Rechtsprechung KW 13-2017

1. Einkommensteuer

Beitrittsaufforderung an BMF: Nachträgliche Anschaffungskosten nach zivilrechtlicher Neuordnung des Kapitalersatzrechts durch das MoMiG


Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen nach Inkrafttreten des MoMiG Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen sind.

BFH  v. 11.01.2017, IX R 36/15

Hinweis:

Gem. § 17 Abs. 4 EStG gilt als Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG u.a. auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft. In diesem Zusammenhang stellt sich häufig die Frage, ob ausgefallene Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden können.

Der Kläger war zunächst Angestellter einer GmbH. Zur Umgestaltung der Geschäftsräume nahm die GmbH verschiedene Darlehen auf. Der Kläger übernahm für die Darlehen selbstschuldnerische Bürgschaften. Später wurden die GmbH-Anteile vom Vater an den Kläger im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Die GmbH geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und stellte schließlich in 2011 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der mangels Masse abgelehnt wurde. In der Folgezeit wurde der Kläger persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH in Anspruch genommen. Der Kläger beantragte die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus der Bürgschaftsinanspruchnahme. Das FA berücksichtigte die Zahlungen nicht, da sich die GmbH im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung nicht in einer Krise befunden habe.
Der BFH hat das BMF zum Beitritt zum Revisionsverfahren aufgefordert.

Durch das MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden im Rahmen des MoMiG aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz neu geordnet. Kern der Neuregelungen in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a, 135, 143 Abs. 3 der InsO ist eine gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, unabhängig davon, ob sie in der Krise gewährt wurden oder nicht („insolvenzrechtliches Institut der Nachrangigkeit“).

Nach Ansicht der Finanzverwaltung gelten die bisherigen Grundsätze des BFH zu nachträglichen Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2 EStG ungeachtet des MoMiG weiterhin fort. Bislang unterscheidet der BFH für die Frage des Umfangs nachträglicher Anschaffungskosten vier Fallgruppen:
  • Hingabe der Darlehen in der Krise
  • Stehen gelassene Darlehen
  • Krisenbestimmte Darlehen
Die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten kommt regelmäßig für stehengelassene Darlehen nicht in Betracht. Bei Hingabe von Darlehen in der Krise, Finanzplandarlehen und krisenbestimmten Darlehen wird hingegen der Nennwert der Darlehensforderung bislang als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt.

In der Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen nach MoMiG Darlehensausfälle als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden können.

Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts bei Ratenzahlung

Bei zeitlich gestreckter Zahlung des Veräußerungserlöses in verschiedenen Veranlagungszeiträumen fällt der Veräußerungsverlust anteilig nach dem Verhältnis der Teilzahlungsbeträge zu dem Gesamtveräußerungserlös in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen der Zahlungszuflüsse an.

BFH  v. 06.12.2016, IX R 18/16

Hinweis:

Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG u.a. Grundstücksveräußerungen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Für welches Kalenderjahr der Gewinn oder Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft erfasst wird, ist nach dem Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) des Veräußerungserlöses zu beurteilen.

Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft. Die Klägerin erwarb 1998 zwei zusammenhängende Grundstücke. Mit notariellem Vertrag in 2007 verkaufte die Klägerin die Grundstücke. Der Kaufpreis wurde in verschiedenen Tranchen entrichtet. Insgesamt ergab sich ein Veräußerungsverlust. Streitig war die Verlustverteilung auf die einzelnen Jahre.

Der BFH hat entschieden, dass der Veräußerungsverlust anteilig nach dem Verhältnis der Teilzahlungsbeträge zum Gesamtveräußerungserlös in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen anzusetzen ist.

§ 23 Abs. 3 EStG betrifft als Einkünfteermittlungsregel nur die Frage, wie der Gewinn oder Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft errechnet wird. Hierfür ist der tatsächliche Veräußerungspreis maßgebend, unabhängig davon, wann und auf welche Weise er zu entrichten ist. Bei zeitlicher Streckung der Zahlung wird der Veräußerungspreis in mehreren Veranlagungszeiträumen erfasst. Für welches Kalenderjahr der Gewinn oder Verlust aus dem privaten Veräußerungsgeschäft erfasst wird, ist nach dem Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) des Veräußerungserlöses zu beurteilen. Vor diesem Hintergrund ist es in Verlustfällen sachgerecht, dass mit dem Zufluss des jeweiligen Teilzahlungsbetrags der Verlust anteilig entsteht. Im Gewinnfall kommt es hingegen erst in dem Jahr zur Besteuerung, in dem der Steuerpflichtige mehr erhalten hat, als ihm an Anschaffungs- und Veräußerungskosten entstanden waren. Der übersteigende Betrag, ist auf die Jahre zu verteilen, in denen er dem Steuerpflichtigen tatsächlich zufließt.

Besteuerung von Entschädigungen für ehrenamtliche Richterinnen und Richter

Eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 18 JVEG ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar, wenn sie als Ersatz für entgangene Einnahmen aus einer nichtselbständigen Tätigkeit gezahlt wird.

Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG ist nicht steuerbar.

Auf die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter findet die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26a EStG dann keine Anwendung, wenn nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreier Aufwendungsersatz gezahlt worden ist.

BFH  v. 31.01.2017,  IX R 10/16

Hinweis:

Nach § 24 Nr. 1 Bst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Entschädigungen, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ gewährt worden sind, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten.

Im Streitfall war der Steuerpflichtige als ehrenamtlicher Richter am Landgericht tätig. Er erhielt eine Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG) sowie für Verdienstausfall bei seiner Angestelltentätigkeit (§ 18 JVEG). Zudem erhielt er noch Ersatz seiner Fahrtkosten (§ 5 JVEG) und sonstigen Aufwendungen (§ 6 JVEG). Das Finanzamt unterwarf die Entschädigungen für Zeitversäumnis und für Verdienstausfall der Besteuerung.

Der BFH hat entschieden, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis keine ausgefallenen Einkünfte ersetzt und damit nicht steuerbar ist.

Die auf der Grundlage von § 16 und § 18 JVEG gezahlten Entschädigungen sind nicht als Einnahmen aus einer sonstigen selbständigen Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerbar. Bei den nach § 18 JVEG gezahlten Entschädigung für Verdienstausfall handelt es sich vielmehr um eine steuerbare Einnahme nach § 24 Nr. 1 Bst. a, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG: Denn die an den Kläger gezahlte Entschädigung nach § 18 JVEG tritt an die Stelle von entfallenen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit. Wie bisher haben die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter den Aufwendungsersatz nach §§ 5 bis 7 JVEG nicht zu versteuern. Dies gilt nunmehr auch für die pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG in Höhe von aktuell 6 € je Stunde. Die Entschädigung für Verdienstausfall ist demgegenüber weiterhin zu versteuern. Insoweit kommt auch der sog. „Ehrenamtsfreibetrag“ (§ 3 Nr. 26a EStG) nicht zur Anwendung. Es handelt sich auch um keine Aufwandsentschädigung i. S. § 3 Nr. 12 S. 1 EStG. § 3 Nr. 12 S. 2 EStG ist nicht einschlägig, da Entschädigungen für Verdienstausfall ausdrücklich ausgenommen sind.

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