Rechtsprechung KW 02-2017

1. Umsatzsteuer

Zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG (unternehmerische Mindestnutzung; 10 %-Grenze)


Die Bundesrepublik Deutschland war u.a. im Besteuerungszeitraum 2008 nicht ermächtigt, durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG den Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen auszuschließen, die zu mehr als 90 % für nichtwirtschaftliche - nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende - Tätigkeiten verwendet werden.

Ein Unternehmer kann sich insoweit auf das für ihn günstigere Unionsrecht berufen.

(Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil Landkreis Potsdam-Mittelmark vom 15.09.2016 C-400/15, EU:C:2016:687, UR 2016, 840, MwStR 2016, 835)

BFH  v. 16.11.2016, XI R 15/13

Hinweis:

Nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG gilt eine Lieferung eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Nach Art. 168 Bst. a MwStSystRl ist der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Im Streitfall ging es um den anteiligen Vorsteuerabzug eines Landkreises bei Erwerb von Arbeitsmaschinen, die er in seinem Kreisstraßenbetrieb als Träger der Straßenbaulast zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und zu 2,65 % wie ein privates Unternehmen zur Erbringung steuerpflichtiger Leistungen gegenüber Dritten nutzte. Der Landkreis machte aus der Anschaffung anteilig zu 2,65 % den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt ließ die Vorsteuer nicht zum Abzug zu, da die angeschafften Gegenstände nicht gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 UStG zu mindestens 10 % für das Unternehmen des Klägers genutzt worden seien. Der BFH hatte das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts für die Anschaffung von Arbeitsmaschinen den Vorsteuerabzug geltend machen kann, obwohl die Geräte zu weniger als 10 % für unternehmerische Zwecke und zu 97,35 % für die hoheitlichen Zwecke der Einrichtung verwendet werden (EuGH v. 15.09.2016, C 400/15 „Landkreis Potsdam-Mittelmark“).

Der BFH hat entschieden, dass dem Kläger der anteilige Vorsteuer-Abzug zu gewähren ist.

Das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 168 Bst. a MwStSystRL besteht für den Steuerpflichtigen grundsätzlich uneingeschränkt, „wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag“.

Durch Art. 1 der Entscheidung 2004/817/EG wurde Deutschland zwar ermächtigt, abweichend von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Ausgaben für solche Gegenstände und Dienstleistungen vom Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für „unternehmensfremde Zwecke“ genutzt werden. Art. 1 der Entscheidung 2004/817/EG ist aber dahin auszulegen, dass er nicht für den Fall gilt, dass ein Unternehmen wie im Streitfall Gegenstände oder Dienstleistungen erwirbt, die es zu mehr als 90 % für nichtwirtschaftliche nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Tätigkeiten nutzt.




2. Einkommensteuer

Ausgleichszahlung bei Übertragung einer Anwartschaft auf Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen als Werbungskosten


Ausgleichszahlungen, die ein Arbeitnehmer, dem eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zugesagt worden ist, leistet, um bei einem Arbeitgeberwechsel die Anrechnung von Dienstzeiten durch den neuen Arbeitgeber zu erreichen, sind als Werbungskosten abziehbar.

BFH  v. 19.10.2016, VI R 22/15

Hinweis:

Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 EStG Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind.

Der Kläger war zunächst als Vorstandsmitglied der Sparkasse A beschäftigt. Die Sparkasse A hatte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zugesagt. Die Sparkasse A schloss mit dem Kläger einen Auflösungsvertrag, weil der Kläger in den Vorstand der Sparkasse B wechselte. Die beiden Sparkassen schlossen mit Einverständnis des Klägers eine Vereinbarung über die Übertragung der Pensionszusage auf die Sparkasse B. Der Kläger zahlte entsprechend der Auflösungsvereinbarung einen Betrag von knapp 64.000 € an die Sparkasse A. Die Sparkasse A zahlte aufgrund der Übertragungsvereinbarung knapp 64.000 € an Sparkasse B. Strittig war, ob die Zahlung des Klägers Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit darstellen.

Der BFH hat entschieden, dass die Zahlung des Klägers als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen ist.

Die Zahlung des Klägers sollte rechtlich und wirtschaftlich der Erhöhung der nachträglichen Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bei der Sparkasse B dienen. Da die Höhe des Ruhegehalts des Klägers bei der Sparkasse B entsprechend §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 nach dem BeamtVG von der Dienstzeit abhängt, führt deren Erhöhung auch zu höheren (künftigen) Versorgungsbezügen des Klägers. Damit stand die Zahlung in objektivem Zusammenhang mit den künftigen Versorgungsbezügen des Klägers gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG und diente auch subjektiv der Erzielung dieser Einkünfte. Sie ist folglich im Streitjahr, in dem sie geleistet wurde (§ 11 Abs. 2 EStG), als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Entgegen der Ansicht des FG führte die Zahlung nicht zu Anschaffungskosten für eine Anwartschaft auf eine Leibrente gem. § 22 Abs. 1 S. 3 Bst. a Dbst. bb EStG.

Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Feier seines Geburtstags

Aufwendungen für eine Feier anlässlich eines Geburtstags sind in der Regel auch durch die gesellschaftliche Stellung des Arbeitnehmers veranlasst und im Allgemeinen nicht als Werbungskosten anzuerkennen.

Allerdings kann sich trotz des herausgehobenen persönlichen Ereignisses aus den übrigen Umständen des einzelnen Falls ergeben, dass die Kosten für eine solche Feier ausnahmsweise ganz oder teilweise beruflich veranlasst sind.

BFH  v. 10.11.2016, VI R 7/16

Hinweis:

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, § 9 Abs. 1 S. 1 EStG.

Der Kläger war im Streitjahr 2011 alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger vollendete im Streitjahr sein 60. Lebensjahr. Anlässlich seines Geburtstags lud er sämtliche Mitarbeiter der GmbH sowie den Aufsichtsratsvorsitzenden (insgesamt ca. 70 Personen) in eine Werkstatthalle des Arbeitgebers ein, der in die Organisation der Geburtstagsfeier eingebunden war. Die Werkstatthalle wurde für die Feierlichkeit mit Mobiliar des Arbeitgebers (Bierzeltgarnituren) ausgestattet. Die Feier fand an einem Freitag von 12 Uhr bis 17 Uhr statt. Ein Teil der Gäste erschien in Arbeitskleidung. Die Kosten der Feier beliefen sich auf ca. 35 € pro Person. Außerdem fanden private Geburtstagsfeiern des Klägers mit deutlich höheren Kosten statt. Für 2011 machte der Kläger Aufwendungen für die Geburtstagsfeier als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der BFH hat entschieden, dass die Aufwendungen des Klägers für seine Geburtstagsfeier als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Für die erforderliche Beurteilung, ob die Aufwendungen beruflich oder privat veranlasst sind, ist nach der BFH-Rechtsprechung in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Der Anlass einer Feier ist aber nicht das alleinentscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen.

Trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses kann sich aus den übrigen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Aufwendungen für die Feier beruflich veranlasst sind. Dies ist insbesondere möglich, wenn die Feier nicht in erster Linie der Ehrung des Jubilars, sondern der Pflege des Betriebsklimas dient, der Jubilar mit seiner Einladung der Belegschaft Dank und Anerkennung zollt oder gefestigten betrieblichen Gepflogenheiten Rechnung trägt. Umgekehrt begründet ein Ereignis in der beruflichen Sphäre allein nicht die Annahme, die Aufwendungen für eine Feier seien (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst. Ob die Aufwendungen Werbungskosten sind, ist daher anhand weiterer Kriterien zu beurteilen.

Vorliegend wurde die (nahezu) ausschließliche berufliche Veranlassung u.a. damit begründet, dass ausschließlich (und sämtliche) Mitarbeiter der GmbH eingeladen waren, der Arbeitgeber in die Organisation eingebunden war und die Kosten (ca. 35 € pro Person) maßvoll waren. 




3. Sonstiges

Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mietzinsen (Entgelt für die Überlassung von Ausstellungsflächen in Messehallen)


Die Hinzurechnung von Mietzinsen zur Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) setzt voraus, dass sich jene Entgelte auf die Benutzung solcher unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beziehen, die im Eigentum eines anderen stehen. Die aus diesem Gesetzeswortlaut abzuleitende fiktionale Annahme von Anlagevermögen als Tatbestandsvoraussetzung muss den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren (Senatsurteile vom 29. November 1972 I R 178/70, BFHE 107, 468, BStBl II 1973, 148; vom 30. März 1994 I R 123/93, BFHE 174, 554, BStBl II 1994, 810; vom 4. Juni 2014 I R 70/12, BFHE 246, 67, BStBl II 2015, 289). Eine Geschäftstätigkeit als sog. Durchführungsgesellschaft schließt die Annahme von (fiktionalem) Anlagevermögen an den angemieteten Messeflächen aus.

BFH v. 25.10.2016, I R 57/15

Hinweis:

Nach § 8 Nr. 1 Bst. e GewStG werden zur Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 S. 1 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus dreizehn Zwanzigstel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Die Klägerin, eine GmbH, war im Streitjahr u.a. als sog. Durchführungsgesellschaft für Auslandsmessebeteiligungen der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) bzw. des Freistaats Bayern tätig und organisierte die (amtlichen) Messebeteiligungen in deren Auftrag. Streitig ist, ob das an ausländische Messegesellschaften gezahlte Entgelt für die Überlassung von Ausstellungsflächen in Messehallen als Mietzins der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterfällt.

Der BFH hat entschieden, dass das gezahlte Entgelt für die Überlassung von Ausstellungsflächen in Messehallen nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung unterliegt.

Die Hinzurechnung von Mietzinsen zur Ermittlung des Gewerbeertrages gem. § 8 Nr. 1 Bst. e GewStG setzt voraus, dass sich jene Entgelte auf die Benutzung solcher unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beziehen, die im Eigentum eines anderen stehen. Die aus diesem Gesetzeswortlaut abzuleitende fiktionale Annahme von Anlagevermögen als Tatbestandsvoraussetzung muss den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich, soweit wie möglich, an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Eine Geschäftstätigkeit als sog. Durchführungsgesellschaft schließt die Annahme von (fiktionalem) Anlagevermögen an den angemieteten Messeflächen aus. 

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