Rechtsprechung KW 19-2018

1.Rechtsprechung

1.1.Verfahrensrecht

Keine Gemeinnützigkeit eines im Verfassungsschutzbericht des Bundes ausdrücklich erwähnten (islamischen) Vereins
Die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 11. April 2012 I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl. II 2013, 146).
Die Widerlegung dieser Vermutung erfordert den vollen Beweis des Gegenteils; eine Erschütterung ist nicht ausreichend.
Im Rahmen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO sind die Leistungen des Vereins für das Gemeinwohl nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen.
BFH v. 14.03.2018, V R 36/16
Hinweis:
Nach § 51 Abs. 3 S. 1 AO setzt eine Steuervergünstigung voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Gem. § 51 Abs. 3 S. 2 AO ist bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nachdem das FA den Kläger als gemeinnützig anerkannt hatte, wurde ihm bekannt, dass der Kläger in den Verfassungsschutzberichten des Bundes namentlich erwähnt und seine Stellung innerhalb des Islamismus erläutert wird. Hierauf widerrief es die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und führte eine Körperschaftsteuer- und eine Gewerbesteuerveranlagung durch.
Der BFH hat entscheiden, dass der Verein nicht gemeinnützig ist.
Bei ausdrücklicher Erwähnung des Vereins in einem Verfassungsschutzbericht ist widerlegbar davon ausgegangen, dass dieser extremistische Bestrebungen fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt. Diese Vermutung ist erst dann widerlegt, wenn der volle Beweis des Gegenteils erbracht wird. Im Streitfall konnte der Kläger nicht entkräften, dass z. B. Äußerungen seiner Prediger und Imame (Todesstrafe wegen Abkehr vom Islam und bei Ehebruch, körperliche Misshandlung Minderjähriger zur Durchsetzung der Gebetspflicht etc.) ein extremistisches, grundgesetzfeindliches Gedankengut offenbart hätten.
 

1.2.Umsatzsteuer

Zur Berufung auf das Unionsrecht bei Bezug von Reisevorleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU
Ein inländischer Reiseveranstalter kann sich hinsichtlich der von ihm für sein Unternehmen bezogenen Reisevorleistungen eines in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässigen Unternehmers, für die er als Leistungsempfänger die Steuer schuldet, unmittelbar auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Margenbesteuerung (Art. 306 ff. MwStSystRL) berufen mit der Folge, dass er entgegen dem nationalen Recht keine Steuer für die erbrachten Leistungen schuldet, weil diese danach im Inland nicht steuerbar sind.
BFH v. 13.12.2017, XI R 4/16
Hinweis:
Nach der nationalen Rechtslage gelten für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, die besonderen Vorschriften zur Besteuerung von Reiseleistungen, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt (§ 25 Abs. 1 S. 1 UStG). Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen (§ 25 Abs. 1 S. 2 UStG). Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG (§ 25 Abs. 1 S. 4 UStG). Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugutekommen (§ 25 Abs. 1 S. 5 UStG).
Die Klägerin war in den Streitjahren als Reiseveranstalterin tätig. Sie hatte in den Streitjahren bei der A mit Sitz in X (Österreich) Reisevorleistungen zur Durchführung von in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ausgeführten Radtouren bezogen. Die A rechnete über diese Leistungen, die die Unterbringung, Verpflegung und Beförderung der Reisenden sowie die Vermietung von Fahrrädern beinhalteten, gegenüber der Klägerin ohne Ausweis von Umsatzsteuer ab. In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre unterwarf die Klägerin, die gegenüber ihren Kunden als Reiseveranstalterin im eigenen Namen und für eigene Rechnung auftrat, den Differenzbetrag zwischen Reisepreis und den Aufwendungen für die in Anspruch genommenen Reisevorleistungen gem. § 25 UStG ab. Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das FA dagegen davon aus, dass der Ort der von A erbrachten Reisevorleistungen im Inland liege und die Klägerin die Umsatzsteuer hierfür als Leistungsempfängerin schulde.
Der BFH hat entschieden, dass sich die Klägerin auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Margenbesteuerung berufen kann, so dass die Klägerin keine Steuer für die Eingangsleistungen schuldete.
Die Klägerin kann sich für die als Reisevorleistungen i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG bezogenen sonstigen Leistungen, die die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässige A erbracht hat, unmittelbar auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Margenbesteuerung der Art. 306 ff. MwStSystRL berufen. Dies hat zur Folge, dass diese Leistungen nicht steuerbar sind und die Klägerin hierfür entgegen dem nationalen Recht keine Steuer als Leistungsempfängerin schuldet. Für die Geltendmachung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist es unbeachtlich, dass der sich auf unionsrechtliche Bestimmungen berufende Steuerpflichtige selbst nicht Steuerschuldner, sondern (vorsteuerabzugsberechtigter) Abnehmer einer Lieferung ist, ohne die Steuer hierfür als Leistungsempfänger nach § 13b UStG zu schulden. In Bezug auf den Anwendungsvorrang ist (allein) die Minderung der den Unternehmer treffenden Steuerschuld maßgeblich.
 

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