Auswertung aktueller Aufsätze - Oktober 2017

1.   Abgabenordnung

1.1.  NWB

Zum Eintritt in den Anwendungsbereich von § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010. Zugleich Besprechung des Urteils des FG Baden-Württemberg vom 17.1.2017 - 11 K 1669/13
Brühl, Weiss, NWB 43/2017, S. 3.270
Anmerkung:
Gem.  § 10d Abs. 4 S. 4 EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind.
Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 S. 4 EStG wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Es soll insbesondere bezweckt werden, dass Steuerpflichtige von einer günstigen Rechtsprechung profitieren, ohne dass sie ihren Steuerfall durch Einlegung eines Einspruchs offengehalten haben. Die Regelung gilt für nach dem 13.10.2010 eingereichte Verlustfeststellungserklärungen.

1.2.  DStR

Ausweitung rückwirkender Ereignisse. Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil v. 6.12.2016 – IX R 49/15
Hils, DStR 40/2017, S. 2.145
Anmerkung:
Mit Urteil v. 06.12.2016, IX R 49/15, BStBl 2017 II S. 673 hat der BFH entschieden, dass die Rückabwicklung eins noch nicht beiderseitig vollständig erfüllten Kaufvertrags aus Sicht des früheren Veräußerers keine Anschaffung der zurückübertragenen Anteile darstellt sondern zu einem rückwirkenden Wegfall eines bereits entstandenen Veräußerungsgewinns führt. Beim früheren Erwerber liegt keine Veräußerung vor (entgegen BFH-Urteil v. 21.10.1999, I R 43,44/98).
Der Fall, dass der Veräußerungspreis rückwirkend in voller Höhe entfällt, ist danach genauso zu behandeln wie der Fall, dass die Veräußerung insgesamt rückgängig gemacht wird. Dies gebietet der Zweck des § 17 EStG, nur den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn zu erfassen. Danach liegt grundsätzlich eine steuerlich zurückwirkende Rückabwicklung und keine Veräußerung/Anschaffung vor, wenn der ursprüngliche Vertrag im Zeitpunkt der Rückabwicklung noch nicht beiderseits vollständig erfüllt war.
Durch die Aufgabe der Rechtsprechung des I. Senats, die in der Rückabwicklung eine Veräußerung und keine Rückabwicklung der Anschaffung sah, gelten für rückwirkende Ereignisse bei den Veräußerungsgewinnen nach §§ 16, 17 und 23 EStG im Ergebnis dieselben Grundsätze.
Zur Tatentdeckung als Sperrgrund einer strafbefreienden Selbstanzeige Anmerkungen zum Urteil des BGH v. 9.5.2017 – 1 StR 265/16
Engler, DStR 42/2017, S. 2.249
Anmerkung:
Gem. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
Eine Tatentdeckung liegt dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein allerdings noch keine Tatentdeckung dar. In der Regel ist eine Tat aber bereits dann entdeckt, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liegt. Auch Angehörige ausländischer Behörden kommen als Tatentdecker im Sinne des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht, wenn der betreffende Staat aufgrund bestehender Abkommen internationale Rechtshilfe leistet.

2.   Erbschaft-/Schenkungsteuer

2.1.  Der Betrieb

Neues zum Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung
Wachter, DB 43/2017, S. 2.500
Anmerkung:
Mit Urteil v. 10.05.2017, II R 25/15 hat der BFH entschieden, dass die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, sich nach der zwischen den Erben maßgeblichen Steuerklasse richtet. Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind daher nicht zu berücksichtigen.
Die geänderte Rechtsprechung führt bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden, im Regelfall zu einer höheren Steuerbelastung als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. Die Vereinbarung zu Lebzeiten begründet die Anwendung der Steuerklasse II, die Vereinbarung nach dem Erbfall die der Steuerklasse I. Bei einem nach Abzug des Freibetrags von heute 20.000 € je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 € bei Steuerklasse I verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z.B. über 75.000 € bis zu 300.000 € beläuft sich dann der Steuersatz heute auf 20 % anstelle von 11 %.
 

3.   Umsatzsteuer

3.1.  NWB

Änderungen bei den Grundlagen des Umsatzsteuerrechts - Neue Rechtsprechung des EuGH, BFH und der FG zum Vorsteuerabzug und zu § 17 Abs. 2 UStG
Nacke, NWB 41/2017, S. 3.124
Anmerkung:
Der Verfasser macht auf bedeutsame Entscheidungen von EuGH, BFH und der Finanzgerichte aufmerksam.
Rückwirkung der Rechnungsberichtigung
Mit Urteil v. 20.10.2016, V R 26/15 hat der BFH entschieden, dass die Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde (Änderung der Rechtsprechung). Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt jedenfalls dann vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Dies beruht maßgeblich auf EuGH-Urteil in der Rechtssache Senatex v. 15. 09.2016 C-518/14. Nach einem weiteren EuGH-Urteil (Rs. „Barlis 06“) ist fraglich, ob auf eine Rechnungsberichtigung verzichtet werden kann. Der BFH hat in seiner Entscheidung v. 20.10.2016, a.a.O., explizit offengelassen, ob ein VoSt-Abzug ohne formale Rechnung in Betracht kommt.
Sollbesteuerung und Rechnungsberichtigung
Mit Urteil v. 24.10.2013, V R 31/12 hat der BFH entschieden, dass bereits für den VAZ der Leistungserbringung eine Berechtigung zur Steuerberichtigung besteht, wenn ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch auf Grund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann. BFH hat aber offengelassen, ob dies auch für andere Fallgestaltungen, wie z. B. die Lieferung im Rahmen von Leasingverhältnissen gilt. Das FG Niedersachsen (Urteil vom 18.8.2016 - 5 K 288) hat auch bei Verkauf gegen Ratenzahlungen eine anfänglichen Uneinbringlichkeit angenommen, die zu einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtige (Revisionsverfahren unter dem Az.: V R 51/16).

3.2.  DStR

BMF-Schreiben v. 26.5.2017 zur umsatzsteuerlichen Organschaft und zum Vorsteuerabzug bei gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen
Wagner, Marchal, DStR 40/2017, S. 2.150
Anmerkung:
Das BMF hat mit Schreiben v. 26.05.2017, BStBl 2017 I S. 790 auf die geänderte Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sowie zum VoSt-Abzug beim Erwerb und im Zusammenhang mit dem Halten und Verwalten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen Stellung genommen.
Umsatzsteuerliche Organschaft
Der EuGH hat mit seinen Urteilen v. 16.07.2015 in der Rs. Larentia + Minerva (Rs. C 108/14) und Marenave (C 109/14) die Grundsätze zur umsatzsteuerlichen Organschaft weiterentwickelt. Die beiden Umsatzsteuersenate hatte in der Folge mit den Urteilen v. 02.12.2015, V R 25/13 u.v. 19.01.2016, XI R 3/12 entschieden, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft auch mit einer Personengesellschaft als Organgesellschaft möglich ist.
Das BMF wendet die Rechtsprechung an. Auch eine Personengesellschaft kann ausnahmsweise wie eine juristische Person finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 5 S. 1, Abschn. 2.8 Abs. 2 S. 5 UStAE). Es erfolgt insoweit keine Beschränkung auf die Rechtsform der GmbH & Co. KG. Für diese wird nun klargestellt, dass eine Komplementär-GmbH dann als Organgesellschaft der KG gilt, wenn die KG mehrheitlich an der Komplementär-GmbH beteiligt ist (Abschn. 2.2 Abs. 6 S. 3 UStAE). Eine Organschaft ist insoweit nicht mehr ausschließlich auf Einheits-GmbH & Co. KGs (100 %ige unmittelbare Beteiligung der KG an der GmbH) beschränkt. Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt künftig voraus, dass Gesellschafter neben dem Organträger nur solche Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Die Neuregelung ist erst auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 ausgeführt werden.
Vorsteuerabzug bei gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen
Das BMF schränkt in Abschn. 15.22 Abs. 1 S. 4 UStAE das Recht auf Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von Kapital zur Anschaffung einer Beteiligung ein. Der Vorsteuerabzug wird ausgeschlossen, soweit das eingeworbene Kapital

  • in keinem Verhältnis zu der im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht (vgl. BFH v. 06.04.2016, V R 6/14), oder

  • wenn die Umsätze, die das Recht auf Vorsteuerabzug begründen sollen, eine missbräuchliche Praxis darstellen (vgl. BFH v. 01.06.2016, XI R 17/11).

 

4.   Einkommensteuer

4.1.  NWB

Anteilsübertragung gegen Versorgungsleistungen nur bei Aufgabe der Geschäftsführung begünstigt - BFH-Urteil vom 20.3.2017 - X R 35/16
Hänsch, Wessels, NWB 44/2017, S. 3.334
Anmerkung:
Als Sonderausgaben abziehbar sind nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 S. 2 Bst. c EStG Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt.
Mit Urteil v. 20.03.2017, X R 35/16 hat der BFH entschieden, dass Versorgungsrenten nur dann als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 S. 2 Bst. c EStG abziehbar sind, wenn der Übergeber nach der Übertragung der Anteile an einer GmbH nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist. 
Bei einer begünstigten Vermögensübergabe handelt es sich um eine unentgeltliche Übertragung. Die Versorgungsleistungen sind in diesem Fall weder als Veräußerungsentgelt noch als Anschaffungskosten zu qualifizieren. Der Vermögensübernehmer kann die gezahlten Versorgungsleistungen in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG). Korrespondierend hierzu hat der Übergeber die wiederkehrenden Leistungen als Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern. Liegen die Voraussetzungen einer begünstigten unentgeltlichen Übertragung von GmbH-Anteilen im Zusammenhang mit Versorgungsleistungen nicht vor, stellen die zugesagten wiederkehrenden Leistungen grundsätzlich eine Gegenleistung für das übernommene Vermögen dar. Der Übergeber erzielt in diesem Fall ein Veräußerungsentgelt gem. § 17 EStG in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen. Der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil wird bei Veräußerungsleibrenten grundsätzlich mit dem Ertragsanteil gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Bst. a Dbst. bb EStG besteuert. Vermögensempfänger liegen Anschaffungskosten gem. § 17 EStG für den GmbH-Anteil in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen vor. Der in den einzelnen Zahlungen enthaltene Zinsanteil darf grundsätzlich nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 20 Abs. 9 EStG).

4.2.  DStR

Zeitwertkonten und Zuflussprinzip bei Organen von Kapitalgesellschaften – zum aktuellen Stand der Rechtsprechung
Graefe, DStR 41/2017, S. 2.199
Anmerkung:
Bei einem Zeitwertkonto verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines erdienten Gehalts, um es zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt zu bekommen. In der Regel erfolgt der Verzicht auf Teile des erdienten Gehalts im Zusammenhang mit einer späteren Freistellung oder Verminderung der Arbeitszeit.
Mit Urteil v. 11.11.2015, I R 26/15, BStBl 2016 II S. 489 hat der BFH entschieden, dass sich eine Vereinbarung, in welcher im Rahmen eines sog. Arbeitszeitkontos oder Zeitwertkontos auf die unmittelbare Entlohnung zu Gunsten von späterer (vergüteter) Freizeit verzichtet wird, nicht mit dem Aufgabenbild des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH verträgt. Dies gilt auch, wenn die Gutschrift während der Ansparphase nicht in Zeiteinheiten, sondern in Form eines Wertguthabens erfolgt. Die für Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto einkommensmindernd gebildeten Rückstellungen führen bei der GmbH auch dann zu einer Vermögensminderung als Voraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn zeitgleich die Auszahlung des laufenden Gehalts des Gesellschafter-Geschäftsführers um diesen Betrag vermindert wird. Es gilt insofern eine geschäftsvorfallbezogene, nicht aber eine handelsbilanzielle Betrachtungsweise.
Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil v. 21.12.2016, 1 K 1381/14 entschieden, dass auch dann, wenn eine Kapitalgesellschaft über mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer verfügt, sich eine Vereinbarung über entgeltumwandlungsbasierte Arbeitszeitkonten nicht mit der Gesamtverantwortung eines jeden dieser Geschäftsführer vereinbaren lässt. Dies gilt umso mehr, wenn nach den Anstellungsverträgen jedem Geschäftsführer die eigenverantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs obliegt.
Beim BFH ist derzeit ein Revisionsverfahren zur Frage, ob bereits die Gutschrift künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn bei einem angestellten Organ (Geschäftsführer) einer Körperschaft führt. Die Vorinstanz (FG Köln, Urteil v. 26.04.2016, 1 K 1191/12) hatte entschieden, dass die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto eines Fremd-Geschäftsführers noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn führt.
Nochmals: Zur Straflosigkeit der Nichtangabe von Drittlohn entgegen § 38 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 EStG Duplik auf Ebner DStR 2017, 1424
Wobst, DStR 41/2017, S. 2.193
Anmerkung:
Vgl. Anmerkung zu Ebner, DStR 26/2017, S. 1.409
Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass ohne Kenntnis (oder zumindest Erkennen können) des Arbeitgebers keine Lohnsteuerbarkeit bestehe und diese jedoch Grundvoraussetzung für eine Lohnsteuerhinterziehung ist.. Der Tatbestand der Lohnsteuerhinterziehung sei deshalb weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Täterschaft erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Angabepflicht aus § 38 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 EStG verstoße und dem Arbeitgeber deshalb Drittlohn unbekannt bleibt.

4.3.  Der Betrieb

Die einkommensteuerliche Qualifikation von Zufallserfindungen
Marx, Kilincsoy, DB 40/2017, S. 2.313
Anmerkung:
Die einkommensteuerliche Behandlung von sog. Zufallserfindungen ist umstritten.
Beim BFH ist derzeit ein Revisionsverfahren unter dem Az.: (III R 11/16) zur Frage, ob die Veräußerung eines Patents bzw. Gebrauchsmusters einkommensteuerbar ist oder ob es sich um eine Zufallserfindung handelt, anhängig. Die Vorinstanz, das FG Düsseldorf, hat mit Urteil vom 06.04.2016 entschieden, dass die einer noch nicht verwertungsreifen Erfindung nachfolgenden Tätigkeiten zur Herstellung der technischen Verwertungsreife zur Steuerbarkeit der späteren Veräußerung des Patents führen. Abzugrenzen sei dies gegenüber einer sog. Zufallserfindung, die aus sich heraus und ohne weitere Ausarbeitung verwertungsreif ist.
Neuausrichtung nachträglicher Anschaffungskosten bei § 17 EStG durch den BFH Zugleich Besprechung des BFH-Urteils v. 11.7.2017 – IX R 36/15
Kahlert, DStR 43/2017, S. 2.305
Anmerkung:
Mit Urteil v. 11.07.2017, IX R 35/15 hat der BFH entschieden, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen ist. Aufwendungen des Gesellschafters aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung. Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.
Nunmehr ist ausschließlich der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten in Ermangelung einer abweichenden Definition im EStG auch der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 u. 4 EStG zugrunde zu legen.
Nach den neuen Grundsätzen des IX. Senats des BFH sind Verluste von Gesellschaftern aus Finanzierungshilfen zugunsten ihrer GmbH nach dem Stichtag für den Vertrauensschutz (27.09.2017) nur noch dann als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG berücksichtigen, wenn diese als Einlagen zu beurteilen sind. Ob und in welchem Umfang eine Berücksichtigung von Verlusten aus Finanzierungshilfen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG in Betracht kommt, ist insbesondere angesichts anhängiger Revisionsverfahren zurzeit offen.
 

5.   Körperschaftsteuerrecht

5.1.  NWB

Wann hat eine Erwerbergruppe gleichgerichtete Interessen gem. § 8c KStG? Anm. zum Urteil des BFH vom 22.11.2016 - I R 30/15
Ronneberger, NWB 41/2017, S. 3.135
Anmerkung:
Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (§ 8c Abs. 1 S. 2 KStG). Als ein Erwerber im Sinne des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 1 S. 3 KStG).
Nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung war es für die Annahme gleichgerichteter Interessen ausreichend, wenn eine Abstimmung zwischen den Erwerbern stattgefunden hat. Ein Vertrag musste hierfür nicht vorliegen. Auch mussten sich die gleichgerichteten Interessen nicht zwingend auf den Erhalt der steuerlichen Verlustvorträge richten. Regelmäßig reichte der Finanzverwaltung eine Absprache der Erwerber im Hinblick auf die Kaufmodalitäten, um gleichgerichtete Interessen zu unterstellen.
Mit Urteil v. 22.11.2016, I R 30/15, BStBl 2017 II S. 921 hat der BFH entschieden, dass eine Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 S. 3 KStG) im Hinblick auf einen schädlichen Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG nur dann vorliegt, wenn mehrere Erwerber bei dem (auch mittelbaren) Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und sie auf der Grundlage einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absprache im Anschluss an den Erwerb einen beherrschenden Einfluss in dieser Gesellschaft ausüben können. Die Möglichkeit des Beherrschens genügt nicht. Die Feststellungs- und Beweislast trägt die Finanzbehörde.
Nachträgliche Berichtigung des steuerlichen Einlagekontos - Vorsorge ist besser als Heilung!
Schmitz-Herscheidt, NWB 42/2017, S. 3.196
Anmerkung:
Das steuerliche Einlagekonto dient mit Blick auf die Besteuerung des Anteilseigners dazu, die nicht steuerpflichtige Auskehrung von Einlagen (Einlagenrückgewähr) zu identifizieren bzw. von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren. Um dies zu gewährleisten, werden die nicht in das Nennkapital geleisteten (verdeckten) Einlagen auf einem besonderen Konto erfasst und bei Rückgewähr entsprechend bescheinigt, damit die Ausschüttung insoweit nicht der Halb- bzw. Teileinkünftebesteuerung auf der Anteilseignerebene unterliegt.
Gem. § 27 Abs. 2 S. 1 KStG wird der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt, § 27 Abs. 2 S. 2 KStG. Problematisch ist es, wenn der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu niedrig festgestellt wurde, insbesondere weil vergessen wurde, einen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto zu beantragen. Eine Berichtigung nach § 129 AO (offenbare Unrichtigkeit in Gestalt eines Übernahmefehlers) kommt nur in Betracht, wenn sich aus den beim FA eingereichten Unterlagen leicht und einwandfrei feststellen lässt, dass im laufenden Veranlagungszeitraum eine Einlage erfolgte.
Ertragszuschuss in der Organschaft - Grundsatzurteil des BFH zu steuerlichen Ausgleichsposten
Bolik, Kummer, NWB 44/2017, S. 3.342
Anmerkung:
Mit Urteil v. 15.03.2017, I R 67/15 hat der BFH entschieden, dass ein Ertragszuschuss eine verdeckte Einlage darstellt und zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos bei der Organgesellschaft gem. § 27 Abs. 1 S. 1 KStG führt, die durch den sofortigen Rückfluss an den Organträger im Rahmen der organschaftlichen Gewinnabführung nicht wieder rückgängig gemacht wird. Bei der Rückgewähr eines Ertragszuschusses über die organschaftliche Gewinnabführung besteht ein aus dem Rechtsinstitut der Organschaft abzuleitender Grund dafür, von einer organschaftlichen Mehrabführung auszugehen (a.A. BMF-Schreiben v. 15.07. 2013, BStBl I 2013, 921).
Nach Auffassung des BFH kann ausdrücklich dahinstehen, ob die steuerliche Korrektur des Ertragszuschusses als verdeckte Einlage bei der Organgesellschaft innerhalb der Steuerbilanz oder außerbilanziell erfolgt. Bereits mit Urteil v. 29.08.2012, BStBl 2012 II S. 555  hat der BFH entschieden, dass ein Passiver Ausgleichsposten i. S. d. § 14 Abs.  4 KStG für Mehrabführungen nicht zu bilden ist, wenn die auf die Organgesellschaft entfallenden Beteiligungsverluste aus einem KG-Anteil aufgrund außerbilanzieller Zurechnung gemäß § 15a EStG neutralisiert werden und damit das dem Organträger zuzurechnende Einkommen nicht mindern.
Die Finanzverwaltung war bislang der Ansicht, dass außerbilanzielle Korrekturen für das Vorliegen organschaftlicher Mehr- oder Minderabführungen nicht zu berücksichtigen seien. Der BFH legt den Tatbestand der organschaftlichen Mehr- oder Minderabführung i. S. d. § 27 Abs. 6 S. 1 KStG am Grundanliegen des Gesetzgebers aus, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen.

5.2.  DStR

Materielles Korrespondenzprinzip bei grenzüberschreitenden verdeckten Einlagen von Kapitalgesellschaftsanteilen
Dr. Dr. Norbert Mückl und Dr. Stephan Schnorberger
Anmerkung:
Nach § 8 Abs. 3 S. 3 KStG erhöhen verdeckte Einlagen nicht das Einkommen. Gem. § 8 Abs. 3 S. 4 KStG gilt dies nicht, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat (sog. materielles Korrespondenzprinzip). Für Gewinnausschüttungen findet sich bei Körperschaftsteuersubjekten eine entsprechende Regelung in § 8b Abs. 1 S. 2 ff. KStG. Hiernach bleiben Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung des Einkommens entgegen dem in § 8b Abs. 1 S. 1 KStG enthaltenen Grundsatz nur außer Ansatz, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben.
Zusätzlich zum materiellen Korrespondenzprinzip in den §§ 8 und 8b KStG ist mit dem JStG 2007 das formelle Korrespondenzprinzip in § 32a KStG eingeführt worden. Soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung erlassen, aufgehoben oder geändert wird, kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die verdeckte Gewinnausschüttung zuzurechnen ist, oder einer diesem nahestehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert werden, § 32a Abs. 1 KStG. Im Falle des Erlasses, der Änderung oder der Aufhebung eines Steuerbescheides aufgrund der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage bei dem Gesellschafter kann demnach der Steuerbescheid der empfangenden Körperschaft innerhalb der verlängerten Frist dieser Änderung angepasst werden, § 32a Abs. 2 KStG.
Problematisch ist die Anwendung des materiellen Korrespondenzprinzips bei grenzüberschreitenden Fällen.
Nach Auffassung des Verfasser ist zweifelhaft, ob das materielle Korrespondenzprinzip für verdeckte Einlagen (§ 8 Abs. 3 S. 4 KStG) auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar ist. Weiterhin sei die Regelung des § 8 Abs. 3 S. 4 KStG nur anwendbar, wenn die verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert habe und nicht für den Fall der verhinderten Vermögensmehrung. Darüber hinaus könne die Regelung nicht zur Anwendung kommen, wenn ein eventueller Gewinn aus der verdeckten Einlage des Kapitalgesellschaftsanteils beim Gesellschafter in dessen Ansässigkeitsstaat steuerfrei sei. Schließlich verhindere auch die Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA eine auf § 8 Abs. 3 S. 4 KStG beruhende Einkommenserhöhung.
Probezeit bei der betrieblichen Altersversorgung des Gesellschafter-Geschäftsführers Aktueller Rechtsstand, offene Fragen und Lösungsansätze
Dommermuth, Veh, DStR 42/2017, S. 2.249
Anmerkung:
Eine Pensionszusage führt nur dann nicht zu einer vGA, wenn die Kriterien, Erdienbarkeit, Ernsthaftigkeit, Angemessenheit, Finanzierbarkeit und Probe-/Wartezeit erfüllt sind, vgl. R/H 8.7 KStR/KStH.
Die Erteilung einer Pensionszusage unmittelbar nach der Anstellung und ohne die unter Fremden übliche Wartezeit ist in aller Regel durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Eine unter Verstoß gegen eine angemessene Probezeit erteilte Pensionszusage wächst auch nach Ablauf der angemessenen Probezeit nicht in eine fremdvergleichsgerechte Pensionszusage hinein, H 8.7 „Warte-/Probezeit“ KStH.
Im Allgemeinen genügen zwei bis drei Jahre Probezeit. Bei entsprechender Vortätigkeit kann auf die Einhaltung einer Probezeit verzichtet werden. Wird ein Unternehmen neu gegründet, ist jedoch eine Probezeit von mindestens fünf Jahren notwendig, BMF-Schreiben v. 14.12.2012, BStBl 2013 I S. 58. Eine Probezeit ist bei solchen Unternehmen verzichtbar, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben und die die Ertragserwartungen aufgrund ihrer bisherigen unternehmerischen Tätigkeit hinreichend deutlich abschätzen können. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen erfüllt, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (und der bisherige, bereits erprobte Geschäftsleiter das Unternehmen fortführt. Wird ein Unternehmen durch seine bisherigen leitenden Angestellten „aufgekauft” und führen diese Angestellten den Betrieb in Gestalt einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft als Geschäftsführer fort (sog. Management-Buy-Out), so kann es ausreichen, wenn bis zur Erteilung der Zusagen nur rund ein Jahr abgewartet wird.
 

 
 
 

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