Rechtsprechung KW 29-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Einkommensteuer

Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung seit Inkrafttreten von § 15b EStG - Keine Anwendung von § 42 AO bei Vorhandensein einer speziellen Missbrauchsbestimmung
Für Jahre seit Inkrafttreten des § 15b EStG kann die auf § 42 AO gestützte Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung nicht mehr angewendet werden.
BFH v. 26.04.2018, IV R 33/15
Hinweis:
Nach § 15b Abs. 1 S. 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt (Satz 2). Ein Steuerstundungsmodell i. S. des Absatzes 1 liegt nach § 15b Abs. 2 EStG vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen. Nach § 15b Abs. 3 EStG ist Absatz 1 der Vorschrift nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 % übersteigt. Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist nach näherer Maßgabe des § 15b Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die als geschlossener Fonds in bestehende Beteiligungen an Schiffsgesellschaften investiert. Im Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen für die Etablierung und die laufende Verwaltung eines Fonds als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben geltend. Das FA berücksichtigte die Aufwendungen für die Etablierung des Fonds als Anschaffungskosten und erhöhte den Gewinn entsprechend.
Der BFH hat entschieden, dass Kosten bei der Auflegung eines geschlossenen Fonds mit gewerblichen Einkünften grds. sofort abgezogen werden können.
Nach dem Urteil des BFH erkennt der Gesetzgeber Steuerstundungsmodelle an, die dem Anleger aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit bieten, in der Anfangsphase der Investition seine Steuerlast zu senken. Derartige Vorteile sind daher auch bei modellhafter Gestaltung nicht mehr als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten anzusehen. Nach dem Urteil des BFH kommt es dabei nicht darauf an, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des § 15b EStG tatsächlich vorliegen. Etablierungskosten eines gewerblichen Fonds sind danach sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. Allerdings besteht eine Verlustverrechnungsbeschränkung, wenn Verluste bei Anwendung von § 15b Abs. 3 EStG die dort aufgeführten Grenzen überschreiten.

Gebäude-AfA - Wechsel von der degressiven AfA zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer
Ein Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer gem. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ist nicht möglich.
BFH v. 29.05.2018, IX R 33/16
Hinweis:
Nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Bst. a EStG können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften dienen und nach dem 31.12.1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Werbungskosten abgezogen werden. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes weniger als 50 Jahre, können anstelle dieser Absetzungen, die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden, AfA vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG). Bei Gebäuden, die der Steuerpflichtige aufgrund eines vor dem 01.01.1995 gestellten Bauantrags hergestellt hat, können abweichend von Abs. 4 degressive Abschreibungen vorgenommen werden: in den ersten acht Jahren jeweils 5 %, in den darauf folgenden sechs Jahren jeweils 2,5 % und in den darauf folgenden 36 Jahren jeweils 1,25 % (§ 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG).
In den Jahren von 1994 bis 2009 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung degressive AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG auf die Gebäudeherstellungskosten geltend. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelte die Klägerin die AfA gem. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG und verteilte den Restwert des Gebäudes auf 10 Jahre unter Berücksichtigung einer geschätzten Nutzungsdauer von insgesamt 25 Jahren. Das FA berücksichtigte demgegenüber als AfA nur 1,25 % der Herstellungskosten.
Der BFH hat entschieden, dass ein Wechsel von der degressiven AfA zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer nicht möglich ist.
Die von der Klägerin erstrebte Kombination von degressiver AfA und AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer hat der BFH verworfen. Der BFH begründet dies damit, dass § 7 Abs. 5 EStG die Nutzungsdauer eines Gebäudes typisiert und damit der Rechtsvereinfachung dient. Bei Wahl der degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 EStG erübrige sich die Feststellung der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes. Der Steuerpflichtige entscheide sich bei Wahl der degressiven AfA bewusst dafür, die Herstellungskosten des Gebäudes in 50 der Höhe nach festgelegten Jahresbeträgen geltend zu machen. Die Vereinfachung trete nur ein, wenn die Wahl über die gesamte Dauer der Abschreibung bindend sei. Die Wahl der degressiven AfA ist deshalb im Grundsatz unabänderlich.

Nach Anschaffung unvermutet angefallene Kosten zur Wiederherstellung des zeitgemäßen Zustands eines Mietobjektes als „anschaffungsnahe Herstellungskosten“
Unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, führen unter den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu anschaffungsnahen Herstellungskosten.
Dies gilt auch, wenn im Rahmen einer solchen Renovierung „verdeckte“, d. h. dem Steuerpflichtigen im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben werden.
BFH v.13.03.2018, IX R 41/17
Hinweis:
Zu den (fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 S. 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
Die Kläger erwarben mit Notarvertrag v. 18.10.2012 eine vermietete Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 60.000 €; die anteiligen Anschaffungskosten für das Gebäude beliefen sich auf 40.316 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Instandhaltungsaufwendungen i. H. v. 12.406 € geltend, die anteilig auf die Erneuerung des Badezimmers, die Erneuerung der Elektroinstallation, den Einbau von Fenstern, den Austausch einer Scheibe sowie auf verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien entfielen. Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lediglich die Kosten für verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien in Höhe von 428 € als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen; die übrigen Aufwendungen i. H. v. 11.978 € ordnete das FA den anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 S. 2 EStG zu und berücksichtigte diese lediglich im Rahmen der AfA. Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, bei den durchgeführten Arbeiten habe es sich um Schönheitsreparaturen gehandelt. Überdies könne die Dreijahresfrist des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Streitfall nicht zur Anwendung kommen, da die langjährige Mieterin kurz nach Erwerb der Wohnung plötzlich verstorben sei und die Wohnung ohne Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nicht erneut habe vermietet werden können.
Der BFH hat entschieden, dass die Renovierungsmaßnahmen zu den anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen gehören.
Im Regelfall kann von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Insoweit enthält die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedarf. Übersteigen die hierfür angefallenen Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der für den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten, sind diese insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG zu behandeln. Im Rahmen dieser Regelvermutung sind auch die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung verdeckter - im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes jedoch bereits vorhandener - Mängel den anschaffungsnahen Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG zuzuordnen. Gleiches gilt für Kosten zur Beseitigung von bei Anschaffung des Gebäudes angelegter, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte; auch solche Aufwendungen sind ihrer Natur nach verdeckte Mängel und mithin in die Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG mit einzubeziehen.
 

1.2.Bilanzsteuerrecht

Wirtschaftliches Eigentum an einem Mitunternehmeranteil
Dem Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft kann die Mitunternehmerstellung bereits vor der zivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zuzurechnen sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihn übergegangen sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Juni 2017 IV R 42/13, BFHE 259, 258).
BFH v. 01.03.2018, IV R 15/15
Hinweis:
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG), erzielt werden. Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet sowie die Absicht zur Gewinnerzielung hat.
Die Klägerin war Kommanditistin der A-KG. Mit notariell beurkundetem Vertrag v. 13.01.2000 (Anteilsveräußerungsvertrag) erwarb die K-AG "zeitversetzt" sämtliche Kommanditanteile der A-KG und sämtliche Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH. In einem ersten Schritt erwarb die K-AG Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises 75 % des Kommanditkapitals der A-KG. Die restlichen Kommanditanteile in Höhe von 25 % des Kommanditkapitals der A-KG gingen zum 31.01.2001 über. Das FA setzte erklärungsgemäß einen Veräußerungsgewinn für die veräußerten KG-Anteile fest, dabei wurde die Veräußerung der Beteiligungen in vollem Umfang bereits als im Streitjahr vollzogen angesehen. Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns für das Jahr 2000 von einer Veräußerung von nur 75 % der Anteile auszugehen sei.
Der BFH hat entschieden, dass der Veräußerungsgewinn für 100% der Anteile im Sreitjahr anzusetzen ist.
Das wirtschaftliche Eigentum setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Die Würdigung des FG, wonach sowohl Mitunternehmerrisiko als auch Mitunternehmerinitiative bereits auf die Erwerberin übergangen ist, ist nicht zu beanstanden. Der Veräußerungsgewinn ist bei Veräußerung eines gesamten Mitunternehmeranteils auch dann im Kalenderjahr des Ausscheidens des Mitunternehmers zu erfassen, wenn die Mitunternehmerschaft ihren Gewinn für ein abweichendes Wirtschaftsjahr (bei der A-KG die Zeit v. 01.10. bis 30.09.) ermittelt, denn § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG ist auf den ausscheidenden Mitunternehmer nicht anwendbar.
 

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