfreiheiten.
BFH v. 30.05.2018, I R 31/16
Hinweis:
Nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Anteile an Körperschaften außer Ansatz. Dies gilt entsprechend für Gewinne aus der Auflösung (§ 8b Abs. 2 S. 3 KStG). Von dem Gewinn i. S. d. § 8b Abs. 2 S. 3 KStG gelten 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 3 S. 1 KStG). Nach § 11 Abs. 1 UmwStG sind bei Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Abs. 2 S. 1 der Vorschrift besagt, dass abweichend davon auf Antrag die übergehenden Wirtschaftsgüter u. a. mit dem Buchwert angesetzt werden können, soweit sichergestellt ist, dass sie später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegen und das Recht der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Die Klägerin ist eine luxemburgische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der S.á.r.l. Ihre Anteile wurden zunächst vollständig von der A-GmbH (im Folgenden: Muttergesellschaft) mit Sitz im Inland gehalten. Die Muttergesellschaft wurde auf die Klägerin, also auf die Tochtergesellschaft, verschmolzen. Die von der Muttergesellschaft gehaltenen Anteile an der Klägerin wurden an die in den USA ansässige A-Corporation (im Folgenden: Corporation), die bisher sämtliche Anteile an der Muttergesellschaft hielt, ausgekehrt. In der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft wurden sämtliche Aktiva und Passiva mit dem Buchwert angesetzt. Die Anteile an der Klägerin wurden ebenfalls mit ihrem Buchwert angesetzt und zu diesem Wert erfolgsneutral ausgebucht. Das FA ging hingegen davon aus, dass die Anteile an der Klägerin in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft mit dem gemeinen Wert hätten angesetzt werden müssen, dass dies zur Wahrung des inländischen Besteuerungsrechts erforderlich sei. Der Ansatz des gemeinen Werts der Anteile führte zu einem Gewinn, den das FA zwar nach § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz ließ, jedoch wurden gem. § 8b Abs. 3 KStG 5 % des Gewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben angesetzt.
Der BFH hat entschieden, dass die stillen Reserven hinsichtlich der Anteile an der Tochtergesellschaft im Rahmen der Abwärtsverschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft zu realisieren sind.
Streitig ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei der im Streitfall zu beurteilenden Abwärtsverschmelzung auch die Beteiligung an der Tochtergesellschaft erfasst wird. Die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ gehört zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i. S. d. § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG. Die Beteiligung geht als Wirtschaftsgut an die Anteilseigner der Muttergesellschaft über. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung nicht vor. Denn bei der US-amerikanischen Corporation als derjenigen Körperschaft, die die „Beteiligung an der Tochtergesellschaft“ übernimmt, unterliegen die stillen Reserven des Wirtschaftsguts nicht mehr dem deutschen Besteuerungsrecht i. S. d. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG. Art. 13 Abs. 5 DBA USA weist den USA das ausschließliche Recht zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Beteiligung zu. Somit sind nach Ansicht des BFH die stillen Reserven zu realisieren.

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